Kommentar:Die Bürger haben nicht vergessen

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Das Wahlergebnis deutet darauf hin, dass die Wähler von Landrat Bayerstorfers Politik weit mehr abgestoßen wurden, als bislang angenommen

von Antonia Steiger

Der ruhige Herr Schreiner hat dem neuerdings ebenfalls ziemlich ruhigen Herrn Bayerstorfer einen gewaltigen Schrecken eingejagt. Dass der Herausforderer des Landrats im ersten Wahlgang fast gleichauf mit ihm über die Ziellinie rauscht, haben nicht viele erwartet. Es deutet darauf hin, dass die Wähler von Bayerstorfers Politik weit mehr abgestoßen wurden, als bislang angenommen. Die sinnlosen Attacken auf politisch Andersdenkende wie den Grünen Stephan Glaubitz, die grobe Art im Umgang mit fest etablierten Institutionen wie dem Frauenhaus, dessen Trägerschaft Bayerstorfer dem Sozialdienstes katholischer Frauen nach 25 Jahren entriss und dem BRK übertrug, die Zerstörung bewährter Strukturen bei der Schuldnerberatung, mit all dem hat Bayerstorfer Porzellan zerschlagen. Und bei allem schlug ihm Unverständnis entgegen, das sich nun in den Wahlergebnissen niederschlägt. Bayerstorfer hat auch Flüchtlinge schlimmer drangsaliert als andere Landräte, indem er ihnen kein Bargeld aushändigen und keine Arbeitserlaubnisse für sie herausrücken wollte, obwohl die Wirtschaft sie gerne eingestellt hätte. Wenn Bayerstorfer gedacht hat, dass ihm das Beifall einbringt, darf er jetzt feststellen: Da hat er sich geirrt.

Weder verfingen seine rührseligen Vorträge über seinen Opa, von dem er gelernt haben will, wie schön es ist, wenn man anderen Menschen helfen könne, noch das Gezeter der CSU über die Tatsache, dass der alles andere als senil wirkende Schreiner aus Altersgründen nur eine Amtsperiode als Landrat tätig sein könnte. Weit mehr als 30 000 Wähler wollen Schreiner als Landrat, das ist das Ergebnis des ersten Wahlgangs. Weit mehr als dreißig Prozent sind dieses Mal aber noch gar nicht wählen gegangen. Das kann sich bei der Stichwahl noch einmal ändern. Die Chance darauf, den vermeintlich so fest im Sattel sitzenden CSU-Landrat abzuwählen, könnte den einen oder anderen doch dazu motivieren, seine Stimme abzugeben. Völlig nebensächlich sind die knapp sechs Prozent der Wähler, die sich dafür entschieden haben, ein Kreuz beim AfD-Kandidaten Forster zu machen. Was aus dieser Ecke an Wahlempfehlungen kommt, kann ignoriert werden. Viel wichtiger wird es für die Teams von Bayerstorfer und Schreiner sein, die Nichtwähler zu aktivieren.

© SZ vom 16.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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