Landkreis Erding:In der Goldach regt sich wieder Leben

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Dem Bach bei St. Wolfgang hat vor sechs Jahren die verheerendste Gewässervergiftung in Bayern ordentlich zugesetzt. Fische und Wasserinsekten sind mittlerweile zurückgekehrt, nur nach den Edelkrebsen hat das Wasserwirtschaftsamt bisher vergebens gesucht.

Von Thomas Daller, Erding

Geschunden bis zum Geht-nicht-mehr: Die Bäche und Flüsse im Landkreis Erding haben in den vergangenen 20 Jahren brutale Schläge einstecken müssen. Immer wieder flossen aus Biogasanlagen tonnenweise Gärreste in die Gewässer und lösten damit massive Fischsterben aus. Die Isen war gleich mehrere Male betroffen, aber auch die Vils sowie mehrere kleine Bäche. Am Schlimmsten hat es die Goldach 2016 erwischt, dort war allerdings ein Betriebsunfall in einem Sägewerk der Verursacher. Damals gelangten 3600 Liter eines Holzschutzgemisches aus einem Tauchimprägniertank in den Bach. Die Konzentration war so stark, dass es die tödliche Dosis für Forellen um das 1000-fache überschritt und für Bachflohkrebse sogar um das 10.000-fache. Auf 13 Kilometern, bis zur Mündung in die Isen, wurde die komplette Fauna ausgelöscht. Die Goldach war der verheerendste Fall in Bayern, das Wasserwirtschaftsamt München sprach von einer Todeszone.

2017 wurden dort vom Landesamt für Umwelt 1000 Edelkrebse ausgesetzt, nachdem dort das letzte natürliche Vorkommen im Landkreis Erding von diesem hochgiftigen Insektizid ausgelöscht worden war. Fünf Jahre später wird es Zeit für eine Bilanz: Wasserinsekten, Bachforellen und sogar die sehr seltenen Mühlkoppen sind in die Goldach zurückgekehrt. Nur nach den Krebsen hat das Wasserwirtschaftsamt bislang vergebens gesucht. Nun will man erneut nachsehen und gegebenenfalls den Besatz wiederholen.

Der tödliche Cocktail enthielt Cypermethrin sowie die Schwermetalle Kupfer und Chrom

In dem tödlichen Cocktail enthalten waren der Wirkstoff Cypermethrin sowie die Schwermetalle Kupfer und Chrom. Cypermethrin zerfällt nach 24 Stunden unter Sonnenlicht, die Schwermetalle gelangten wohl mit der Zeit über die Isen, den Inn und die Donau ins Schwarze Meer. Zumindest konnten sie in der Goldach nach geraumer Zeit nicht mehr nachgewiesen werden. Dann kam auch noch eine kleine Hochwasserwelle zu Hilfe und schwemmte aus dem zehn Kilometer langen Oberlauf bis zur Quelle bei Lacken in der Gemeinde Maithenbeth im Landkreis Mühldorf wieder Köcherfliegenlarven und Eintagsfliegenlarven an. Diese Pionierinsekten galten als Indikatoren, quartalsweise wurde untersucht, wie sich die Goldach weiterentwickelte. 2017 wagte man dann den Neubesatz mit 1000 jungen Edelkrebsen im Alter von etwa zwei bis drei Jahren. Die Tiere stammten aus der Zucht des Bayerischen Landesamtes für Umwelt in Wielenbach. Sie sind waren zwar nicht so perfekt an ihre Umwelt angepasst wie der autochtone, an Ort und Stelle entstandene Krebsbestand, der sich seit der letzten Eiszeit in der Goldach entwickelt hatte, aber die Biologen räumten auch den Tieren aus Wielenbach gute Überlebenschancen ein.

Der Biologe Matthias Junge vom Wasserwirtschaftsamt München war damals dabei. Seither habe man mehrfach nach den Krebsen gesucht, aber nichts gefunden, bedauert er. 1000 Tiere seien bei einem Fluss wie der Goldach aber auch keine Riesenmenge. Es könne sein, dass sich die Krebse über den ganzen Flusslauf verteilt hätten und daher schwer zu finden seien. Außerdem hätten kleine Krebse mit vier bis fünf Zentimetern Länge auch natürliche Feinde. Und nicht zuletzt habe die Suche immer tagsüber stattgefunden, Krebse würden aber erst in der Dämmerung aktiv. Vielleicht sei dem Wasserwirtschaftsamt auch deswegen noch kein Nachweis gelungen.

Die Bedingungen passen wieder, zuletzt wurden keine permanenten Schadstoffe mehr gefunden

An den Bedingungen in der Goldach könne es nicht liegen, sagte Junge. Man habe keine permanenten Schadstoffe mehr gefunden. Dafür spreche auch, dass sich der Makrozoobenthos, Insektenlarven, Bachflohkrebse, Schnecken und Würmer auf einem Status erholt haben wie vor dem Schadensfall. Die Wiederbesiedlung von oben habe funktioniert. Hinzu komme, dass auch die Fische diesen Lebensraum wieder angenommen hätten. "Fische sind sehr mobil", sagte Junge. So eine Zuwanderung aus Seitengewässern erfolge schnell, wenn die Umweltbedingungen wieder passten. Besonders hervorzuheben sei, dass sich die sehr seltenen Mühlkoppen, eine der ganz wenigen vitalen Bestände im Landkreis Erding, wieder angesiedelt hätten.

Ganz abgeschrieben hat das Wasserwirtschaftsamt die Edelkrebse aber noch nicht. Junge kündigte weitere Untersuchungen in der Dämmerung an. Sollte man dann fündig werden, umso besser. Ansonsten werde man einen Neubesatz ins Auge fassen. Die Goldach ist eines der wenigen Gewässer, in denen sich diese heimische Krebsart noch erhalten konnte. Denn sie ist von einer anderen Krebsart stark bedroht. Der aus Nordamerika eingeschleppte Signalkrebs breitet sich auch im Landkreis in vielen Gewässersystemen aus. In die Isar, in die Sempt und in die Strogen sei er bereits vorgedrungen. Fatal dabei ist, dass der Signalkrebs Überträger der Krebspest ist. Er selbst ist dagegen immun, für Edelkrebse ist sie aber tödlich. Deshalb seien die Krebse in der Goldach "einen zweiten Versuch wert", sagte Junge. "Da bleiben wir dran."

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