Landkreis Erding:Mondpreise zahlt niemand mehr

Lesezeit: 3 min

Weil der geplante Verkauf ihrer Wohnung bislang gescheitert ist, bleibt das Ehepaar S. auf hohen Schulden sitzen. (Foto: Bernd Settnik/dpa)

Die Zeiten als Immobilienverkäufer fast jeden Preis verlangen konnten sind vorbei. Wegen der hohen Bauzinsen können sich immer weniger eine Wohnung oder Haus leisten.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Jahrelang lagen die Immobilienkredite bei einem Zinssatz deutlich unter zwei Prozent, nun steigen sie wieder. Derzeit beträgt der Zins bei einem zehnjährigen Baukredit rund 3,8, bei einer Laufzeit von 20 Jahren rund 4,1 Prozent. Dazu kommt eine Inflation von zuletzt zehn Prozent. Die Folge: gerade in der eh schon teuren Region München können sich immer weniger Menschen eine eigene Immobilie leisten. Und die, die es sich noch leisten können, können neuerdings beim Preis verhandeln.

"Im Neubaubereich sind wir immer noch gleichbleibend beim Preis. Beim Gebrauchtmarkt, wo früher kein Unterschied zum Neubau war, gehen die Preise ein wenig zurück. Wobei die vorher teilweise schon zu hoch waren", sagt Martin Sperr, Geschäftsführer bei Sperr & Zellner Immobilien in Dorfen. Der Rückgang sei aber nicht dramatisch, insgesamt sei der Markt noch stabil. Wegen der hohen Zinsen könnten sich viele einen Kauf nicht mehr leisten, sie würden jetzt auf den Mietmarkt umschwenken, wo es "einen brutalen Engpass" gebe, es sei einfach zu wenig auf dem Markt.

"Die Mietpreise werden steigen, was eigentlich keine gute Entwicklung ist", sagt Martin Sperr. Er verkaufe aber immer noch gut, hauptsächlich Wohnungen. Diese seien mit etwas Eigenkapital noch bezahlbar und liegen im Bereich 500.000 bis 700.000 Euro, während man für ein Haus eine Million Euro oder sogar noch mehr bezahlen müsse. Während der Corona-Pandemie habe jeder viel Platz gewollt, am besten ein Haus, aber das habe sich schnell verändert. Der Geschäftsführer erwartet aber, dass die langfristigen Bauzinsen wieder sinken werden, während der kurzfristige Zins bei drei bis vier Prozent bleibe. "Der hat nichts mit dem Leitzins zu tun. Momentan ist alles nur Spekulation. Das erwarten auch Kollegen und Banker", sagt Martin Sperr. Dazu sei immer noch viel Kapital auf dem Markt.

Energiekrise, der Krieg in der Ukraine, Inflation, Rezessionsangst schrecken viele von einem Kauf ab

Etwas anders stuft indes Patrick Kanzelsberger, Geschäftsführer von Kanzelsberger Immobilien in Erding, die Situation ein. "Nicht nur der hohe Zins führt zur Verunsicherung, auch die Energiekrise, der Krieg in der Ukraine, Inflation, Rezessionsangst. Vieles, was derzeit wenig Anreiz bietet, sich über den Kauf einer Immobilie Gedanken zu machen." Der Markt habe sich von einem Verkäufer- zu einem Käufermarkt gewandelt und gebe nach. Früher habe man fünf bis zehn Wohnungen in Erding online in der Vermarktung gehabt, derzeit seien es um 70. Dabei handle es sich teilweise um neue Immobilien, aber auch um ältere, die keinen Abnehmer finden würden.

"Einige Eigentümer sind schon dabei, sich mit dem Gedanken anzufreunden, dass man mit dem Preis runter gehen muss, wenn man jetzt verkaufen will", sagt der Geschäftsführer. Die Zahl der Interessenten an Immobilien sei gesunken. Dass mehr Wohnungen beim klassischen Kapitalanleger gefragt sind, kann Patrick Kanzelsberger nicht feststellen. "Die Schere zwischen der Rendite und dem Investment ist zu gering. Früher hat man mit 0,5 oder einem Prozent finanzieren, hat aber mit der Miete zwei bis 2,5 Prozent erwirtschaften können. Jetzt sind die Preise noch fast identisch, der Zins gestiegen, die Mieten aber nicht im gleichen Maß. Dann wird es nicht mehr wirtschaftlich für viele."

Was es nicht mehr gibt: Leute, die Immobilien ohne oder mit wenig Eigenkapital finanzieren. Käufer wüssten oft genau, wo sie investieren und in was. "Die nutzen die Situation, um beim Preis zu verhandeln." Es werde wieder mehr in Richtung reale Werte und weniger in Spekulationswerte gehen.

Personen, die jetzt noch kaufen wollen, sind viel kritischer als vor Monaten

Auch Florian Brandhuber von Brandhuber Immobilien GmbH in Erding bestätigt, dass inzwischen viele negativen Faktoren, die die Leute verunsichern, auf dem Immobilienmarkt Einfluss nehmen. "Personen, die jetzt noch kaufen wollen, sind viel kritischer als vor Monaten", sagt Florian Brandhuber. Sie würden sich genau ansehen, in welcher Lage die Immobilie sei, in welchem Zustand und es sei jetzt wieder möglich, für Käufer über den Preis zu verhandeln. "Die Käufer sind heute weniger kompromissbereit. Liebhaberpreise werden keine mehr bezahlt", sagt der Makler. Auch die Banken seien kritischer geworden bei der Kreditvergabe. "Für viele ist es bei den hohen Bauzinsen nicht mehr möglich, eine Immobilie zu kaufen." Heute benötige man zudem mehr Eigenkapital bei den Banken.

Die Auswirkungen der hohen Zinsen hat Karl Kainz, Inhaber von Karl Kainz Immobilien in Erding, bereits konkret gespürt: "Einige Käufe sind geplatzt, weil die Leute die Finanzierung nicht mehr stemmen können." Bei den Angebotspreisen für gebrauchte Immobilien sieht der Geschäftsinhaber einen leichten Rückgang. Das Verhältnis zwischen Käufer und Verkäufer sieht Kainz heute als "ausgeglichen" im Münchner Raum an. Wenn ein Objekt gut sei, sei auch ein guter Preis zu erzielen. "Es gibt bei uns immer noch Leute, die Geld haben. Es ist viel vererbt worden in letzter Zeit."

Immobilien für 400.000 bis 500.000 Euro könnten viele gerade noch stemmen

Georg Sellmeier, Geschäftsführer von VID Immobilien GmbH in Erding, sagt, dass die hohen Zinsen für viele verhindern, dass sie sich was kaufen können. "Was immer noch geht, sind Immobilien zwischen 400.000 und 500.000 Euro." Das könnten viele gerade noch stemmen, da die Banken mittlerweile 20 Prozent Eigenkapital fordern. Die Zeit, in denen man ein altes Reihenmittelhaus aus den 1950er Jahren für 700.000 bis 800.000 Euro verkaufen konnte, sind laut Sellmeier vorbei. "Und kommen auch so schnell nicht mehr." Käufer seien nach wie vor da, aber die Leute würden genauer hinschauen, da sie mehr eigenes Geld einbringen müssen, während man es früher bei der Bank relativ günstig bekam.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: