Amtsgericht Erding:Asbesthaltige Eternitplatten im Wald entsorgt

Lesezeit: 3 min

An vielen Häusern wurden in den 1960er- und 1970er-Jahren an den Fassaden oder auf Dächern Eternitplatten verbaut. Damals war nicht bekannt, dass diese Platten mit krebserregendem Asbest durchzogen waren. (Foto: Johannes Simon)

Angeklagte werden zu Geldstrafen verurteilt. Der Vorwurf des Betrugs wird nach einem längeren Rechtsgespräch fallengelassen.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Zwei Handwerker sind am Amtsgericht Erding zu einer Freiheitsstrafe von je 90 Tagessätzen wegen unerlaubten Umgangs mit Abfällen sowie Verstoßes gegen das Gesetz zum Schutz vor gefährlichen Stoffen (Chemikaliengesetz) verurteilt worden. Die zwei sind allerdings nur Mittäter von bis zu sechs Personen, die asbesthaltige Platten an zwei Garagen in Taufkirchen gegen Bezahlung entfernt und entsorgt hatten. Allerdings nicht als Sondermüll auf einer Deponie, sondern in einem Waldstück bei Bockhorn. Fallengelassen wurde nach einem Rechtsgespräch der beiden Anwälte, der Staatsanwältin und Richterin Michaela Wawerla der Vorwurf des Betrugs gegen beide Angeklagte.

Statt wie ausgemacht 2800 sollte alles plötzlich 11.000 Euro kosten

Laut Anklageschrift waren im Juni 2020 die zwei Angeklagten bei zwei Privathaushalten in Taufkirchen vorstellig geworden. Warum diese "ausgewählt" wurden, wie die Staatsanwältin fragte, konnte einer der Geschädigten nicht sagen. Der Festpreis, den man genannt bekommen habe für Abbau und Entsorgung der Platten, 2800 Euro, sei in Ordnung gewesen. Ein paar Tage später sei ein Trupp von fünf bis sechs Leuten angerückt, wie ihm sein Vater, der über 80 sei, erzählt habe. Er selber habe an dem Tag arbeiten müssen. Die Platten mit dem gesundheitsgefährdenden Asbest seien auf eine Lastwagen geladen worden. Als es dann ums Bezahlen ging, kam die Überraschung: Statt 2800 wurden 11.000 Euro verlangt. Sein Vater, so der Geschädigte vor Gericht, habe sich bedroht gefühlt und sei zur Bank gefahren und habe schließlich 7500 Euro in bar übergeben. Bei der Aktion sei das Konto kurzfristig "heftig überzogen" worden. Auch bei der über 80-jährigen Nachbarin wurden die Eternitplatten aus den 6oer-Jahren entfernt. Dort kassierten die Männer 3600 Euro. Als der Geschädigte das mit der Bezahlung von seinem Vater erfuhr, ging er zur Polizei.

Aus mehr als 100 Fotos werden beide Angeklagte erkannt

Wenige Tage später wurden Eternitplatten in einem Waldstück bei Bockhorn gefunden. Der ermittelnde Beamte lud den Geschädigten vor Ort ein. Und der bestätigte, dass dies "seine" Platten sind. Er erkenne sie an Farbresten und an den Befestigungsschrauben. "Zweifelsfrei", wie er vor Gericht aussagte. Der Polizeibeamte erinnerte sich an eine Datenbank eines Nürnberger Kollegen über Handwerker, die straffällig wurden. Er habe daraufhin dem Taufkirchener mehr als 100 Fotos aus der Datenbank gezeigt und zwei Personen habe er erkannt: die beiden Angeklagten. Auch bei einer zweiten Überprüfung mittels Lichtbilder habe er die beiden Angeklagten wieder erkannt.

Für einen der beiden Anwälte der Angeklagten waren die Ermittlungen völlig unbrauchbar, haben gar nicht stattgefunden, da man weitere potenzielle Beweismittel, die vielleicht die Unschuld der beiden Mandanten belegt hätten, gar nicht berücksichtig habe. Zum Beispiel einen Zettel und eine Flasche bei den Eternitplatten. Den Zettel habe man nicht auf Fingerabdrücke oder DNA-Spuren untersucht. Diese habe man auf der Flasche gefunden, sie stammen von einem Kosovo-Albaner. Dabei, so der zweite Anwalt, müsse man doch wissen, dass die Sippe seines Mandaten aus Rumänien stamme und nicht mit Kosovo-Albanern zusammenarbeite. Zudem habe man der Aussage des Geschädigten, dass eine Person klein und die andere groß sei, keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt. Beide Angeklagte seien aber in etwa gleich groß. Zu einer Verurteilung komme es nur deshalb, weil beide "Verantwortung übernommen" und ein Geständnis abgelegt hätten, was die unerlaubte Entsorgung betrifft.

Das Verfahren wegen Betrugs wird eingestellt

Das Geständnis kam nach einem rund 45-minütigen Rechtsgespräch zwischen allen Beteiligten - in dem den Angeklagten eine Geldstrafe zwischen 80 und 100 Tagessätzen in Aussicht gestellt wurde, wenn sie sich geständig zeigen. Das Verfahren wegen Betrugs wurde zudem eingestellt. Wäre das nicht der Fall gewesen, wäre wohl die Strafe deutlich höher ausgefallen, da beide Angeklagte wegen Betrugs einschlägig vorbestraft sind. Dafür, dass es kein Betrug ist, hatte einer der Anwälte eine Erklärung: Seine Mandanten hätte nur einen Kostenvoranschlag abgegeben, was keine Aussage bedeute, was es letztlich kosten werde. Wenn der Preis dann höher ausfalle, sei das halt so, auch wenn es dem einen oder anderen nicht gefällt. Bei Stuttgart 21 oder dem Flughafen Berlin sei auch keiner vor Gericht gelandet.

Amtsrichterin Michaela Wawerla ließ in ihrer Urteilsbegründung aber schon anklingen, dass das Verhalten der beiden Mittäter gegenüber dem Vater, einer älteren Person, bei der Strafzumessung eine Rolle gespielt hat. Man hätte den möglichen Rechnungsanspruch auch zivilrechtlich klären können und den älteren Mann nicht unter Druck setzen dürfen. Letztlich fiel die Geldstrafe mit 1350 Euro gering aus, da beide ihr Einkommen in Rumänien als Bemessungsgrundlage angaben.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: