Kreismusikschule Erding:Dynamische Zwangspause

Lesezeit: 3 min

Der reguläre Unterricht fällt derzeit aus. Mit kreativen Digitalangeboten bleiben Lehrkräfte und Schüler aber in Kontakt. Die Online-Stunden sind jedoch nur eine freiwillige Leistung. Für entfallenen Musikunterricht gibt es Rückerstattungen

Von Florian Tempel, Erding

Seit alle Schulen die Kinder nach Hause geschickt haben, fallen auch bei der Kreismusikschule (KMS) der Unterricht und die Musik-AGs, die Chor- und Orchesterproben, alle Ensemble- und Bandprojekte aus. Ganz Ruhe geben, geht aber nicht - das hält kein Musiker aus. Wie in so vielen Bereichen des Lebens geht deshalb in diesen Wochen auch der Musikunterricht ins Netz: Mit Videoanrufen und Konferenzschaltungen, Tutorials auf Youtube und digitalisiertem Unterrichtsmaterial zum Herunterladen.

Bei kreativen Menschen gibt es selbstverständlich viele kreative Idee. Einige schöne Beispiele sind auf der KMS-Homepage zu finden. Da ist zum Beispiel ein Video des Erdinger Jugendkammerorchesters Violinissimo. Die jungen Streicher des schon mit vielen Preisen ausgezeichneten Ensembles, das die KMS-Lehrerin Ulli Büsel leitet, spielen in einer Videokonferenz aus der häuslichen Isolation heraus gemeinsam eine Streicherfassung des Smash Hits "Happy" von Pharrell Williams. Einzelne Violinissimo-Mitglieder haben zudem eine ganze Reihe von Tutorials ins Netz gestellt, in denen sie bestimmte Techniken an ihren Instrumenten demonstrieren.

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An eine ganz andere Zielgruppe richtete sich das Video "Gartenmusik - Mach mit!" von Sandra Rieger. Sie lädt Kinder im Kindergarten- und Grundschulalter zu einem musikalischen Spaziergang durch den Garten ein, zeigt, wie man mit Gläsern, Steinen und Holzstücken Musik machen kann und spielt auf ihrer Geige Geschichten. "Ein musikalischer Gruß an alle Kinder, die gerade ganz tapfer sind und sehr viel Zeit zu Hause verbringen müssen", schreibt Rieger in der Beschreibung.

Zunehmend geben KMS-Lehrer auch Online-Unterrichtsstunden über Skype oder Zoom. Peter Hackel, der stellvertretende KMS-Leiter, betont allerdings, dass das "nur ein freiwilliges Angebot ist, das den regulären Unterricht nicht ersetzt". Wichtig ist ja auch, dass Schüler und Lehrer, die oft schon jahrelang miteinander arbeiten, in den Coronazeiten in Kontakt bleiben. KMS-Leiter Bernd Scheumaier sieht das genauso: "Musikunterricht findet von Mensch zu Mensch statt, aber viele Dinge wie Ton und Klang lassen sich online nicht gut rüberbringen."

Dass die Online-Stunden kein richtiger Unterricht sind, ist auch aus einem anderen Grund wichtig zu betonen: Laut der Satzung der Kreismusikschule gibt es nach der dritten ausgefallen Unterrichtsstunde einen Anspruch auf Gebührenrückerstattung. Die Eltern und alle erwachsene Schüler werden darüber noch schriftlich informiert. "Wir hoffen, dass die Eltern auch das aktuelle Engagement der Lehrkräfte positiv bewerten", sagt Scheumaier - was man als Hinweis darauf verstehen sollte, dass die Rückerstattungen ein Angebot sind, das man eventuell nicht in voller Höhe annehmen müsste.

Scheumaier muss nicht nur die mehr als 3000 Schüler im Auge behalten, sondern auch die 85 Beschäftigten der Kreismusikschule. Die KMS-Leitung hat schon vor etwa einem Monat Kurzarbeit bei der Arbeitsagentur beantragt. Erst seit Kurzem ist Kurzarbeit im öffentlichen Dienst überhaupt möglich. Die KMS ist formal als Verein organisiert, durch die Mitgliedschaft des Landkreises und aller der 26 Landkreiskommunen ist sie aber eine weitgehend kommunale Einrichtung, in der nach dem Tarif des öffentlichen Dienst bezahlt wird. Die Genehmigung steht noch aus, aber die KMS-Mitarbeiter dürfen mit Kurzarbeitergeld rechnen, das laut einer vor einer Woche getroffenen Einigung der Tarifpartner zudem auf 95 Prozent des normalen Gehalt aufgestockt werden soll. Für Kulturschaffende ist eine derartige finanzielle Absicherung in der Coronakrise außerordentlich. Scheumaier macht das mit einem Vergleich deutlich: Freischaffende Musiker erhielten von der Künstlersozialkasse lediglich drei Monate lang je 1000 Euro Unterstützung.

An Normalität ist derzeit nicht zu denken. Das bayerische Gesundheitsministerium hat erst unlängst noch einmal per Anordnung bestätigt, "dass der Betrieb von Musikschulen vollständig untersagt ist". Eine Endtermin ist nicht genannt. Scheumaier und Hackel denken, dass in einem ersten Schritt zumindest Einzelunterricht wieder erlaubt wird. Man kann auch mit Mundschutz Gitarre, Klavier oder Schlagzeug spielen. Problematisch sind jedoch alle Blasinstrumente. Womöglich könnte man Lehrer und Schüler durch eine Plexiglasscheibe trennen. Man wird sehen. An Ensemblespiel ist aber noch gar nicht zu denken. Wenn das wieder möglich sein wird, "dann haben wir die Coronakrise hinter uns", sagt Scheumaier, "dann spielen wir den Triumphmarsch aus Aida".

© SZ vom 23.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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