Lesung:Perspektiv-Wechsel

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Der Dietersheimer Autor Bernhard Ganter liest aus seinem Buch "Die letzte Reise", in dem Europäer nach Afrika fliehen

Von Alexandra Vettori, Eching

Saloon-Türflügel führen in die gemütliche Küche, an den Wänden hängen unzählige Fotos, Bernhard Ganter mit Christian Ude, Bernhard Ganter mit Bibi Jones, Peter Kraus, Gustl Bayrhammer, mit Kult-Wirt Kay Wörsching. "Der ist Pate meines Sohnes, den haben wir im Bistro selbst getauft, mit Champagner", erzählt Bernhard Ganter und lächelt versonnen. Früher war der 72-Jährige ständig in der Münchner Künstlerszene unterwegs, inzwischen, sagt er, sei es ruhiger geworden. Er selbst ist es nicht, zumindest nicht, was seine literarische Schaffenskraft anbelangt. Gerade hat der seit 30 Jahren in Dietersheim lebende Schriftsteller ein neues Buch geschrieben, das Sujet ist hochaktuell, es geht um Fremdenfeindlichkeit. An diesem Freitag liest er daraus in der Echinger Gemeindebücherei.

"Ich bin ein sehr politischer Mensch", sagt Ganter beim Kaffee, "das Traurige ist, dass man mit Büchern nichts verändert. Diejenigen, deren Meinung man ändern möchte, lesen es nicht." Er fügt hinzu: "Aber man versucht es natürlich trotzdem, man will sich ja im Spiegel anschauen können." In seinem neuen Buch "Die letzte Reise" hat er auch das Flüchtlingsproblem aufgegriffen, allerdings in umgekehrte Richtung. Eine der zwölf Erzählungen handelt davon, dass nach Bombenanschlägen auf Atomkraftwerke in Europa und den USA viele Menschen nach Afrika zu fliehen versuchen. "Die Afrikaner wehren sich natürlich, nur die Reichen lassen sie rein", sagt Ganter und lächelt. Auf ein Genre festlegen kann man den Autor nicht, der als Fix-und-Foxi- und Bussibär-Geschichtenerzähler angefangen hat, später als Journalist arbeitete und viel für das Bayerische Fernsehen tätig war. Bücher wollte er immer schreiben, "wenn ich mir neben dem Brötchen-Erwerb mal Freiräume schaffen kann." Es sollte bis in die Achtzigerjahre hinein dauern, bis sein erstes Buch erschien, "Herzlos", ein Thriller über Organhandel, der beim Lübbe-Verlag zum Bestseller wurde. Vor vier Jahren ist er in China erschienen, da ging Ganter auf Lesereise, "an vier chinesischen Unis habe ich Lesungen für Germanistik-Studenten gehalten", erzählt er.

Mittlerweile ist Ganters Ouevre auf 18 Bücher angewachsen, Romane sind dabei, Krimis, satirische Liebesgedichte, Thriller, sogar ein Märchen, das er für seine Enkelkinder schuf. Die Bilder dazu hat seine Tochter gemalt, eine Grafikerin. Auch ein Kochbuch habe er schon herausgegeben, mit dem ironischen Untertitel "geschmacklos", ein Gemeinschaftswerk mit Werner Schlierf, erst diese Woche hat er daraus in der Giesinger Stadtbibliothek gelesen. Seine Frau Henriette, mit der er seit 46 Jahren verheiratet ist, hat ihn mit ihren Marionetten begleitet. Ihr Mann, sagt sie, sei ihr Lieblingsschriftsteller, obwohl seine Bücher meist bösartig seien, "ganz anders als er selbst, er ist ein humorvoller, liebenswerter Mensch." Bis in die Siebzigerjahre ist Bernhard Ganter als Hippie mit Gleichgesinnten im Bus durch Europa getingelt, schon damals hat er Gedichte und Tagebuch geschrieben. "Von der Sorte, die man heute nicht mehr herzeigen möchte, die aber damals grandios waren."

Ein neues Buch ist in Arbeit, ein Polit-Thriller, so viel verrät Ganter. Er steckt mitten in der Recherche, "die Geschichten sind erfunden, aber der Hintergrund muss stimmen, da bin ich eigen." An diesem Freitag aber liest er aus "Die letzte Reise" in der Bücherei, Danziger Straße 5, Beginn ist um 19 Uhr.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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