Prozess am Landgericht:Ex-Freund verweigert die Aussage

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Die Verhandlung gegen die heute 25-Jährige findet an der Jugendschutzkammer am Landgericht Landshut statt. (Foto: Renate Schmidt)

Vater der Angeklagten beschuldigt den ehemaligen Lebensgefährten indirekt, die Tochter der heute 25-Jährigen schwer verletzt zu haben.

Von Gerhard Wilhelm, Erding/Landshut

Wer hat im Dezember 2018 ein damals zweijähriges Mädchen so schwer im Genitalbereich verletzt, dass es notoperiert werden musste? Die Staatsanwaltschaft ist in ihren Ermittlungen zur Überzeugung gekommen, dass es die heute 25-jährige Mutter war. Am zweiten Verhandlungstag an der Jugendschutzkammer am Landgericht Landshut brachte indes der Vater der Angeklagten den damaligen Freund seiner Tochter als möglichen Täter ins Spiel. Eine ehemalige Therapeutin der Frau schloss vor Gericht zudem aus, dass diese die Tat begonnen haben könne. Sie habe alles verdrängt, was in die Richtung ihres Ex-Freundes als Täter weise. Von ihm selber war zur Tat nichts zu erfahren. Der 29-Jährige machte von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch. Gegen ihn waren zuerst Ermittlungen gelaufen.

Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft ist schwer: Der Angeklagten aus dem Landkreis Erding wird vorgeworfen, ihrer Tochter bei einem Streit am 23. Dezember einen harten Gegenstand heftig in den Schambereich gestoßen zu haben, um das Kind "zu bestrafen oder zu disziplinieren", weil es sich beim Abendessen eingenässt hatte, wie es in der Anklageschrift heißt. Die Anklage wirft ihr Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährliche Körperverletzung vor. Sie selber bestreitet dies. Sie habe erst gemerkt, dass die Zweijährige stark blute, als sie diese von der Toilettenschüssel gehoben habe, auf die sie zuvor ihr Lebensgefährte gesetzt habe. In der Kinderchirurgie im Klinikum Schwabing wurde das Mädchen kurze Zeit später notoperiert. Laut Anklage habe ohne sofortige medizinische Versorgung sogar die Gefahr eines Verblutens des Kindes bestanden.

Den Großeltern war vor allem wichtig, dass die Enkelin wieder gesund wird

Ziemlich detailliert schilderte der Vater der Angeklagten die Tage nach dem 23. Dezember und die Wochen danach. Zudem hatte er seine Gedanken aufgeschrieben. Zunächst sei ihm und seiner Frau vor allem wichtig gewesen, dass die Enkelin wieder gesund wird und, als plötzlich im Raum stand, dass das Kind zu einer Pflegefamilie soll, zu ihnen beiden kommt. Auf Nachfragen im Klinikum hätten sowohl ihre Tochter als auch der Freund stets behauptet, dass nichts vorgefallen sei. Möglich sei aber, wie seine Tochter gesagt habe, dass das Mädchen sich die Verletzung bei einem Sturz am 21. Dezember von der Couch zugezogen habe.

Damals sei es mit dem Lebensgefährten allein gewesen, als das passiert sei. Erst viel später, als die Enkelin nach der Klinikentlassung schon bei ihnen gelebt habe, sei er bei verschiedenen Anlässen stutzig geworden. Zum Beispiel, dass die Kleine auf Distanz zu Männern ging, auch teilweise zu ihm, sie habe zudem zwei Mal geäußert, nicht am Po berührt werden zu wollen. Dabei sei auch der Name des Freundes der Tochter gefallen. Er habe eine Vermutung, was passiert sei an dem Tag, "aber die äußere ich nicht". Auch der Ex-Freund, mit dem die Angeklagte zuvor fast drei Jahre zusammen war, schilderte, dass das Mädchen nach dem Vorfall gegenüber Männern, auch ihm gegenüber, auf Distanz gegangen sei.

Zu einer Familie gehöre unbedingt ein Mann, nicht nur Tochter und Mutter

Eine Heilpädagogin, bei der die Angeklagte 16 Therapiestunden von sich aus wahrnahm, schildert diese als Frau mit einem geringen Selbstwertgefühl, die immer auf der Suche nach einer perfekten Familie gewesen sei und immer mit der Angst lebe, dies nicht zu schaffen, unfähig dazu zu sein. Und zu einer Familie gehöre unbedingt ein Mann, nicht nur Tochter und Mutter, weshalb sie fast verzweifelt auf Beziehungssuche sei. Wenn sie jemanden kennen lerne, dann begebe sie sich in eine völlige emotionale Abhängigkeit von dem Mann.

In den letzten Therapiestunden, die vor dem Dezember stattfanden, sei sie bei ihr auf taube Ohren gestoßen, ein Hinterfragen der neuen Beziehung sei nicht möglich gewesen. Auch bei der Bitte, es langsamer angehen zu lassen mit dem neuen Freund, habe sie abgeblockt. Der Therapeutin sei das Verhalten des neuen Freundes, schon nach wenigen gemeinsamen Wochen ihrer Tochter ein Kinderzimmer einzurichten, seltsam vorgekommen. Er sei quasi von ihr glorifiziert worden. Auch noch in einem Einzelgespräch im Mai 2019. Was nicht sein dürfe, finde auch nicht statt bei ihr. Deshalb könne ihr Freund auch nichts mit allem zu tun haben, das sei ihre Überzeugung, wenn sie auch vielleicht ab und zu daran zweifle.

Der Prozess wird am 27. Februar fortgesetzt.

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