Hochwasser in Dorfen:Berechenbare Katastrophen

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Am 30. August 2021 war eine Hochwasserwelle durch die Siedlung Am Seebach im Dorfener Ortsteil Oberdorfen geschwappt. (Foto: Renate Schmidt)

Das gesamte Gebiet der Stadt Dorfen ist auf potenzielle Überschwemmungsgebiete bei extremen Regen untersucht worden. Für die Bewohner der Ende August vom Hochwasser heimgesuchten Siedlung Am Seebach kommt das zu spät

Von Florian Tempel, Dorfen

Der blau eingefärbte Kartenausschnitt, den Florian Brodrecht zeigte, war beeindruckend und niederschmetternd. Brodrecht kommt vom Ingenieurbüro Spekter aus Herzogenaurach, das für die Stadt Dorfen ein sogenanntes Starkregen-Risikomanagement ausgearbeitet hat. Die Karte, die er im Klima- und Umweltausschuss des Stadtrat präsentierte, beweist, dass seinen Berechnungen nach bei extremem Wetter der Siedlung Am Seebach in Oberdorfen Überschwemmung droht. Seine Gefahrenprognose ist vollkommen richtig - und kommt für viele zu spät. Die berechenbare Katastrophe war längst Realität.

Der Klima- und Umweltausschuss hatte an diesem Mittwoch außergewöhnlich viel Publikum. Viele der Zuhörer waren Bewohner der betroffenen Siedlung. Am Vormittag des 30. August, es hatte schon tagelang regnet, kam das Wasser in ihre Häuser. Binnen einer Viertelstunde stieg es auf einen halben Meter, lief in die Keller und stand im Erdgeschoss. Die Schäden an den Gebäuden und am Hausrat sind immens.

Gerald Forstmaier (GAL), Hochwasserreferent des Stadtrats, hatte schon 2018 beantragt, die Stadt müsse für Starkregenereignisse Vorsorge treffe. Im März 2019 wurde dann das Ingenieurbüro Spekter von der Stadt mit der Ausarbeitung eines Konzepts beauftragt, das den Dorfener Bürgern und Betrieben die individuelle Gefahren bei extremen Starkregen für ihre Immobilien aufzeigen kann und Schutzmöglichkeiten vorschlägt. Ein weiterer Punkt war der Aufbau eines lokalen Warnsystems, das im Notfall per Mitteilung aufs Smartphone informiert. Das alles ist nun so gut wie fertig, nur leider hat es für die Menschen der Siedlung Am Seebach zu lange gedauert.

Schon 2019, bei der Vorstellung, was die Stadt an die Hand bekommen werde, hieß es, mitunter könne ein kleiner, ein halber Meter hoher Wall ein ganzes Grundstück schützen. Bei der Siedlung am Seebach würde wohl genau das helfen. Nach den Berechnungen der Experten müsse man als effektiven Hochwasserschutz etwa 200 Meter weiter westlich die Straße nach Esterndorf ein Stück weit erhöhen. Die Straße würde so zum Damm, der das Wasser aus dem Seebach auf einer Wiese rückstauen würde. Die konkrete Ausarbeitung dieser Maßnahmen durch ein Ingenieurbüro wurde in Auftrag gegeben. So richtig schnell wird jedoch nichts gehen. Es braucht genaue Pläne und Varianten, eine exakte Analyse, Verträge mit den Eigentümern der potenziellen Retentionsflächen und staatliche Genehmigungen. Falls der Siedlung erneut Gefahr durch Hochwasser drohen sollte, lässt sich aber an der Straße nach Esterndorf ein provisorische Wall mit Sandsäcken aufschichten.

In zwei bis drei Monaten wird in Dorfen für jeden, den es interessiert, eine Abfrage der Hochwassergefahr für sein Haus oder Grundstück möglich sein. Florian Brodrecht erklärte, dass man dann online unter der Angabe von persönlichen Daten und einer Flurnummer einen "Starkregen-Risikosteckbrief" erhalte. Wesentlicher Bestandteil ist ein Kartenausschnitt, der mit blauen Einfärbungen zeigt, wo genau es eventuell ein Hochwasserproblem gibt. Je dunkler das Blau, desto stärker die Überschwemmungsgefahr. Immobilieneigentümer bekommen dazu Informationen, welche vorbeugenden Gegenmaßnahmen sie ergreifen können. "Ganz, ganz wichtig ist", erklärte Brodrecht, "dass die Eigenvorsorge in den Mittelpunkt gestellt wird". Da es die Informationen zu den Hochwassergefahren bald geben werde, sei man aufgefordert, sich zu informieren und, falls notwendig, selbst etwas zu unternehmen.

Welche Gebiete in Dorfen ähnlich wie der Siedlung am Seebach gefährdet sind, wollte Brodrecht nicht im Detail sagen. Es werde dazu, in Absprache mit der Stadtverwaltung, Informationsveranstaltungen geben. Auf das Drängen von Hochwasserreferent Forstmaier nannte Brodrecht dann aber doch: das Wohngebiet am Mozartring, das neue Wohngebiet in Grüntegernbach und ein Gebiet nah am Rückhaltebecken.

© SZ vom 29.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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