In Dorfen jagt ein Jubiläum das andere. 2023 feiert die Stadt die erste urkundliche Erwähnung vor 1250 Jahren. Und in vier Wochen kündigt sich bereits der Fasching 2024 an. Der 11. 11. fällt heuer auf einen Samstag, aber weil am 12. November in Dorfen der Martinimarkt stattfindet, stellt die Karnevalsgesellschaft erst einen Tag später ihr Prinzenpaar vor. Der Fasching 2024 wird dann ein Besonderer, denn die Karnevalsgesellschaft hat die Geschichte der Stadt Dorfen bereits ein Zehntel der Zeit begleitet: 125 Jahre wird sie alt. Mit einer Festschrift will der Verein an seine Geschichte erinnern. Ende November beziehungsweise Anfang Dezember soll sie erhältlich sein.
Ein eigener Festabend sei nicht geplant, sagt KG-Präsident Martin Pommer. Allerdings bilde das Jubiläum den Rahmen für die traditionelle Maschkeraversammlung. Und bei allen anderen Veranstaltungen werde man ebenfalls diese 125 Jahre würdigen. Auch an der Festschrift werde bereits intensiv gearbeitet. Ursprünglich wollte man sie bereits zum Faschingsbeginn vorstellen, aber das stellte sich aufgrund des umfangreichen Materials als zu sportlich heraus.
Vorweg: Den Hemadlenzenumzug hat die KG nicht erfunden, wiewohl sie ihn natürlich in seiner heutigen Form geprägt hat. Vom Hemadlenzenumzug wird bereits im 19. Jahrhundert berichtet. Der Treiben der Hemadlenzen war anfangs noch ein ungeordnetes, zielloses Herumstromern, berichtete der Dorfener Schriftsteller Josef Martin Bauer. Die Intention soll aber auch damals schon das symbolische Austreiben des Winters gewesen sein.
Ins Leben gerufen hat die Karnevalsgesellschaft die Maschkeraversammlungen. Nur schrieb man damals von Masken-, Karnevals- oder Narrenversammlungen. Alle Besucher hatten irgendeine Maskerade als Bekleidungsstück. Solche Narrenversammlungen fanden bis zu fünfmal während eines Faschings statt und zwar abwechselnd in verschiedenen Wirtshäusern.
Der Hemadlenzenumzug, für den Dorfen berühmt ist und zeitweise auch berüchtigt war, wäre als Brauch beinahe ausgestorben. Im Dorfener Heimatbuch schreibt Wolfgang Lanzinger: "Der Seiler Lorenz Hammerschmid, so erzählt man, ließ den durch den Ersten Weltkrieg eingeschlafenen Brauch im Fasching 1920 wieder aufleben, als er in Hemadlenzenkluft allein durch Dorfens Straßen zog. Während des Zweiten Weltkriegs waren natürlich wieder - wie auch andernorts - sämtliche karnevalistischen Aktivitäten eingestellt worden. Erst 1949 erfuhr der Dorfener Fasching eine Wiederbelebung. Franz Anneser, langjähriger Präsident der Karnevalsgesellschaft, führte den Hemadlenzenumzug in der heutigen Form ein, an dessen Ende die Verbrennung der Strohpuppe am Marienplatz steht."
Das ausgelassene Treiben der Hemadlenzen war anfangs nur Männern vorbehalten. Erst in den 1960er Jahren im Zuge der Emanzipation schlossen sich allmählich auch Frauen an, ebenso Kinder. An diesem "Dorfener Nationalfeiertag" bleiben alle Schulen in Dorfen geschlossen, ganze Schulklassen nahmen früher gemeinsam mit ihren Lehrkräften am Hemadlenzenumzug teil.
Der Hemadlenzenumzug brachte auch ein großes Medieninteresse mit sich, neben Lokalzeitungen berichtet auch das Bayerische Fernsehen regelmäßig in Rundschau und Abendschau. Das führte in den 1980er und 1990er Jahren zu Massenveranstaltungen, zu denen viele Gastlenzen aus umliegenden Gemeinden und Städten anreisten, meist mit der Bahn. Es kam zu Alkoholexzessen und anderen unliebsamen Auswüchsen. Ende der 1990er und Anfang der Nullerjahre begegnete man dieser Entwicklung durch Ausschankbegrenzungen. Seither steht das Brauchtum wieder im Mittelpunkt.
In den vergangenen Jahren wurde der Hemadlenz von Ereignissen überschattet. Das Schlimmste: 2019 fiel ein 18-jähriger Dorfener nach dem Umzug in die Isen und verunglückte tödlich. Im Februar 2020 konnte der Umzug gerade noch stattfinden, bevor das öffentliche Leben wegen Corona unterbunden wurde. 2021 galt die allgemeine Ausgangssperre immer noch, wer als Hemadlenz angetroffen wurde, dem drohte ein Bußgeld von bis zu 250 Euro. Einige Dutzend Dorfener focht das nicht an, sie gingen im weißen Gewand in Zweiergruppen "spazieren". 2022 waren die Auflagen immer noch so hoch, dass die KG nicht als Veranstalter auftreten wollte. Dennoch gingen etwa 300 Hemadlenzen auf einen selbst organisierten Umzug, der von niemandem angemeldet wurde. Diese familiäre Veranstaltung zählte zu den schönsten, aber nur, bis sich dann im Laufe des Tages die Nachricht herumgesprochen hatte, dass Russland in der Nacht davor die Ukraine überfallen hatte.
2023 fand dann wieder ein regulärer Umzug statt. Und im Frühjahr stellte der Historische Kreis mit einer sehenswerten Sonderausstellung im Rathaus auch die Dorfener Faschingsgeschichte vor. Der Hemadlenz und die Karnevalsgeschaft - das ist echte Dorfener DNA.