Kommunalwahl im Landkreis Erding:Die Jugend will mitreden

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Bei den Kommunalwahlen am 15. März treten viele Kandidaten unter 30 Jahren an. Doch der Weg zu einem aussichtsreichen vorderen Listenplatz ist je nach Parteizugehörigkeit nicht immer einfach

Von Paul Kern, Erding

"Wir ticken eben ein bisschen anders als die Älteren", sagt Daniel Gottal, Kreisvorsitzender der Jungen Union (JU). Der 29-Jährige scheint mit dieser Einschätzung nicht allein zu sein. Eine Reihe junger Kandidaten will bei den Kommunalwahlen im März neuen Elan in den Kreistag und die Stadt- und Gemeinderäte bringen.

Für die SPD hat Leon Kozica, Kreisvorsitzender der Erdinger Jungsozialisten (Jusos), als Nummer drei einen aussichtsreichen Listenplatz für die Erdinger Stadtratswahl ergattert. Kozica ist 22 Jahre alt und damit jünger als alle Stadträte in der laufenden Amtszeit . Es sei "eine bewusste Entscheidung gewesen, auf den vorderen Plätzen einen Juso zu nominieren", sagt Martin Kern, Kreisvorsitzender der SPD. Auch Daniel Gottal hat als JU-Vorsitzender bei der Kreistagswahl einen vorderen Listenplatz sicher.

In Wartenberg kandidiert Melanie Falzetta für den Marktgemeinderat - auf Listenplatz 1. Für die 23-jährige Grüne wäre das die erste Amtsperiode. Und für Wartenberg wäre sie die jüngste Gemeinderätin seit mehr als 20 Jahren. Erst 2018 trat Falzetta den Grünen bei, vor allem um sich gegen das Erstarken der Rechten und für eine andere Klimapolitik einzusetzen, wie sie sagt. Sie sei "super froh", dass die Partei ihr es "so einfach" mache. Man müsse den "engagierten Jungen eben eine Chance geben", betont Helga Stieglmeier, Vorstandssprecherin des Grünen Kreisverbandes.

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(Foto: Privat)

Leon Kozica (22/SPD): "Ich trete an, um frischen Wind in den Stadtrat zu bringen und neue Schwerpunkte zu setzen. Denn die Jugend braucht starke Standpunkte für die Gestaltung einer zukunftsfähigen und solidarischen Gemeinde. Für die Zukunft von Erding, wie wir sie uns vorstellen - sozial gerecht, klimaneutral und lebenswert - müssen wir eigene Konzepte entwickeln. Dazu halte ich einen transparenteren Kommunikationsstil für wichtig, der auch junge Menschen einbezieht. Außerdem stehe ich für sozialen Zusammenhalt auf allen Ebenen, wofür ich mich auch als JuSo-Vorsitzender im Landkreis einsetze. Genauso ist Klimaschutz ein wichtiges Thema unserer Zeit, dem sich die SPD in ihrer Kommunalpolitik stellt."

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(Foto: Privat)

Daniel Gottal (29/CSU): "Als Volkswirt liegt mir eine Wirtschaftspolitik am Herzen, die auf Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit setzt. Deswegen sind solide öffentliche Finanzen wichtig. Dafür setze ich mich auch als Kreisvorsitzender der JU und als Kreisvorstand der Wirtschaftsjunioren ein. Auch Wohnen ist ein wichtiges Thema. Die Preise sind in den letzten zehn Jahren explodiert und das betrifft junge Menschen stärker, da Ältere ja meistens schon Wohneigentum besitzen. Außerdem kann ich als junger Kreisrat einen anderen Kommunikationsstil pflegen. Für viele bin ich noch ein unbeschriebenes Blatt. Sachfragen stehen im Mittelpunkt und deswegen unterhalte ich auch gute Kontakte zu anderen Parteien."

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(Foto: Privat)

Melanie Falzetta (23/Grüne): "Weshalb ich in den Gemeinderat Wartenberg einziehen möchte: Für die Jugend, die gerade gar nicht im Gemeinderat vertreten ist, und für die Frauen, die unterrepräsentiert sind. Im Marktgemeinderat ist vor allem die Altersgruppe von älteren Erwachsenen präsent und nur drei von 16 Mitgliedern sind Frauen. Das bildet den Markt Wartenberg überhaupt nicht ab. Frauen treffen keine emotionaleren Entscheidungen als Männer, sondern sind genauso fähig, Politik zu machen. Wie Landratskandidat Hans Schreiner bin ich außerdem dafür, den Öffentlichen Nahverkehr auszubauen: Die Busse müssen in der Gemeinde mindestens im 30-Minuten-Takt fahren."

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(Foto: Stephan Goerlich)

Johanna Mehringer (25/Freie Wähler): "Mir ist wichtig, dass Erding so lebenswert bleibt, wie es ist. Ich möchte mich dafür einsetzen, dass das Bewusstsein für Regionalität wächst. Gerade als Landwirtin beschäftigt mich das. Anstatt Fleisch durch das Mercosur-Abkommen aus Argentinien zu importieren, sollten wir die Landwirtschaft vor Ort fördern und wertschätzen. Dafür braucht es einen Dialog zwischen Gesellschaft und Landwirtschaft, für den ich eintreten will. Denn Stadt und Landkreis Erding gehören zusammen. Außerdem ist mir ein starkes Vereinswesen wichtig, um die Traditionen als Kulturgut zu bewahren. Denn das ist ja auch ein Stückchen Heimat."

Eine Chance bekommen auch Johanna Mehringer und Antonia Träger, die für die Freien Wähler in den Erdinger Stadtrat einziehen wollen. Mehringer kandidiert zusätzlich für den Kreistag. Dass man sich bei den Freien Wählern ohne Fraktionszwang einbringen kann, mache die Partei attraktiv für junge Menschen, sagen beide. Auch Monika Pieczonka (JU/CSU) ist es wichtig, dass die "Meinung der Jungen geschätzt" wird. "Wenn man etwas zu sagen hat, wird man in der CSU immer angehört", so die 28-jährige Kreistagskandidatin.

Die JU schafft es in Erding, die meisten Jugendlichen hinter sich zu vereinen, mit großem Abstand. 54 Mitglieder zählt der Ortsverband Erding, 129 sind es im Landkreis. Aktive Jusos gebe es etwa 20 im ganzen Landkreis, sagt Leon Kozica. Bei den Jungen Freien Wählern sieht die Zahl ähnlich aus. Die Grüne Jugend ist dem Kreisverband in München angeschlossen.

Wer jung in kommunale Gremien einziehen will, muss auch einiges in Kauf nehmen. "Sechs Jahre sind in meinem Alter doch ein großer Zeitraum", sagt der 24-jährige Christoph Sticha, der im März zum zweiten Mal für die Grünen in den Kreistag einziehen will. Stichas Parteikollege aus dem Landkreis Freising Leon Eckert hat sich zugunsten seines Mandats im Echinger Gemeinderat sogar gegen ein Auslandssemester entschieden. "Wenn man es ordentlich machen will, ist das bei dem Sitzungskalender nicht möglich", so der 24-Jährige. Alle zwei bis vier Wochen tagen die Gemeinderäte, für die nach Gemeindeordnung eine Teilnahmepflicht besteht. Im Kreistag, der nur vier mal jährlich im Vollplenum zusammenkommt, wäre es vermutlich einfacher gewesen, sagt Eckert.

(Foto: oh)

Auch der Wahlkampf sei "sehr zeitaufwendig", sagt Monika Pieczonka. In der CSU müssen, Mitglieder außerdem je nach Platzierung einen finanziellen Beitrag für ihre Kandidatur leisten. Für einige führe das "bestimmt zu einer Hemmung zu kandidieren", sagt Daniel Gottal. In anderen Parteien scheint diese finanzielle Aufwendung nicht zu erforderlich zu sein, wie die jungen Kandidaten von SPD, Grünen und Freien Wählern sagen.

Hemmnisse gibt es woanders aber ebenfalls. Johanna Mehringer von den Freien Wählern, die als Tochter des langjährigen Stadt- und Kreisrates Rainer Mehringer mit der kommunalpolitischen Bühne aufgewachsen ist, geht mit einer gewissen Ehrfurcht an ihre Kandidatur. "Vor mir sind lauter Bürgermeisterpersönlichkeiten nominiert, da bin ich mit meinem Listenplatz zwölf schon ganz zufrieden", so die 25-jährige Biolandwirtin. Daniel Gottal habe aber auch Verständnis für die CSU-Führung, wenn sie Altgediente vorne in der Liste platziert. "Junge Leute bringen einfach nicht die Stimmen", sagt er und betont, dass für viele Wähler "zuerst Bekanntheit und dann Kompetenz" zähle. Um eigenständiger zu sein, habe die JU sogar "intensiv darüber nachgedacht, mit eigener Liste" abseits der CSU anzutreten, sagt Daniel Gottal. Am Ende habe der Aufwand dagegen gesprochen.

Jung zu sein, das scheint Vorteile und Nachteile mit sich zu bringen: in der Partei sei es als junge Kandidatin einfach gewesen, erzählt Melanie Falzetta, vor Bürgern müsse sie eher argumentieren, wieso sie "nicht grün hinter den Ohren" sei. Johanna Mehringer ist vor sechs Jahren schon mal auf Listenplatz 24 angetreten und am Wahlabend durch panaschierte Stimmen auf Platz 16 gelandet. Vielleicht, vermutet sie, auch gerade wegen ihres Alters.

© SZ vom 02.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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