Landgericht Landshut:Betrügerische Schockanrufe

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Sogenannte Schockanrufe sind bei Betrügern eine beliebte Masche. Einer von ihnen hat sich jetzt am Landshuter Landgericht verantworten müssen. (Foto: Roland Weihrauch/dpa)

Ein 39-Jähriger wird zu vier Jahren Haft verurteilt, weil er als Mitglied einer Bande, die sich als Polizisten und Staatsanwälte ausgab, hohe Geldbeträge und Wertgegenstände von Senioren erbeutet hat. Auch ein Ehepaar aus dem Kreis Erding gehörte zu den Opfern.

Von Alexander Kappen, Landshut/Walpertskirchen

Es ist ein in weiten Teilen der Bevölkerung mittlerweile bekannter Trick. Und dennoch haben Betrüger mit sogenannten "Schockanrufen", bei denen sie sich als Polizisten oder Staatsanwälte ausgeben und damit teils hohe Summen erbeuten, immer wieder Erfolg. So auch eine Bande, die vergangenes Jahr in ganz Deutschland ihr Unwesen trieb und dabei unter anderem ein Ehepaar aus Walpertskirchen um 28 000 Euro erleichterte. Ein Mitglied dieser Bande musste sich jetzt vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts Landshut verantworten. Der 39-Jährige, der sich gleich zum Prozessauftakt in vollem Umfang geständig zeigte, wurde von der Kammer unter Vorsitz von Richter Thomas Lindinger zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.

Die Bande ging bei ihren Taten arbeitsteilig vor. Einer oder mehrere Mitglieder gaben sich bei ausgewählten, älteren Opfern am Telefon als Polizisten oder Staatsanwälte aus und spiegelten dem oder der Angerufenen die akute Notlage einer nahestehenden Person vor. Im Fall des Paares aus Walpertskirchen hieß es, der Sohn habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und werde deshalb von der Polizei festgehalten. Gegen eine Kaution von 84 0000 Euro werde man ihn jedoch freilassen. Da die Geschädigten jedoch nicht mehr als 28 000 Euro zusammenbrachten, gaben sich die falschen Polizisten auch damit zufrieden. Die Übergabe des Geldes an einen sogenannten "Abholer", der in einem gesonderten Verfahren bereits zu zwei Jahren und fünf Monaten Haft verurteilt worden ist, fand vor einem Hotel in Landshut statt.

Nach diesem Muster gingen die Täter auch in vier weiteren Fällen vor, die in der Anklage aufgeführt waren. Stets wurde eine Notlage vorgetäuscht und eine Kaution in Form von Bargeld oder sonstigen Wertgegenständen verlangt, die dann an einem öffentlichen Ort übergeben wurde oder werden sollte. Im Fall einer Landshuterin erkannte diese den Trick noch rechtzeitig, sodass es nicht zur Übergabe kam. In einem anderen Fall, bei dem weder das Opfer noch der Ort des Geschehens festgestellt werden konnten, übergab das Opfer 30 Krügerrandmünzen im Wert von jeweils 1600 Euro sowie 22 500 Euro in bar. 20 000 Euro erbeutete die Bande bei einem weiteren Fall in Landshut, Goldstücke im Gesamtwert von 9440 Euro sowie 20 000 Euro Bargeld bei einem Betrug in Wismar, Mecklenburg-Vorpommern.

Nach dem Fall des Walpertskirchener Paares im April 2023 wurde die Polizei "über einen Schockanruf informiert", sagte die hauptverantwortliche Beamtin in der Verhandlung als Zeugin aus. Man habe daraufhin die Funkzelle des Übergabeortes überwacht. Dadurch kam die Polizei der Bande auf die Spur, richtete eine Telefonüberwachung ein und nahm im Juli 2023 bei einer Wohnungsdurchsuchung in Berlin schließlich den Angeklagten fest.

Dieser gab in der Verhandlung, persönlich oder über seinen Verteidiger, bereitwillig Auskunft. Er selbst hatte bei den Betrügereien die Rolle eines Logistikers inne, der die Übergabe der Wertgegenstände durch die Abholer koordinierte. Manchmal wurde ihm auch das erbeutete Bargeld zum Verwahren beziehungsweise Weiterleiten an andere Bandenmitglieder übergeben. Die Opfer wurden anhand von Festnetznummern und Vornamen ausgesucht, die darauf schließen ließen, dass es sich um ältere Menschen handelte.

Bereits vor der Verhandlung zahlt der Angeklagte freiwillig 10 000 Euro als Schadenswiedergutmachung

Die Banden seien meistens Gruppierungen aus dem osteuropäischen Raum, erläuterte der Verteidiger. Sein Mandant, der zuletzt in Berlin wohnte, sei vorher noch nie in Landshut gewesen. Der Angeklagte selbst berichtete, er habe in seiner polnischen Heimat einen Mann kennengelernt, über den er in die Bande hineinkam. Er habe bei dem Mann Schulden gemacht und als er diese nicht mehr habe begleichen konnte, "hat er mir vorgeschlagen, dass ich mit ihm nach Deutschland fahre".

Dort beteiligte sich der 39-Jährige dann in genannter Rolle an den Betrugsfällen. Von den 20 Prozent Anteil an der Beute bekam er nach eigener Aussage jedoch nicht alles, weil ein Teil zur Begleichung seiner Schulden einbehalten wurde. Letztlich blieben in den angeklagten Fällen nach Rechnung des Gerichts noch 48 000 Euro für den 39-Jährigen über. Da dieser von sich aus noch vor der Verhandlung insgesamt 10 000 Euro als anteilige Schadenswiedergutmachung an zwei der Opfer überwiesen hatte, blieben 38 000 Euro über, die somit auch für die Einziehung von Wertersatz infrage kamen.

Das Geständnis des Angeklagten, der sich in der Verhandlung bei den Opfern entschuldigte, sei aus seiner Sicht "überschießend und von Reue und Schuldeinsicht getragen", sagte der Vorsitzende Richter. Von Gewicht sei es auch in Bezug auf der Bandenmäßigkeit, die sonst oft schwer nachzuweisen sei. Der Familienvater nannte auch zwei Mittäter, die anderen kannte er nach eigenen Angaben nicht. Dem 39-Jährigen kam auch zugute, dass durch sein Geständnis den betagten Geschädigten die Aussage vor Gericht erspart worden ist.

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