Journalismus:Die drängenden Fragen der Zeit im Fokus

Lesezeit: 3 min

Peter Felixberger hat mit Freunden in Erding den Buchladen "Turmschieber" betrieben. (Foto: Michel Kreuz /oh)

1965 gründete Hans Magnus Enzensberger die Kulturzeitschrift "Kursbuch", einst das wichtigste Publikationsorgan der 68er- Generation. Heute ist der Erdinger Peter Felixberger Herausgeber des "Flaggschiffs der intellektuellen Szene" seiner eigenen Jugendzeit.

Von Felix Krauser, Erding

Peter Felixberger ist in Erding aufgewachsen, entstammt der "typischen Baby-Boomer Generation", wie er sagt. Er war der erste in seiner Familie, der Abitur gemacht und so vom "Bildungsfahrstuhl" profitiert hat und er hat Karriere gemacht. Heute ist der 63-Jährige Publizist, Autor, Journalist und Herausgeber des traditionsreichen Kursbuchs, eine Kulturzeitschrift die 1965 von Hans Magnus Enzensberger gegründet wurde.

Sie zählte zu den wichtigsten Publikationsorganen der 68er- Generation. Auch in Peter Felixbergers Jugend war das Kursbuch "Flaggschiff der intellektuellen Szene" seiner Jugend, wie er heute sagt.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

In seinem damaligen Buchladen "Turmschieber" hatte er es ebenfalls vertrieben. Doch irgendwann lief es nicht mehr so richtig für das Kursbuch. Die Verleger wechselten immer öfter und die Zeitschrift verlor an Bedeutung. 2012 fasste Felixberger den Entschluss, das Kursbuch zu übernehmen, "bevor die Institution aufgegeben wird". Seitdem hat er gemeinsam mit Armin Nassehi und Sybille Anderl 45 Ausgaben herausgegeben. Die besten Zeiten des Kursbuchs, damals bei einer Auflage von 50 000 Exemplaren, seien zwar vorbei, so Felixberger. Es sei aber vor allem in universitären Kreisen und online durchaus gefragt. Das Kursbuch lebe "vom Fanstatus" früherer Tage.

Armin Nassehi, Professor für Soziologie an der LMU München und Mitherausgeber der Zeitschrift "Kursbuch". (Foto: Catherina Hess)

Seine ersten journalistischen Erfahrungen sammelte Peter Felixberger bei der SZ in Erding, dort arbeitete er zwei Jahre als freier Mitarbeiter. Eine Zeit, in der er viel gelernt habe, wie Felixberger sagt: "Das war wirklich eine tolle Zeit".

Heute ist sein Verhältnis zum Lokaljournalismus gespalten. Dieser werde immer mehr zum "Abbildungsjournalismus". Das liege an den äußeren Rahmenbedingungen und den fehlenden Ressourcen, mit denen das Zeitungsgeschäft zu kämpfen habe. Aufgabe des Lokaljournalismus sei es, zu prüfen, ob politische und gesellschaftliche Entwicklungen, Trends und Veränderungen sich im Lokalen durchsetzen. "Das hat die Zeitung verloren", findet Felixberger.

Eine der großen drängenden Fragen ist die Spaltung der Gesellschaft

In den 80er Jahren gab es in Erding eine kulturelle Hochphase, die auch Peter Felixberger erlebt hat. Gemeinsam mit Freunden betrieb er den Buchladen "Turmschieber", um sich sein Studium in München zu finanzieren. Mit weiteren Institutionen wie dem "Hirschwirt" und dem Jugendzentrum "Picknick", bildete sich eine kulturelle Szene in Erding heraus.

Im Kursbuch werden immer wieder große, drängende Fragen der Zeit behandelt. Nicht zuletzt auch die Spaltung der Gesellschaft. Die aktuelle Ausgabe erschien unter dem Titel "Soziale Konfliktzonen". Gründe für diese sieht Felixberger vor allem in der sozialen Ungerechtigkeit, der ungerechten Verteilung von Vermögen und der unterschiedlichen Vorstellung und Definition von Gerechtigkeit, die es schon seit der Industrialisierung gebe.

Auch Erding kommt immer wieder im Kursbuch vor, zuletzt das Sophienhospiz

Zudem "produzieren wir als moderne Gesellschaft eben diese Widersprüche, wollen aber gleichzeitig einfache Antworten auf komplexe Fragen" analysiert er. Auch aktuell in der Migrationsfrage. Dem nehme sich die Politik jetzt gezwungenermaßen an, um nicht den politischen Wettkampf zu verlieren. Das macht auch Peter Felixberger Angst. Dem entgegenzuwirken, das sieht er als Aufgabe des Kursbuchs: "Die Ausdifferenzierung von Widersprüchen so darzustellen, dass der Einzelne daraus eine Entscheidung treffen kann." Der Job bestehe nicht daraus, zu sagen, "die AfD ist doof, die CSU ist doof oder Olaf Scholz ist doof". "Dieses Geschäft sollen andere betreiben", findet Felixberger.

Auch Erding kommt immer wieder mal im Kursbuch vor, zuletzt das Sophienhospiz. Das liege aber weniger daran, dass er aus Erding stamme, sagt Felixberger. "Erding ist ein Prisma, hier zerlegt sich der Lichtstrahl der Gegenwart in fraktale Formen", erklärt er. Für ihn sei Erding ein Ort, in dem die Herausforderungen der Gegenwart plakativ würden. Auch wenn Erding auf den ersten Blick einer Filmkulisse gleiche und eine Art "Chiffre für Wohlstand" sei. Die Schlange vor der Tafel werde auch hier länger, beobachtet Felixberger. "Es ist nicht so, dass es sowas hier nicht gibt." Es sei eben nur nicht so sichtbar. Ähnlich wirbt das Kursbuch auf seiner Homepage mit: "Willkommen bei den Suchern im Unsichtbaren!". Nicht zuletzt wegen der Anti-Heizungsgesetz-Demo stehe Erding in der Öffentlichkeit symbolisch immer wieder für das Auseinanderdriften der Gesellschaft.

Auf die abschließende Frage, ob er denn einen aktuelle Buchtipp habe, empfiehlt der Kursbuch-Herausgeber "Berlin - Biografie einer großen Stadt" von Jens Bisky. Das könne man genauso über Erding schreiben, meint Felixberger: "Erding - Biografie einer kleinen Stadt".

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusReligion
:Der kleine Arme und die Feministin

115 000 Besucherinnen und Besucher in einem Jahr. Die Bilanz des Diözesanmuseums in Freising seit der Wiederöffnung kann sich sehen lassen. Mit einer Doppelausstellung widmet sich das Haus nun der Figur des Franziskus von Assisi, dem Superstar im Himmel der Heiligen, und der deutsch-amerikanischen Künstlerin Kiki Smith.

Von Birgit Goormann-Prugger

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: