Vortragsreihe im Museum Erding:Statt abreißen lieber neu nutzen

Lesezeit: 2 min

Aus dem ehemaligen Unteroffiziersheim am Fliegerhorst Erding ist die Bundeswehr längst ausgezogen. (Foto: Renate Schmidt)

Wiederverwerten statt wegwerfen: Das sollte nach Expertenmeinung bei der geplanten Konversion des Fliegerhorsts die Devise sein. Könnte die das Areal in Erding sogar ein Pilotprojekt für nachhaltiges Bauen werden?

Von Philipp Schmitt, Erding

"Bauen als Kreislauf", nachhaltiges, zirkuläres, ressourcen- und energiesparendes Bauen war am Mittwochabend Thema bei der von der Stadtverwaltung Erding initiierten Vortragsreihe zum künftigen Großprojekt Fliegerhorst. Wie soll das Areal mit den neuen Wohn-, Gewerbe- und Freiflächen künftig gestaltet und welche Gebäude sollen abgerissen dafür werden? Die Expertenrunde im Museum Erding war sich einig: Alte Gebäude sollten möglichst erhalten und neu genutzt werden.

Trotz Glatteis waren dutzende Bürger - darunter zweite Bürgermeisterin Petra Bauernfeind (FW) und mehrere Stadtratsmitglieder - ins Museum Erding gekommen, um dazu neue Ideen beim Dialogprozess zu hören. Moderiert wurde die - vom Leiter der Erdinger Stadtentwicklung Christian Famira-Parcetich vorgestellte - Expertenrunde vom Münchner Architekten Mathieu Wellner. Es diskutierten nach kurzen Vorträgen Kathrin Fändrich vom Staatlichen Bauamt Augsburg, Professorin Mikala Holme Samsoe von der Hochschule Augsburg (HS) und der aus Costa Rica stammende Architektur-Absolvent der TU München Rojas Sonderegger.

Bei der Konversion werden mehr als zwei Millionen Tonnen Baumaterial benötigt

"Wir müssen beim Bauen Umdenken", waren sich die Experten und Expertinnen auf dem Podium einig. Nachhaltigkeit statt Verschwendung, zirkuläre Kreisläufe und neue Bau-Standards seien wichtig. Bei der Konversion könnten mehr als zwei Millionen Tonnen Baumaterial für den Neubau benötigt und 950.000 Tonnen in einer Recycling-Anlage vor Ort aufgearbeitet werden, war von Thomas Rojas Sonderegger zu hören.

Fändrich und die aus Dänemark stammende Holme Samsoe berichteten über ihr Pilotprojekt in Augsburg. Sie hatten im Kontext mit dem vor einigen Tagen erfolgten Abbruch der alten Augsburger Stadtbibliothek etwas Neues gewagt. Vor dem Abbruch wurden Bauteile der Stadtbücherei von Studenten der HS katalogisiert und über eine Plattform eines Start-Up-Unternehmens im Internet präsentiert. Mehr als 80 Prozent der Bauteile wurden verkauft. 70 Prozent davon an private Hausbauer, 20 Prozent an Architekten und an Wohnbaugenossenschaften: "Uns wurde die Bude eingerannt. Das Projekt hat hohe Wellen geschlagen", sagte Baudirektorin Fändrich. Das Staatliche Bauamt sparte dadurch Entsorgungskosten ein. Im Fliegerhorst könnte künftig beim Abriss alter Gebäude ähnlich verfahren werden. "Da ist ein Riesenpotential vorhanden."

Eine Masterarbeit widmet sich der Recycling-Strategie am Fliegerhorst

Thomas Rojas Sonderegger präsentierte Ergebnisse seiner Masterarbeit über eine Recycling-Strategie am Beispiel der Konversion in Erding. Ziel sei, dort nachhaltig zu bauen und Rohstoffe zu sparen. Es könnte in Erding vor Ort recycelt werden. Dadurch würden Lkw-Fahrten reduziert.

"Wir müssen beim Bauen umdenken, einfach mit gesundem Menschenverstand machen und nicht mehr so viel verschwenden", sagte Fändrich. "Bauen im Kreis ist wichtig, wir müssen Barrieren abbauen, das Mind-Set ändern, neue Konzepte entwickeln und diese radikaler umsetzen", fügte Holme Samsoe an. Alte Gebäude sollten möglichst erhalten und mit Experimentierfreude neu genutzt werden.

Ein Abriss der Gebäude auf dem Areal sollte genau geprüft werden

Die Dänin Holme Samsoe - die in Kopenhagen an der Kunstakademie studiert hat - fügte an, dass alte Häuser Rohstoffarchive seien und kreativ umgenutzt werden sollten. In Dänemark werde von Architekten und Behörden mehr experimentiert, um Energie zu sparen. "Wiederverwenden statt Wegwerfen. Nicht verschwenden, Umdenken", sei die Zukunfts-Devise. Es sei eine Wende im Bausektor nötig. Auch wenn die Hälfte der Gebäude am Fliegerhorst-Areal aus der belasteten Anfangszeit des Militärflughafens stammen, sollte ein Abriss genau geprüft werden, fügte Wellner an.

Ein Bürger regte an, dass die Idee, Bauteile bei einem Abbruch zu verkaufen und nicht komplett auf die Deponie zu bringen, auch bei Einzelprojekten - wie beim Abbruch des Gasthaus Mayr-Wirt- "in kleineren Dimensionen künftig praktiziert werden sollte". Auf den Wertstoffhöfen könnte Platz für verwendbare Bauteile geschaffen werden, sagte Fändrich dazu. Grünen-Stadträtin Helga Stieglmeier forderte ein "Umdenken, mehr Nachhaltigkeit". Zweite Bürgermeisterin Petra Bauernfein erklärte, die Stadt habe nicht vor, "bei der Konversion dort alles platt zu machen". Es sei geplant, so viel Gebäude wie möglich stehen zu lassen. "Es werden aber Häuser abgebrochen werden müssen".

Im Rahmen der Vortragsreihe "Rundflug Fliegerhorst" wird am Mittwoch, 18. Januar, im Museum Erding "Günstig Wohnen Geht - Das Modell Wien" erörtert

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: