Landwirtschaft im Großraum:Stadt, Land, Frust

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Bei einer CSU-Veranstaltung kritisieren Bauern und Politiker den Siedlungsdruck, den München auf die Region aufbaut

Von Karin Kampwerth, Markt Schwaben

Die Siedlungspolitik der Stadt München haben Landwirte aus Ebersberg und Erding gemeinsam mit Spitzenpolitikern aus den Landkreisen scharf kritisiert. Bei einer Veranstaltung beider Kreisverbände der CSU-Arbeitsgemeinschaft für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ELF) in Markt Schwaben kündigte der Landtagsabgeordnete Thomas Huber an, mit einer Ballungsrauminitiative, die am 22. Juli im Landtag beschlossen werden soll, gegen den Siedlungsdruck vorzugehen, den die Stadt München auf das Umland aufbaut. Für Huber, der mit dem CSU-Bundestagsabgeordneten für Ebersberg und Erding, Andreas Lenz, und der CSU-Europa-Parlamentarierin Angelika Niebler ins Schwaiger Brauhaus gekommen war, ist klar: "Die Stadt muss sich von dem Gedanken lösen, nicht in die Höhe zu bauen." Die Begrenzung auf 100 Meter analog zu den Türmen der Frauenkirche "müssen wir ausbaden", sagte Huber. Andreas Lenz ärgerte sich, dass die Stadt ihre Verdichtungsmöglichkeiten nicht nutze. Stattdessen werde in Erding und Ebersberg immer mehr gebaut.

Ein Trend, dem die Landwirte sich nicht beugen wollen. Denn sie sind größtenteils im Besitz des Grundes, auf dem Bauland entstehen kann. Durch den Verkauf verlieren die Bauern Stück für Stück ihre Lebensgrundlage, die Produktion von Nahrungsmitteln oder pflanzlichen Energielieferanten. Um diese Flächen fürchten sie nun, wie ein Gast im Markt Schwaben es anhand der Ausweisung eines neuen Stadtviertels im Münchner Westen ausführte. Auf 1200 Hektar Ackerland habe die Stadt die Preise eingefroren. "Das ist Enteignung, wie sie im Buche steht." Während es der Bundestagsabgeordnete Lenz als "Sauerei" bezeichnete, dass die Landwirte von den Plänen erst aus der Zeitung erfahren hätten, ärgerte sich Landtagsabgeordneter Huber über die Preispolitik der Stadt. Seiner Ansicht nach müssten Landwirte einen Vorteil davon haben, wenn sie ihre Flächen als Bauland zur Verfügung stellten.

Die beiden ELF-Kreisvorsitzenden, Martin Lechner aus Ebersberg und Josef Lohmeier aus Erding, hatten allerdings noch eine Reihe anderer Themen auf der Agenda des agrarpolitischen Diskussionsabends, für den es Lechner zufolge erstmals gelungen sei, Politiker aller drei Entscheidungsebenen aus Land, Bund und Europa zusammenzubringen. Der Einladung waren mehr als 40 Gäste nach Markt Schwaben gefolgt, "und das an einem Freitagabend im Sommer", wie Lechner mit Freude anerkannte. Bei der anschließenden Themenvielfalt allerdings wenig verwunderlich, denn es gibt schon reichlich Schuhe, die die Bauern drücken und für die sie die Gesetzgeber auf Bundes- und europäischer Ebene verantwortlich machen.

"Deshalb ist das Ziel dieses Abends auch gegenseitiges Verständnis", sagte Lechner zu Beginn der zweieinhalbstündigen und für alle Beteiligten erfreulich sachlichen Diskussion, bei der sich der Ebersberger ELF-Kreisvorsitzende als "überzeugter Europäer" bezeichnete, wenngleich er mit der einen oder anderen Vorgabe aus Brüssel nicht einverstanden sei. Vor allem junge Bauern seien durch die Vielzahl sich ständig ändernder Vorschriften verunsichert, hätten bisweilen sogar Existenzängste. "Ich verstehe jeden Bauern, der vor seinem alten Stall mit 40 Kühen steht und nicht weiß, was er tun soll", sagte Lechner. Auf 200 oder 300 Kühe umstellen oder auf Bio umrüsten.

Einer verlässlichen Planung stehe nicht nur das ständige Ringen um den Milchpreis entgegen, auch Auflagen wie die Gülleverordnung machten den Landwirten das Leben schwer, wie die anwesenden Bauern im Publikum bestätigten. Vor allem, dass der Kalender die Gülleausbringung regele und nicht die Natur, verärgert die Landwirte. Bei der Milch verwies Landtagsabgeordneter Thomas Huber auf ein Hilfspaket von 600 Millionen Euro, das den Milchpreis derzeit stabilisiere. "Aber an einer Reduzierung der Milchmenge in Europa kommen wir nicht vorbei", sagte er. Zudem seien Betriebe mit mehreren Einkommensstandbeinen, also etwa auch mit Pflanzen zur Energiegewinnung, stabiler.

Angelika Niebler warnte die Bauern hingegen, sich Hoffnungen auf weitere Subventionen aus Brüssel zu machen. Niebler zeigte sich aber durchaus angetan vom Vorschlag eines Landwirtes, auf europäischer Ebene eine Imagekampagne für die Bauern zu initiieren. Ebenso versprach sie, sich dafür einzusetzen, dass etwa die Kontrollen der Standards in der ökologischen Landwirtschaft in allen europäischen Ländern so penibel wie in Deutschland durchgeführt werden. "Es kann nicht sein, dass wir gemeinsame Regeln aufstellen, an die sich nicht alle halten", sagte Niebler.

© SZ vom 17.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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