Folge 5:Hüter der Silberdistel

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So winzig die Sempter Heide bei Moosburg auch ist, so vielfältig ist die Pflanzengesellschaft. Hobby-Botaniker Dieter Nuhn wacht über mehr als 300 Arten, 50 davon stehen auf der Roten Liste

Von Alexandra Vettori, Moosburg

Ja, gut, wer die Ausmaße der Fröttmaninger oder auch der Garchinger Heide vor Augen hat, ist erst einmal ein bisschen enttäuscht, wenn er vor dem Naturdenkmal Sempter Heide steht. Zumal in diesem Jahr, da die Trockenheit gerade den Magerstandorten wie Heiden zugesetzt hat. Jetzt, Anfang August, sind nur noch vereinzelte Blümlein zu sehen.

"Oh, das ist wunderbar! Gleich zwei Blüten, das ist das Highlight des Tages!" Bei Dieter Nuhn herrscht helle Begeisterung, während er vorsichtig braune Grasstängel über hellbraune Distelblüten hinweg zupft. "Ganz was Seltenes, die Silberdistel, drei Stück sind noch da, seit zehn Jahren markiere ich ihre Standorte", erzählt der 73-Jährige nebenbei. So winzig die Sempter Heide, oder besser, ihr gerade mal 3400 Quadratmeter großer Rest auch ist, so vielfältig ist die Pflanzengesellschaft hier. Mehr als 300 Arten sind kartiert, 50 davon stehen auf der Roten Liste, sind also vom Aussterben bedroht. Dieter Nuhn, pensionierter Steuerbeamter, Hobby-Botaniker und seit zehn Jahren ehrenamtlicher Wächter in der Sempter Heide, rattert die Namen nur so herunter: zweierlei Orchideen, Händelwurz und Knabenkraut, Regensburger Ginster, Felsen-Kreuzdorn, Berg-Fenchel.

Überall, wo Nuhn ein Exemplar der besonders seltenen Pflanzen entdeckt hat, hat er Stöcke in die Erde gesteckt, seit Jahren schon macht er das so. Damit schützt er die wertvollen Arten zum einen davor, bei der nächsten Mähaktion versehentlich abrasiert zu werden, zum anderen kann er so die Entwicklung des Bestandes über die Jahre genau verfolgen. "Als einstiger Steuerbeamter schreibt man alles auf", sagt er mit einem Lächeln. Allzu Erfreuliches konnte seine akribische Buchführung allerdings nicht belegen. "Der Stickstoff von oben ist zu viel, das führt dazu, dass die Gräser stark wachsen und alles verdrängen." Nur mit einer beständigen Mahd und dem Abtrag von Oberboden können die seltenen Pflanzenarten erhalten werden.

Hobby-Botaniker Dieter Nuhn markiert die Fundstellen seltener Pflanzen wie die Silberdistel. (Foto: Marco Einfeldt)

Dass die Sempter Heide, die sich im frühen 18. Jahrhundert hier im Osten Moosburgs zwischen Isareck und Sempt erstreckte, überhaupt überleben konnte, ist dem Naturwissenschaftlichen Verein Landshut zu verdanken. Der hat das Grundstück am Rande der Isarau im Jahr 1874 gekauft und damit vor dem Pflug der Landwirte und den Anpflanzungen des Staatsforst, der in den nahen Isarauen wirkt, gerettet. Der Verein selbst wurde im Jahr 1864 als botanischer Verein gegründet und stammt noch aus einer Zeit, in der Landshut über eine eigene Universität verfügte. Zum Naturdenkmal wurde die Sempter Heide im Jahr 1941 vom Landratsamt Freising erklärt. Trotzdem war sie bis vor gut zehn Jahren fast völlig verbuscht, erst der Bund Naturschutz und der Landesbund für Vogelschutz haben den Standort gemeinsam mit dem naturkundlichen Verein wieder freigelegt und die Blumenpracht, die vor allem im Frühjahr zu bestaunen ist, wieder ans Tageslicht gebracht.

Erst vor zwei Jahren ist das kleine Heiderestchen sogar um einen fast zwei Meter breiten Streifen vergrößert worden, durch einen Grundstückstausch mit einem Nachbarlandwirt. "Wir haben da sehr, sehr lang hinverhandelt", sagt Jörg Steiner von der Unteren Naturschutzbehörde im Landratsamt Freising. Auch er gehört zu den Rettern der Sempter Heide, Dieter Nuhn ist voll des Lobes für den behördlichen Naturschützer. Auch der Landesbund für Vogelschutz in Landshut trägt regelmäßig seinen Teil dazu bei. Die Ortsgruppe hilft bei der Pflege, die vor allem in einer sehr vorsichtigen Mahd, oft mit der Hand, besteht, obwohl sich das Fleckchen Land genau genommen auf dem Gebiet des Landkreises Freising befindet.

Klein und fein: Die Sempter Heide erstreckt sich heute auf gerade einmal 3400 Quadratmeter, sie beherbergt auch die Silberdistel (im Bild). (Foto: Marco Einfeldt)

Alle paar Wochen schaut Dieter Nuhn vorbei, er teilt sich die Heidewacht mit Rudi Boesmiller, einem Kollegen aus dem Naturwissenschaftlichen Verein Landshut. Was die beiden mit Sorge erfüllt, ist nicht nur die Tatsache, dass der Lebensraum für die seltenen Pflanzen, die sie hüten, immer schwieriger zu bewahren ist. Noch mehr plagt es sie, dass es keinen Nachwuchs für die Heidewächter gibt. "Dabei wären in Weihenstephan doch so viele Studenten aus den grünen Studiengängen, aber es kommen kaum junge Leute nach, die sich wirklich engagieren", sagt Nuhn.

Was die weitere Entwicklung der Sempter Heide anbelangt, so setzen ihr die derzeitigen Besitzverhältnisse ringsum enge Grenzen. Doch Dieter Nuhn hat trotzdem Pläne: Zusammen mit den anderen Naturschützern hat er schon autochthones, also einheimisches, Saatgut aus anderen Heiden ausgebracht, "eine Kartäusernelke ist schon gekommen". Nuhn zeigt auf eine besonders kiesige Fläche, "hier würde sich der Berg-Gamander sehr wohl fühlen. Aber ich weiß nicht, wo ich Samen herbekomme".

Am Freitag geht es in der Serie um den Deuschlweiher in Grafing.

© SZ vom 10.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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