Garching:"TU gefährdet internationale Sicherheit"

Forschungsreaktor FRM II

Die Technische Universität (TU) München will den Reaktor nächstes Jahr wieder anfahren, ohne die Umrüstung auf niedrig angereicherten Brennstoff.

(Foto: dpa)

Der US-amerikanische Nuklearexperte Alan Kuperman übt bei Grünen-Veranstaltung massive Kritik am Garchinger Reaktor

Von Yannik Schuster, Garching

Der Forschungsreaktor FRM II in Garching erhitzt nicht nur hoch angereichertes Uran, sondern auch die Gemüter seiner Kritiker. Die Technische Universität (TU) München will den Reaktor nächstes Jahr wieder anfahren, ohne die eigentlich längst beschlossene Umrüstung auf niedrig angereicherten Brennstoff. In der Landtagsfraktion der Grünen sorgt dies für Unmut. Auf einem Webinar diskutierten am Montag die Abgeordneten Claudia Köhler und Markus Büchler mit ihren Gästen, drei exponierten und teilweise prominenten Kritikern der Garchinger Anlage.

Hauke Doerk vom Münchner Umweltinstitut sagte, ein Rechtsgutachten habe schon 2019 festgestellt, dass der Betrieb mit hoch angereichertem Brennstoff seit 2011 illegal sei. Die TU sei daher gut beraten, eine Umrüstung vorzunehmen. Doerk zufolge ergäben sich dann schon in der Logistik Vorteile. So gelten für den Transport von niedrig angereichertem Uran weniger Auflagen als für hoch angereichertes.

Proliferationsexperte Alan Kuperman von der Universität in Austin/Texas gilt als Experte für den zivilen Umgang mit hoch angereichertem Uran und beobachtet den Forschungsreaktor in Garching schon lange mit Sorge. Der in Garching verwendete Brennstoff ist nämlich atomwaffenfähig. Der Anreicherungsgrad des Garchinger Brennstoffs von 93 Prozent entspreche dem von US-Nuklearwaffen, sagte Kuperman. Die Menge an Material könne bis zu 16 Kernwaffen betreiben. "Die hartnäckige Weigerung der TU, den Reaktor umzurüsten, gefährdet die deutsche und internationale Sicherheit", so der US-amerikanische Experte.

Kuperman findet noch weitere deutliche Worte: Die vergangenen 27 Jahre seien geprägt gewesen von "Arroganz und Lügen" der TU. Diese widersetze sich dem internationalen Konsens, wonach hoch angereichertes Uran in zivilen Reaktoren nichts verloren habe. Außerhalb Russlands seien bereits fast alle Reaktoren umgerüstet worden oder stünden unmittelbar davor. Mit Ausnahme des FRM II in Garching. Ein Papier, das einer ihrer eigenen Wissenschaftler gefertigt hat und zu dem Ergebnis kommt, dass eine Umrüstung möglich ist, halte die TU unter Verschluss, so Kupermans Vorwurf.

Behauptungen, wonach auch in den USA ein neuer Reaktor mit hoch angereichertem Brennstoff im Bau gewesen sei, stimmten laut Kuperman nicht. Weiter behaupte die TU fälschlich, keine Betreiber rüsteten ihre Reaktoren um. Doch in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und den USA passiere genau das. Da die USA zudem nicht bereit seien, die TU mit hoch angereichertem Uran zu beliefern, habe man Russland zum Export des waffenfähigen Brennstoffs motiviert. Kuperman forderte sowohl die Staatsregierung als auch die Bundesregierung auf, den Forschungsreaktor unverzüglich stillzulegen, sollte die TU weiterhin eine Umrüstung verweigern. Die Sicherheit, die waffenfähiges Uran erfordere, könne auf einem Universitätscampus nicht gewährleistet werden. Die TU stellt eine Umrüstung auf niedriger angereichertes Uran frühestens für 2025 in Aussicht Bis dahin sollen Forschungsergebnisse vorliegen.

Hartmut Liebermann von der Bürgerinitiative Ahaus sagte bei der Diskussionsrunde der Grünen: "Angesichts der Gefahren ist es verantwortungslos, diesen Reaktor weiter zu betreiben." Nach Ahaus an der niederländischen Grenze sollen die ausgedienten Brennelemente aus Garching in ein Zwischenlager geliefert werden. Weil dies bisher nicht genehmigt ist, werden sie bisher in Garching gelagert. Auch das "Abfallprodukt" ist laut Liebermann waffenfähig und stellt damit ein Proliferationsrisiko dar. Das Lager in Ahaus ist der örtlichen Bürgerinitiative zufolge nicht auf solche Nuklearabfälle ausgerichtet. Die Wände seien im Vergleich zu neueren Zwischenlagern viel zu dünn, die Sicherheit nicht gewährleistet. Ein Konzept zur Abreicherung der Brennelemente gebe es nicht. "Das sind verantwortungslose Wissenschaftler, die sich vor dem Problem drücken, das sie verursachen." Grünen-Landtagsabgeordnete Claudia Köhler aus Unterhaching kündigte an, ihre Partei werde weiter Fragen stellen und Druck ausüben.

In einer früheren Version dieses Artikels stand, dass die ausgedienten Brennelemente nach Ahaus geliefert werden.

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