Landkreis Erding:Wildgänse nehmen im Moos überhand

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Graugänse vermehren sich rasch im Erdinger Moos und richten Schäden in der Landwirtschaft an. Die Bauern hoffen nun auf eine neue Art der Bestandskontrolle. (Foto: Florian Peljak)

Graugänse vermehren sich dort rasch und richten Schäden in der Landwirtschaft an. Jäger und Landwirte erörtern Maßnahmen zur Bestandskontrolle.

Von Thomas Daller, Erding

Wildgänse gab es Mitte des vergangenen Jahrhunderts im Landkreis Erding so gut wie keine mehr. Nur die Hausgänse waren geblieben, von denen pro Jahr in Deutschland mehr als zwölf Millionen Tiere verzehrt werden. Doch die Wildgans, genauer gesagt die Graugans, ist zurückgekehrt. 500 bis 600 Graugänse besiedeln mittlerweile die Kiesabbaugebiete bei Eichenkofen und Berglern, weitere kleinere Schwärme gedeihen an Weihern im ganzen Landkreis und überwintern auch hier. Die Vermehrungsrate ist hoch: Erwachsene Gänse haben keine natürlichen Feinde und das Angebot an Brutplätzen und geeigneter Nahrung ist groß. Neben Gras fressen die vegetarisch lebenden Vögel gerne auch die kleinen Triebe des Winterweizens. Die landwirtschaftlichen Schäden nehmen zu. Im Gegensatz zu den Krähen sind Gänse jagdbares Wild, doch sie sind auch enorm wachsam. Um die wachsende Population zu drosseln, wären Eingriffe in die Gelege erforderlich. Rechtlich wäre das nun erstmals in der Brutsaison 2023 möglich: Das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten hat dazu eine neue Regelung zur Gelegebehandlung erlassen. Die Landwirte in den betroffenen Gebieten hoffen nun, dass das auch im Landkreis Erding Anwendung findet.

Am Chiemsee und entlang der Donau sind die Graugänse schon länger verbreitet. An manchen Badeweihern sind sie bereits zur Plage geworden, weil sie die Liegeflächen stark verkoten. Auch im Landkreis Erding nimmt die Population rasch zu und beschränkt sich nicht nur auf das Erdinger Moos. Das konnte man in den vergangenen Jahren auch in Dorfen beobachten. Dort hatte die Stadt am Mozartring eine Ausgleichsfläche geschaffen, wo sich eines Tages an diesem Weiher, das vom Eibacher Bacherl gespeist wird, ein einzelnes Pärchen niederließ. Sie nahmen ihn als Brutgebiet an und innerhalb weniger Jahre wurden aus dem Paar und dessen Nachwuchs mittlerweile mehr als zwei Dutzend Vögel. Die milden Winter und auch eine leichte Schneedecke machen ihnen nichts aus: "Sie können ihn mit ihren Füßen zur Seite scharren und kommen dann wieder an das Gras heran", sagt der Dorfener Naturfotograf Andreas Hartl. Er hat schon beobachtet, dass sich Brachvögel hinzugesellen, die diesen Futterplatz ebenfalls nutzen. Oftmals fliegt der Schwarm zur Futtersuche aus, meist zu Ackerflächen, auf denen Winterweizen angebaut wird. "Das finden die Bauern nicht so lustig", sagt Hartl. Aber im Isental halte sich die Population noch in Grenzen.

"100 Gänse haben 200 Augen, die in alle Richtungen absichern"

Ganz im Gegensatz zum Erdinger Moos: Vor allem in den Kiesabbaugebieten bei Eitting, Gaden, Eichenkofen, Langengeisling und Berglern kann man etwa 500 bis 600 Gänse beobachten, falls sie nicht vorher verschwinden. Denn sie sind sehr wachsam und beobachten ihre Umgebung ständig: "100 Gänse haben 200 Augen, die in alle Richtungen absichern", sagt Thomas Schreder, Vorsitzender des Kreisjagdverbandes Erding. Graugänse seien ein schmackhaftes Wildbret, aber die Jagd auf die Tiere sei extrem schwer. Auch wenn man sich unter Tarnnetzen verstecke, sei die "brettlebene Topographie" des Mooses ein Risiko, das die Jäger nicht eingehen wollen. Denn wenn eine Kugel die Gans durchschlägt, befindet sich hinter ihr nirgendwo ein Kugelfang, der einen unkontrollierten Weiterflug des Geschosses aufhalten könnte. Und mit Schrot müsste man näher heran, aber hat dabei keine Deckung, keine Hecke. Die Jäger könnten zwar vereinzelte Tiere schießen, aber das sei kein probates Mittel, um eine weitere Ausbreitung der Population zu bremsen. Neben den Graugänsen, hat Schreder beobachtet, hätten sich zudem auch schon Nilgänse angesiedelt und erste Bruterfolge erzielt.

Jakob Maier ist Sprecher des Bauernverbandes im Landkreis Erding und mit dem Problem vertraut. Bei der vergangenen Gebietsversammlung in Pesenlern sei es erneut zur Sprache gekommen. Maier hofft, dass man es mit der "Gelegebehandlung" in den Griff bekommt, die in der Brutsaison 2023 erstmals angewandt werden darf: Nach einem erfolgreichen Pilotprojekt hat das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten eine Änderung des Bayerischen Jagdgesetzes beschlossen. Demnach dürfen Personen, die von der Landesanstalt für Landwirtschaft geschult worden sind, bis zum 14. Tag der Eientwicklung einen Teil des Geleges unfruchtbar machen. Mithilfe einer mobilen Durchleuchtungsstation (Schierstation) wird das Entwicklungsalter des Eis festgestellt und damit festgelegt, ob die Behandlung durchgeführt werden darf oder nicht. Infrage kommende Eier werden angestochen, Bakterien dringen ein und das Ei stirbt ab. Zudem verbleiben pro Gelege stets zwei Eier unversehrt, damit für die Elterntiere ein normales Brut- und Aufzuchtverhalten weiterhin möglich ist. Die Population wird dadurch nicht dezimiert, aber die Vermehrungsrate wird kontrollierbar. Für diese Maßnahmen können die Unteren Jagdbehörden bei ernsthaften landwirtschaftlichen Schäden nun eine Ausnahmegenehmigung erlassen. "Ich hoffe, dass wir auch einen Jäger finden, der das durchführt", sagte Maier.

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