Demo in Altenerding:Ein weiterer Schritt in Richtung Höfesterben

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Landwirte demonstrierten Am Gries in Erding mit einem Korso von Traktoren gegen die geplante Kürzung der Agrardiesel-Subventionen. (Foto: Stephan Görlich)

Landwirte protestieren gegen das Ende der Steuervergünstigung auf Agrardiesel. Der Berufsstand ist angezählt, viele Betriebe werden die kommenden Jahre nicht überleben.

Von Thomas Daller, Erding

Das Ende der Steuervergünstigungen auf Agrardiesel und der Kfz-Steuerbefreiung bringt auch die Landwirte im Landkreis Erding auf den Traktor: Am vergangenen Samstag haben rund 300 Landwirte in Altenerding dagegen protestiert. Sie betrachten das Vorhaben als einen weiteren Sargnagel für ihren Berufsstand. Rund 70 Traktoren rollten anschließend durch die Stadt. Die Regelung werde das Sterben kleinerer Höfe fördern und stattdessen das Wachstum der Agrarfabriken stärken, hieß es. Jakob Maier, Kreisobmann des Bauernverbandes, sprach von einer "Frechheit und Unverschämtheit", die Landwirte würden behandelt, als seien sie die "Deppen der Nation". Setze die Ampel diese Sparmaßnahmen durch, seien höhere Preise für die Bevölkerung die Folge, prognostizierte Maier.

Tatsächlich haben in den vergangenen 20 Jahren bereits viele Betriebe aufgeben müssen. Und da jeder zweite landwirtschaftliche Betriebsleiter schon 60 Jahre oder älter ist, wird das Höfesterben in den kommenden Jahren noch einmal rasant Fahrt aufnehmen.

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Mit rund 2000 Betrieben ist Erding im Speckgürtel von München der am stärksten landwirtschaftlich geprägte Landkreis. Mehr landwirtschaftliche Betriebe gibt es in Oberbayern nur noch in den Landkreisen Rosenheim und Traunstein. Mittlerweile wird jedoch bereits jeder zweite Betrieb im Nebenerwerb geführt, das Höfesterben schreitet langsam voran.

Allerdings schlagen auch die großen Entwicklungen auf Erding durch wie der Rückgang bei den Tierhaltern: Bayernweit haben 75 Prozent der Schweinehalter in den vergangenen 20 Jahren aufgegeben, die Zahl der Betriebe mit Milchvieh ist im gleichen Zeitraum um 40 Prozent geschrumpft. "Die Anforderungen an die Haltung sind gestiegen, man benötigt mehr Platz und vor solchen Investitionen überlegt man es sich, ob das noch wirtschaftlich ist", sagte Jakob Maier, Kreisobmann des Erdinger Bauernverbandes. "Wenn man einen neuen Stall baut, benötigt man Planungssicherheit, der muss die nächsten 25 Jahre durchfinanziert sein. Und bei unserer Preissituation ist die Kalkulation sehr knapp. Größere Betriebe überstehen das, die kleinen fallen weg." Obwohl die Tierhaltung in der Regel mehr Ertrag bringe, würden viele kleinere Betriebe auf Ackerbau umstellen.

Viele Landwirte, insbesondere Tierhalter, haben in den vergangenen Jahren bereits aufgegeben, das Höfesterben wird sich in den kommenden Jahren weiter beschleunigen. (Foto: Stephan Görlich)
Der Kreisobmann des bayerischen Bauernverbands, Jakob Maier, spricht zu demonstrierenden Landwirten, die sich auf einem Hof an der Landgerichtsstraße zur Demo sammeln. (Foto: Stephan Görlich)
Viele Landwirte waren dem Aufruf gefolgt und kamen mit ihren Traktoren. (Foto: Stephan Görlich)

Hinzu kommt eine starke Überalterung der Betriebe. Laut einer Statistik aus dem Jahr 2020 war jeder zweite Betriebsleiter in der Landwirtschaft in Bayern 55 Jahre oder älter. Die Daten sind nicht mehr taufrisch, mittlerweile sind diese Betriebsleiter 60 plus. Bei den Familienarbeitskräften in diesen Betrieben sieht es nicht viel anders aus: Knapp 45 Prozent sind auch schon 60 oder älter. Veranstaltungen des Bauernverbandes wirken immer mehr wie Seniorennachmittage. Bis 2030 wird sich die Zahl der Betriebe noch einmal drastisch verringern. "Die Flächen werden schon noch bewirtschaftet, wenn da niemand mehr nachkommt", sagte Maier der SZ. "Aber sie werden dann verpachtet."

Viel Hoffnung auf Hofnachfolger hat Maier nicht: "In unserer Landwirtschaftsschule in Erding melden sich jedes Semester etwa 20 bis 25 junge Bauern und Bäuerinnen an. Und das bei 2000 Betrieben im Landkreis. Dramatisch ist das, wenn man bedenkt, dass diese Jungbauern aus sechs bis sieben Landkreisen an unsere Schule kommen."

"Wir wissen auch, dass das fossile Zeitalter ausläuft und wir uns umstellen müssen", sagt der Kreisobmann

Eine Studie der DZ-Bank geht noch weiter: Demnach könnten im Jahr 2040 in Deutschland bloß noch 100 000 Höfe existieren. Das wäre ein weiterer Rückgang um zwei Drittel. Maier will sich das gar nicht ausmalen, dann würden nur noch Großbetriebe überleben. "In Mecklenburg-Vorpommern sieht man bereits, wohin das führt: Dort gibt es Feldstücke, die sind 150 bis 200 Hektar groß. Kilometerweit sieht man nur noch einen Pflanzenbau." Das sei zwar wirtschaftlich, aber für den Naturraum, für die Biodiversität, sei das "nicht so gut".

Auch deswegen plädiere er für den Erhalt einer kleinteiligen bäuerlichen Landwirtschaft. Aber dazu dürfe man die Schrauben nicht noch weiter anziehen wie mit dem Ende der Steuervergünstigungen auf Agrardiesel. Zusammen mit dem Ende der Kfz-Steuerbefreiung mache das für einen durchschnittlichen Betrieb rund 10 000 Euro im Jahr aus. "Wir wissen auch, dass das fossile Zeitalter ausläuft und wir uns umstellen müssen", sagte Maier. Aber dann müsse man Alternativen schaffen, Rapsöl zum Beispiel. Neue Motorentypen dazu gebe es bereits. Mit sechs bis acht Prozent Ackerfläche könnte man den gesamten Flottenbestand in der Landwirtschaft auf Rapsöl umstellen. "Die Politik muss sich in der Landwirtschaft nachhaltige Ziele setzen und überparteilich eine verlässlichere Linie verfolgen", sagte der Kreisobmann.

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