Grafing:Eiszeit im Stadion

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Der Vorstand des EHC Klostersee droht mit dem Rückzug des Vereins aus dem Profisport, sollten die Ausschreitungen bei Ligaspielen nicht aufhören. Denn diese bringen den Verein an den Rand der Pleite

Von Wieland Bögel, Grafing

Im Landkreis Ebersberg geht möglicherweise eine sechs Jahrzehnte dauernde Erfolgsgeschichte zu Ende: Der EHC Klostersee könnte sich nach der Saison aus dem Profisport zurückziehen, dies hat der Vereinsvorsitzende Alexander Stolberg nun angedroht. Hintergrund sind die ständigen Ausschreitungen bei Ligaspielen. Sollten sie andauern, sei der Verein "gezwungen, den Spielbetrieb der ersten Mannschaft einzustellen", gab der Vorsitzende in einer Stellungnahme bekannt. Auch Vorstands- und Vereinsmitglieder, angefangen bei ihm selbst, würden sich dann wohl zurückziehen, so Stolberg.

Seit einigen Jahren ist der Besuch eines Eishockeyspiels in Grafing kein reines Vergnügen mehr. Immer wieder kommt es zu teils heftigen Ausschreitungen von Fans, es wird gepöbelt, geschlägert und auch schon mal der Bus der Gästemannschaft mit Steinen beworfen. Mit der Folge, dass der Grafinger Eishockeyverein in der Liga inzwischen einen gewissen Ruf hat. Und zwar nicht nur bei Spielern und Fans: Erst kürzlich bestätigte Oliver Seliger, beim Deutschen Eishockeybund zuständig für die höheren Ligen: "So schlimm wie in Grafing ist es nirgendwo sonst." Zwar werde überall mal auf den Zuschauerrängen und vor dem Stadion geschlägert. Was beim EHC ablaufe, sei aber ein Einzelfall. Verantwortlich dafür ist laut Polizei eine kleine Gruppe von Randalierern, die nicht einmal aus Grafing, sondern aus München stammen und der Hooligan-Szene zugerechnet werden. Nicht mehr als 15 Personen sollen es sein, die ohne große Lust am Eishockey, aber mit umso mehr Lust am Krawall, die Spiele des EHC besuchen.

Was für den Verein unangenehme Folgen hat und existenzielle Probleme verursacht, wie Stolberg sagt: "Wenn wir weiterhin mit diesem Problem in diesem Umfang konfrontiert werden, sind wir bald pleite." Denn nicht nur kommen wegen der Randale immer weniger Zuschauer, was immer weniger Einnahmen bedeutet. Auch die Ausgaben steigen massiv, da der Verein immer mehr Sicherheitsleute anheuern muss: "Das sind enorme Kosten", klagt Stolberg.

Diese wären im schlimmsten Fall vom Vorstand des EHC zu tragen, erläutert der Vorsitzende: "Wir unterzeichnen in jedem August eine Bürgschaft", haften also mit Privatvermögen für eventuelle Verluste des Vereins - im schlimmsten Fall mit dem Gegenwert eines Oberklasse-Autos, wie Stolberg sagt.

Hinzu komme aber auch ein moralischer Verlust - das Ansehen des EHC werde durch die Randalierer stark beschädigt, so Stolberg, das stört inzwischen auch die Vereinsmitglieder: "Viele sagen mir, sie wollen so nicht mehr weitermachen", sagt er und nimmt sich davon selbst nicht aus. Sogar die Spieler seien Ziel von Kritik, wenn es aus den Reihen der Gegenmannschaft heiße: "Was habt ihr denn da für Idioten im Stadion?" Dies bestätigt auch der Kapitän der ersten Mannschaft, Gert Acker: "Wir Spieler kennen uns ja untereinander und werden öfter gefragt, was denn da los ist bei uns." Auch bei den Spielern des EHC ist man über die Entwicklung im Stadion besorgt. "Das sollte doch eigentlich ein Event für die ganze Familie sein", sagt Acker, "zumindest ist es das mal gewesen." Von der Drohung Stolbergs ist Acker zwar überrascht worden, mit der Mannschaft sei das nicht abgesprochen gewesen. Trotzdem hat er Verständnis dafür, denn so wie es derzeit oft im Stadion zugehe, könne es nicht weitergehen. Trotzdem, ein Rückzug der Ersten Mannschaft, "das wäre eine Katastrophe", sowohl für die Fans wie für die Spieler, sagt Acker, der hofft, dass es nicht soweit kommt. Denn die Folgen für den Profisport des EHC wären erheblich: Der Verein könne nämlich nicht einfach eine Saison pausieren, er müsse sich, wolle er in die höheren Ligen zurück, dem Aufstiegskampf von der Bezirksliga aus stellen.

Ein Rückzug aus der Oberliga wäre nur die allerletzte Möglichkeit, sagt Vereinsvorstand Stolberg. Ob er nötig ist, entscheide sich in etwa einem Monat, wenn die Saison ausgespielt ist. Besser wäre es, die Randale hört auf. "Es ist ja nur eine Handvoll, die die anständigen Fans um ihre Möglichkeit bringen, in Ruhe ein Spiel zu sehen. Die gilt es zu erkennen und aus dem Stadion zu verbannen." Der EHC will künftig sein Hausrecht rigoros anwenden. Wer sich danebenbenimmt, soll sofort hinausgeworfen und nach Möglichkeit mit einem lebenslangen Stadionverbot belegt werden. Aber Stolberg setzt auch auf die friedlichen Zuschauer. Er appelliert an jeden, die Krawallmacher dem Sicherheitsdienst zu melden, damit dieser aktiv werden kann, bevor größere Randale ausbricht. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das Problem lösen können, wenn alle dabei mithelfen."

© SZ vom 03.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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