Gewerbetage in Erding:Die Arbeitswelt steht vor "multiplen Herausforderungen"

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Auf dem Podium diskutierten (von links): Herbert Neumaier, Geschäftsstellenleiter (Arbeitsagentur für Arbeit Erding), Andreas Scharf (Unternehmer und stellvertretender Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses), Auszubildender Luca Hoehl, Rudi Waxenberger (Kreishandwerksmeister), Fabian Steffl (Konrektor Mittelschule Erding), Veronika Kamm (Hubertechnik GmbH) und Dieter Link (Schulleiter der Staatlichen Berufsschule Erding). (Foto: Renate Schmidt)

Die Corona-Pandemie hat die Suche nach Fachkräften und Auszubildenden verschärft. Nun sollen verstärkt Zuwanderer angeworben und integriert werden.

Von Philipp Schmitt , Erding

Der Mangel an Fach- und Nachwuchskräften in der Region München war das Thema einer Podiumsdiskussion bei den Erdinger Gewerbetagen, die nach zwei Jahren Corona-bedingter Pause am Wochenende wieder stattfanden. Die sieben Diskutierenden waren sich einig: Die Situation hat sich weiter verschärft und die Corona-Pandemie hat ihren Anteil daran. Eine der Möglichkeiten, dem Mangel entgegen zu wirken, könnte sein, Zuwanderer verstärkt in die Arbeitswelt zu integrieren und bürokratische Hürden abzubauen. Wenig hilfreich seien die hohen Lebenshaltungskosten in der Region, die so manchen potenziellen Bewerber abschrecken würden.

"Der regionale Arbeitsmarkt ist abgegrast", sagt Rudolf Waxenberger

"Die Lage spitzt sich beim Fachkräftemangel zu", sagte Herbert Neumaier, Geschäftsstellenleiter der Agentur für Arbeit in Erding. Nur im Netzwerk mit Schulen, Betrieben und benachbarten Arbeits-Agenturen könnten die "multiple Herausforderungen" gemeistert werden. "Der regionale Arbeitsmarkt ist abgegrast", sagte Rudolf Waxenberger. Dem Kreishandwerksmeister zufolge hat die Pandemie in den vergangenen Jahren die Suche nach Fach- und Nachwuchskräften noch schwieriger gemacht. Die Krise habe zu "Einschnitten und Fehlentwicklungen" geführt. Praktika seien kaum möglich gewesen.

"70 Prozent der Schüler beginnen ihre Ausbildung in Betrieben, wo sie zuvor ein Praktikum gemacht haben", sagte Fabian Steffl, der Konrektor der Erdinger Mittelschule. Praktika spielen auch für Bewerber und Personalchefs eine wichtige Rolle: "Sie sind das A und O", erklärte Veronika Kamm von der Firma Huber-Technik. Zudem spielten die demografische Entwicklung und der Trend zum Studium eine Rolle. Konzerne könnten durch gezieltes Personal-Marketing besser um Nachwuchskräfte werben als kleine Handwerksbetriebe.

Der Immobilienkaufmann-Auszubildende Luca Hoehl bestätigte, dass viele seiner Freunde die schulische Weiterbildung über die Fachoberschule zur Hochschule einer beruflichen Ausbildung vorgezogen hätten. Eine berufliche Bildung sei aber eine Bereicherung im Bildungsportfolio und ein guter Start ins Berufsleben, sagte Dieter Link, Schulleiter der Staatlichen Berufsschule Erding. Es müsse nicht immer FOS, Gymnasium und Studium sein, meinte der Schulleiter. Eine solide berufliche Basis sei wichtig, denn Berufe könnten später gewechselt werden: "Wechsel ist normal - heutzutage macht kaum jemand 30 Jahre nur einen Beruf. Berufe entwickeln sich weiter." Kleinere Betriebe müssten im Konkurrenzkampf Nischen finden, sagte Dieter Link. Man war sich einig, dass "Social-Media" intensiver genutzt werden müsse, um potentielle Bewerber zu kontaktieren

Menschen müssen sich trotz hoher Lebenshaltungskosten wohl fühlen können

Schon seit längerem findet der Busunternehmer Andreas Scharf kaum noch neue Busfahrer. Er sucht deshalb auch in Ungarn, Rumänien oder Spanien nach Personal, wie er sagt. Die bürokratischen Hürden seien aber hoch. Prüfungen, wie zum Beispiel bei Führerscheinen, würden oft nicht anerkannt. Er sieht aber, wie auch Kreishandwerksmeister Waxenberger, dadurch Chancen für den angespannten Arbeitsmarkt. Auch durch Zuwanderung, zum Beispiel aus der Ukraine. Waxenberger bezeichnete Handwerk, Bau und Gastronomie als "Integrationsweltmeister".

Doch die Integration alleine genüge nicht. "Wir müssen Perspektiven bieten", sagte Dieter Link. Menschen müssten sich in der Region trotz hoher Lebenshaltungskosten wohl fühlen. Die Möglichkeit, Neuansiedelungen von großen Betrieben an den Bau von Personalwohnungen zu knüpfen, fand zwar Unternehmer Scharf gut, der Kreishandwerksmeister zeigte sich hingegen skeptisch. In der Praxis seien dafür bei der Umsetzung hohe Hürden bei Grundstückspreisen, Baurecht und in Detailfragen zu überwinden.

Die Podiumsdiskussion bei den Erdinger Gewerbetagen stieß auf großes Interesse. (Foto: Renate Schmidt)
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