Amtsgericht Erding:Trotz hoher Maklerprovision Grundsicherung kassiert

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Im Namen des Volkes. So beginnt jedes Urteil, das am Amtsgericht Erding gefällt wird. (Foto: Stephan Görlich)

Angeklagte wird wegen Betrugs zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Vor Gericht und beim Jobcenter ist sie keine Unbekannte.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Nach einem gut 45-minütigen Gespräch zwischen der Staatsanwältin, Amtsrichter Thomas Bauer und dem Anwalt der 66-jährigen Angeklagten stand fest: Wenn es einen Deal gibt, dann nur, wenn sich die Angeklagte voll umfänglich geständig zeigt, dass sie das Jobcenter um etwa 6900 Euro betrogen hat, als sie einerseits Grundsicherung bezog und andererseits eine Maklerprovision in Höhe von 102 816 Euro erhielt. Mit Geständnis drohte ihr eine Freiheitsstrafe zwischen acht und zwölf Monaten. Neun Monate wurden es letztlich - ausgesetzt auf drei Jahre zur Bewährung. Ein besseres Urteil war mit der Staatsanwaltschaft nicht zu erreichen, zumal die Angeklagte unter offener Bewährung stand und mehrfach einschlägig vorbestraft ist.

Der Vorfall liegt schon eine Zeit zurück. Laut Aussage einer Mitarbeiterin des Erdinger Jobcenters Aruso hatte die Angeklagte Arbeitslosengeld II, die Bezeichnung für die Grundsicherung für Arbeitssuchende, Anfang 2021 beantragt und auch von 1. April bis 6. Oktober bezogen. Im Antrag habe sie angekreuzt, dass sie sonst keine Einkünfte habe und dass sie angebe, wenn sie während des Bezugs Einnahmen habe, sagte die Angestellte. Nach der damaligen Kenntnis des Jobcenters sei der heute 66-Jährigen, die mittlerweile in Rente ist, zudem in der Zeit vom Landratsamt erklärt worden, dass sie die Maklertätigkeit nicht mehr ausüben dürfe. Danach sei man davon ausgegangen, dass die Angeklagte sich daran hält.

Das Bundeszentralstrafregister enthielt zwölf Einträge seit 1995

Doch mit Regeln befolgen hat es die Angeklagte schon länger nicht so, wie ihr Bundeszentralstrafregister zeigte: Zwölf Einträge seit 1995 wies dieses aus, unter anderem wegen Betrugs, Strafvereitelung, falscher Versicherung an Eides Statt, Urkundenfälschung, Steuerhinterziehung, leichtfertiger Geldwäsche. Zuletzt wurde sie am Amtsgericht Erding 2021 wegen mehrfachen Betrugs verurteilt - zu einem Jahr und zehn Monaten Freiheitsstrafe. Damals ebenfalls ausgesetzt zur Bewährung, die zum Zeitpunkt des aktuell zu verhandelnden Falls noch offen war. 2020 und 2021 hatte sie jeweils Krankentagegeldversicherungen abgeschlossen und dann später angegeben, dass sie sich in einem Fall drei Finger und im anderen Fall den Arm gebrochen habe. Beide Verletzungen hatte sie sich aber kurz vor Abschluss der Versicherungen zugezogen. Ihre "Beute": einmal 23 800 und einmal 28 900 Euro. Dazu noch eine fünfstellige Summe vom Jobcenter.

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Was die Angeklagte wohl nicht wusste: Wegen ihres Vorstrafenregisters und der offenen Bewährung standen ihre Konten unter Beobachtung. Am 9. März 2022 kam dann die Meldung der Polizei an die Staatsanwaltschaft, wie die Jobcenter-Mitarbeiterin vor Gericht aussagte. Im Juli 2021 waren auf dem Konto 4760 Euro und im August sogar 102 816 Euro an Maklerprovision eingegangen. Im Rechtsgespräch, so Amtsrichter Thomas Bauer, habe der Anwalt der Angeklagten erklärt, seine Mandantin habe sehr wohl im August das Jobcenter davon in Kenntnis gesetzt. Die Aruso-Mitarbeiterin wusste davon aber nichts, es sei nichts im Amt eingegangen. Das Gericht und die Staatsanwaltschaft gingen im Gespräch deshalb nicht darauf ein und wollten die Aussage der Mitarbeiterin abwarten. Angeboten wurde nur ein Strafrahmen zwischen acht und zwölf Monaten, wenn sie sich geständig zeigt. Was sie dann nach dem Gespräch nach Absprache mit ihrem Anwalt auch tat.

Da sie ja jetzt in Rente sei, werde das "Problem" nicht mehr auftreten, sagt Bauer

Mit neun Monaten Freiheitsstrafe, auf drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt, blieb Bauer exakt in der Mitte der Forderungen der Staatsanwältin und des Verteidigers. Dazu muss die 66-Jährige den Schaden in Höhe von 6944 Euro bezahlen und die Kosten des Verfahrens. Die Angeklagte sei zwar mehrfach wegen Betrugs verurteilt und stehe unter offener Bewährung, aber die Tat liege schon eine Zeitlang zurück, sie habe eine positive Sozialprognose und sie sei voll umfänglich geständig, was ihr ebenfalls positiv angerechnet werden müsse, sagte der Amtsrichter. Und da sie ja jetzt in Rente sei, werde das "Problem" nicht mehr auftreten.

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