Nitratbelastung:Streit um Flächen für die Gülle

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Gülle und andere Rückstände aus der Landwirtschaft sind auch in Bayern eine große Gefahr für das Grundwasser. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Landrat Bayerstorfer schreibt einen Brandbrief an Ministerpräsident Söder wegen der neuen Düngemittelverordnung.

Von Thomas Daller, Erding

Nitrat im Trinkwasser ist in Deutschland ein Problem. Europaweit ist die Belastung nur auf der Insel Malta noch so hoch wie in der Bundesrepublik. Gülle und Gärreste aus Biogasanlagen gelten als Verursacher der Verunreinigung. Seit vielen Jahren streitet Deutschland mit der EU, wie die Düngemittelverordnung umgesetzt werden muss. Zwischenzeitlich hatte die EU bereits mit Strafzahlungen von bis zu 850.000 Euro pro Tag gedroht. Das bayerische Kabinett hat daher zum 30. November die Neuausweisung der roten und gelben Gebiete beschlossen. Der Anteil der roten Gebiete an der landwirtschaftlichen Nutzfläche steigt damit um knapp 50 Prozent von 12 auf 17,2 Prozent. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) hält die Auflagen für völlig inakzeptabel und hat sich mit einem "Brandbrief" an Ministerpräsident Markus Söder gewandt.

Im Landkreis Erding wird viel Gülle ausgebracht, denn er ist nach wie vor einer der viehreichsten Landkreise in Bayern und irgendwo müssen die Gülle und der Kot der Tiere hin. 2016 hat das Statistische Landesamt zuletzt den Viehbestand im Landkreis erhoben: 94.000 Rinder, 67.000 Schweine sowie 331.000 Hühner. Hinzu kommen etwa 80 Biogasanlagen, was ebenfalls ein recht hoher Wert ist. Auch die Gärreste dieser Anlagen, die voller Stickstoff sind, werden auf die Äcker ausgebracht. Und nicht zuletzt ist Erding einer der waldärmsten Landkreise in Bayern. Weil Wälder nicht gedüngt werden, bilden sie natürliche Puffer gegen den Nitrateintrag. Aber bis auf das Holzland gibt es nur wenig Wald in der Region.

Landrat Martin Bayerstorfer fürchtet Ernteeinbußen

Die Nitratbelastung in den Trinkwasserbrunnen ist unterschiedlich. Viele Wasserversorger beziehen ihr Wasser aus Tiefbrunnen, die bis zu 200 Meter hinab reichen. Dieses Wasser ist von so hervorragender Qualität, dass ein großes Unternehmen vor Jahren in Taufkirchen ein Mineralwasser-Abfüllwerk errichten wollte. Das Projekt scheiterte am Widerstand der Bürger, die einen Ausverkauf ihrer Wasserreserven fürchteten. Ein nur 36 Meter tiefer Brunnen des Wasserbeschaffungsverbandes Gatterberg-Gruppe, die den Raum St. Wolfgang versorgt, enthält hingegen mit rund 20 Milligramm Nitrat pro Liter einen für die Region relativ hohen Wert. Denn in Brüssel gibt es Überlegungen, den Grenzwert von 50 auf 20 Milligramm abzusenken, weil man ihn für zu hoch hält. Dann müsste der Verband tiefere Brunnen bohren.

Durch die Neuausweisung der roten und gelben Gebiete sind erstmals auch Flächen "in nicht unerheblichem Umfang" im Landkreis Erding betroffen, heißt es in Bayerstorfers Schreiben, das den Dateinamen "Brandbrief_Söder.docx" trägt. Auf diesen Flächen dürften nur noch 80 Prozent der bisher verwendeten Düngemittelmenge ausgebracht werden. Bayerstorfer, der selbst Landwirt ist, prognostiziert Ernteeinbußen. Zudem müsste man höhere Güllelagerkapazitäten schaffen, aber so schnell könne man keine zusätzlichen Güllegruben errichten. Der zeitliche Horizont sei "nicht umsetzbar".

Staub aus Düngemitteln soll schuld an hohen Nitratwerten bei der Messstelle Riding sein

Zudem seien im Landkreis Erding zwei Messstellen beprobt worden, die Nitratwerte über 50 Milligramm pro Liter aufwiesen. Dabei handele es sich um die Messstelle bei Riding, Gemeinde Fraunberg, sowie um die Messstelle in Obernumberg, Gemeinde Lengdorf. Die Messstelle bei Riding befinde sich 500 Meter südlich eines Raiffeisenlagers, in dem auch Düngemittel gelagert werden. Diese Stäube seien ursächlich, nicht aber die Landwirtschaft, so Bayerstorfer. Und die Messstelle in Obernumberg befinde sich neben einem Lehmabbaugebiet beziehungsweise einer Deponie der Firma Isarkies. Hier sei eine "Nitratauswaschung durch den Gruben- und Deponiebetrieb naheliegend". Die Landwirtschaft sei "nicht nachweislich ursächlich für den vorgefundenen Zustand", schreibt Bayerstorfer. Daher sollte das Verfahren überprüft und die Ausweisung bis zum Abschluss der Überprüfung ausgesetzt werden. Andernfalls würden die Flächeneigentümer klagen.

Es ist kein neuer Hut, dass sich CSU und Agrarlobby gut verstehen, aber zum Thema Trinkwasserschutz hat man im Landkreis schon andere Töne gehört. 2010 hatte der damalige CSU-Landtagsabgeordnete und Sankt Wolfganger Bürgermeister Jakob Schwimmer noch vor einer Gefahr für Böden und Trinkwasser durch den hohen Viehbestand gewarnt. Erlaubt seien zwei Großvieheinheiten pro Hektar. Das sei zu viel.Viele Bürger würden bereits schimpfen, weil die Bäche stinken. Auch die Trinkwasserreservoire seien wegen der Nitratbelastung in Gefahr. Das Vieh erzeuge jeden Tag tonnenweise Dreck. "Und trotzdem wird in den Gemeinden ein Riesenstall nach dem anderen gebaut", sagte Schwimmer. Es sei an der Zeit, dass die Politik handele. "Ich kann den Landwirten nicht böse sein", betonte Schwimmer damals. "Aber das ganze Umfeld passt nicht mehr."

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