Landkreis Erding:"Es wird eine ruppige Diskussion bei der Haushaltsberatung geben"

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Auf den Strecken von den Hauptorten solle künftig ein Expressbus nach Erding fahren, schlägt Landrat Martin Bayerstorfer vor. (Foto: Renate Schmidt)

Erdings Oberbürgermeister Max Gotz mahnt angesichts hoher Defizite des Landkreises beim ÖPNV und dem Klinikum eine Einschränkung bei den freiwilligen Ausgaben an. Beim Busverkehr könnte dies den "Einstieg in den Ausstieg" aus der Fläche bedeuten.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hat in der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Klima, Natur, Struktur, Umwelt und Verkehr kritisiert, dass der Landkreis viele freiwillige Leistungen erbringe, ohne auf die Wirtschaftlichkeit zu schauen. Angesichts zu erwartender Defizite im Kreishaushalt 2024 von etwa 20 Millionen Euro beim Klinikum und acht Millionen beim ÖPNV, könne man nicht mehr so weiter machen wie bisher, sondern müsse den Mut zu Streichungen bei den freiwilligen Leistungen haben. Er erwarte deshalb bei den Haushaltsberatungen "ruppige Diskussionen". Anlass für Gotzs Kritik war ein Antrag, das Regionalbusangebot im Bereich von Dorfen, Isen, Sankt Wolfgang, Lengdorf und Walpertskirchen zu überarbeiten.

Gotz sagte, es ärgere ihn, dass ein mit Blick auf die freiwilligen Leistungen bindender, einstimmiger Grundsatzbeschluss im Kreistag, "die vergangenen Jahre stillschweigend ausgehebelt" worden sei. "Ich bin nicht mehr bereit, dass wir in der Form weiter machen. Uns muss klar sein, wir sind jetzt bei einer Kreisumlage jenseits der 50 Punkte und wir haben zwei Komponenten im Haushalt - ÖPNV und Klinikum Erding -, die im Haushalt gar nicht darstellbar sind. Von den Pflichtaufgaben können wir uns nicht wegducken, an denen werden wir gemessen." Gotz regte an, in einer Sondersitzung grundlegende Beschlüsse zu fassen. Mit eingebunden werden müssten die Bürgermeister im Landkreis.

Düstere Wolken über dem Klinikum: Angesichts des zu erwartenden Defizits 2024 ein passendes Bild. (Foto: Stephan Görlich)

Die seien bereits "megaaufgeschreckt und besorgt über das, was wir bei den Haushaltsberatungen zu hören bekommen werden". Es gehöre zu den Aufgaben eines verantwortungsbewussten Politikers, "dass wir auch unangenehme Botschaften aussprechen und durchsetzen". Es könne nicht sein, wie manche forderten, dass der Landkreis wie die Bundesregierung Kredite aufnehme für freiwillige Leistungen.

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Das Regionalbusangebot, um das es in der erneuten Diskussion ging, ist eine freiwillige Leistung des Landkreises. Ziel der beantragten Überarbeitung solle sein, die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs im Landkreis weiter zu steigern, um den Einwohnern der südöstlichen Gemeinden ein insgesamt schnelleres und effizienteres Angebot im Personennahverkehr zu ermöglichen, sagte Katrin Neueder vom Fachbereich 11, Kreisentwicklung, am Landratsamt.

"Die Menschen wollen eine möglichst schnelle Verbindung und das im Stundentakt."

Für Landrat Bayerstorfer ist die Zielrichtung klar. Er will mehr Expressbuslinien, aber keine Buslinien, wo man auf der Fahrt viel "tolle Landschaft" sehe, aber sehr lange von A nach B brauche. "Die Menschen wollen eine möglichst schnelle Verbindung und das im Stundentakt", sagte Bayerstorfer. Er begrüße die Untersuchung - aber unter der Prämisse, dass es künftig von den Hauptorten in der Hauptverkehrszeit einen Stundentakt in Richtung Erding gibt, via Expresslinien mit wenig Haltestellen dazwischen. Bei allem anderen müsse man über Alternativangebote wie On-Demand-Mobilität (Ruftaxi, Mitfahrangebote oder Carsharing) reden.

Für andere als die Expresslinien kann sich Bayerstorfer einen Probebetrieb über drei Jahre vorstellen. "Und wenn dann in der Hauptverkehrszeit nur zehn Leute im Bus sitzen: weg damit." Auf dem dünn besiedelten Land werde man das Angebot nicht aufrecht erhalten können, auch aus finanziellen Gründen. Ein öffentlicher Zuschuss von 3,07 Euro je gefahrenem Kilometer "ist erschreckend, da können wir gleich ein Taxi bezahlen", sagte Bayerstorfer.

Man habe in der Vergangenheit zu viel nach dem Wünsch-Dir-was-Prinzip gelebt. Das Ergebnis: von 2009 bis 2019 eine Verdoppelung der Kosten, 50 Prozent mehr Buskilometer, aber nur vier Prozent mehr Fahrgäste. Der Anspruch, dass von jedem Ort ein Bus fahre, sei bei einem jährlichen Defizit von 25 Millionen Euro im Haushalt nicht darstellbar. Das sei weder ökologisch, noch ökonomisch sinnvoll.

Kreisrat Wolfgang Fritz fehlt der soziale Aspekt, das Recht auf Zugang zur Mobilität

Unterstützung für Expresslinien bekam der Landrat von Petra Bauernfeind (Freie Wähler). Leidvoll habe sie selber schon erfahren müssen, wie die Realität aussehe: "Es macht einen wahnsinnig, wenn man für eine kurze Strecke ewig lang braucht und unterwegs steigt niemand ein." Im Gegenzug müsse das Alternativangebot ausgeweitet und vereinfacht werden.

Sich nicht so recht damit abfinden konnte Kreisrat Wolfgang Fritz (Die Grünen): Er habe das Gefühl, der Beschluss bedeute "den Einstieg in den Ausstieg aus der Fläche". Betroffen seien Menschen ohne Auto, ohne Führerschein. Ihm fehle der soziale Aspekt, das Recht auf Zugang zur Mobilität. Auch Kreisrat Georg Els (FW) sagte, dass Mobilität "geradezu ein Grundrecht ist". Aber auf Dauer könne sich der Landkreis dieses Recht nicht leisten.

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