Freising:Suche nach der Schadstoffquelle

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So idyllisch die Moosach hier bei der Neufahrner Moosmühle oberirdisch wirkt, in ihrem Sediment schlummern giftige Perfluorierte Tenside. (Foto: Marco Einfeldt)

Noch immer wissen die Behörden nicht, wer für den Eintrag der Chemikalie PFOS in die Moosach verantwortlich ist

Von Nadja Tausche undAlexandra Vettori, Freising

Wie lange das Gift schon ins Grundwasser sickert, kann keiner sagen. Sicher ist: Seit August 2019 weiß man, dass Perfluorierte Tenside (PFT), genauer Perfluoroctansulfonsäure (PFOS), irgendwo in den nördlichen Münchner Stadtteilen Hasenbergl oder Milbertshofen ins Erdreich gelangen. Im August nämlich hat das Wasserwirtschaftsamt erhöhte Werte in den Bächen Moosach und Mauka, später im Grundwasser und sogar in einem Freisinger Trinkwasserbrunnen gefunden. Den Verursacher kennt man bis heute nicht, man kann also davon ausgehen, dass der Eintrag weiter geht.

Auch wenn sämtliche Behörden, allen voran das Landesamt für Gesundheit, betonen, die gemessenen Werte lägen weit unter gesundheitsgefährdenden Werten, sind Perfluorierte Tenside gefährliche Stoffe. Sie sind im menschlichen Organismus sehr lange nicht abbaubar. In Tierversuchen haben Wissenschaftler festgestellt, dass sie lebertoxisch, krebserregend und reproduktionstoxisch, also fruchtbarkeitsreduzierend, sind.

Um den Eintrag ins Grundwasser zu stoppen, sucht das Wasserwirtschaftsamt München nach dem Verursacher. Das läuft so ab, dass die Behörde seit August nacheinander Grundwassermessstellen in München beprobt - so wolle man den Schadensherd eingrenzen, erklärt Behördenleiter Christian Leeb. Das Wasserwirtschaftsamt gehe nicht davon aus, dass jemand die Chemikalien mit Absicht einleitet. "Von Anfang an hatten wir die Vermutung, dass (...) es irgendwo einen Schaden im Untergrund gibt, der für einen Austrag über das Grundwasser ursächlich ist." Ein weiterer Eintrag der Chemikalien ins Grundwasser ist dem Behördenleiter zufolge "wahrscheinlich".

Das hat Auswirkungen auf das Angeln von Fischen. Im August hatten die Landratsämter Freising und München vor dem regelmäßigen Verzehr wild lebender Fische aus der Moosach gewarnt - diese Warnung gelte immer noch, sagt Pressesprecher Robert Stangl auf Nachfrage. Das Trinkwasser werde durch die Chemikalien aber nicht beeinträchtigt, glaubt man den Freisinger Stadtwerken: "Die durch das Wasserwirtschaftsamt erhobenen Werte liegen deutlich unterhalb der Umweltqualitätsnorm", sagt Pressesprecherin Nina Reitz. Man stehe "im permanenten Austausch" mit den Behörden und werde den PFOS-Anteil in den Flachbrunnen weiterhin beproben, in jährlichen Abständen.

Jürgen Geist, Professor am Lehrstuhl für Aquatische Systembiologie der TU München sitzt ganz nahe am Problem. Sein Lehrstuhl liegt direkt an der Moosach am Fuße des Weihenstephaner Bergs. Dass die PFOS-Werte nicht steigen, obwohl der Eintrag weiter geht, erklärt er so: "Das Grundwasser fließt von Süd nach Nord und mit ihm die Schadstofffahne. Es ist einfach die Frage, wann das bei welchem Brunnen ankommt." PFOS ist schon lange als Schadstoff bekannt. Früher war er in Löschschäumen von Feuerwehr und Bundeswehr enthalten, "deshalb ist er wahrscheinlich in den Böden rund um kleine Flughäfen noch heute zu finden", erzählt er, in Niederbayern habe man das Problem an Chemie-Standorten. Sein Lehrstuhl selbst zieht keine PFOS-Proben, "das ist eine hochspezifische Analytik", begründet Geist das. Vielmehr untersucht man hier den Sauerstoffgehalt, das Feinsediment und forscht, was mit Mikroplastik oder Nitrat aus der Landwirtschaft in Oberflächengewässern passiert. Dass trotz der PFOS-Belastung keine Fische sterben, erklärt Geist mit den niedrigen Konzentrationen. "Es reichert sich in der Nahrungskette an, führt aber nicht zum Absterben." Aus Forschungen mit anderen Schadsubstanzen weiß er aber: "Das sind meist subtilere Effekte, reduziertes Wachstum, Gendefekte, verändertes Verhalten." Es gebe Studien, die nahe legen, dass sich schon kleine Dosen negativ auswirken. "Es ist ein menschengemachter Stoff im Grundwasser, der da nicht hingehört", so Geist.

Dafür, dass wild lebende Fische schon deutliche PFOS-Belastungen aufweisen, die in den Fischzuchten entlang der Moosach aber kaum, ist für Jürgen Geist nicht überraschend. Das liege an der Nahrungskette, die für die wilden Fische eben bereits belastet sei. Die Fische aus den Zuchten aber bekämen Fischmehl, und das wiederum stamme von Sardellen aus dem Pazifik, etwa aus Chile und Peru.

Wie geht es jetzt weiter? Die Stadt München, zuständig ist das Referat für Gesundheit und Umwelt, lässt verlauten, dass es während der laufenden Beprobung und ohne belastbare Ergebnisse des Wasserwirtschaftsamts keine Fragen zur PFOS-Belastung beantworten könne. Die Regierung von Oberbayern, bei der das Gewerbeaufsichtsamt angesiedelt ist, erklärt auf Nachfrage, ihr seien "die PFOS-Feststellungen im Münchner Norden" bekannt. Auch hier verweist man auf das Wasserwirtschaftsamt München und darauf, dass sich die Ermittlung aufwendig gestalten.

Betriebe, die mit PFOS umgehen, seien nur eine mögliche Quelle. "Es besteht keine Pflicht zur Registrierung/Erfassung von Betrieben, die diesen Stoff verwenden beziehungsweise verwendet haben", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme. Die aktuelle Verwendung sei aber nur noch in geschlossenen Systemen erlaubt. Möglich ist, dass die Anzeige des Freisinger Landratsamts Konsequenzen haben wird: Im August hatte die Behörde wegen des Verdachts einer schädlichen Gewässerverunreinigung Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Sollte ein Verursacher ermittelt werden, werde man zwar nicht klagen, so Stangl - immerhin aber "hoheitlich im Wege des Verwaltungsvollzugs tätig werden". Was das konkret heißt, wird sich zeigen, wenn und falls ein Verursacher festgestellt wird.

Bis dahin, so versichert das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, sei die Belastung durch PFOS nicht gesundheitsschädlich. Auch die von Fischen aus Zuchten sei so gering, dass sie "nicht als gesundheitsschädlich beurteilt wurde, wie es in einer schriftlichen Antwort auf die Anfrage der Freisinger SZ heißt. Weitere Proben habe man "aus fachlichen Gründen" nicht veranlasst. Welche Gründe das sind, erläutert man nicht.

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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