Erding/Taufkirchen:Klinikum Erding betritt Neuland

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Durch die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums kommen jetzt auch nach Taufkirchen Fachärzte. Um diese hatte man lange vergeblich gebuhlt. Orthopädie und Gynäkologie wären ideal, sagt Bürgermeister Hofstetter.

Von Florian Tempel, Erding/Taufkirchen

"Seit 20 Jahren versuchen wir, Fachärzte für Taufkirchen zu gewinnen", sagt Bürgermeister Franz Hofstetter (CSU), "und wir hatten fast schon resigniert." Nun endlich klappt es doch: Das Klinikum Erding hat ein so genannte Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) gegründet und wird Räume im derzeit in Bau befindlichen neuen Gebäude der Sparkasse in der Taufkirchener Ortsmitte mieten, um dort eine Praxis zu betreiben. Beim Klinikum Erding angestellte Fachärzte werden abwechselnd in dieser Praxis arbeiten. Welche Fachrichtungen angeboten werden, steht noch nicht fest. Es gibt jedoch klare Wünsche in Taufkirchen: Orthopädie und Gynäkologie wären ideal, sagt Bürgermeister Hofstetter.

Mit der Gründung eines eigenen MVZ, das am 2. März im Handelsregister eingetragen worden ist, betritt das Klinikum Erding Neuland. Bislang galt im deutschen Gesundheitssystem eine strikte Aufgabenverteilung: Krankenhäuser haben den Auftrag, sich um die stationäre Behandlung von Patienten zu kümmern. Die ambulante Versorgung liegt hingegen grundsätzlich in den Händen selbständiger, niedergelassener Ärzte. Erst seit einer Gesetzesänderung ist es auch Kliniken erlaubt, ebenfalls auf dem Gebiet der ambulanten medizinischen Versorgung tätig zu werden.

Dass diese Möglichkeit im Landkreis genutzt werden soll, hat zwei Gründe, erklärt Klinikchef Sándor Mohácsi. Zum einen könne man auf diese Weise einer Gemeinde helfen, im Ort die medizinischen Angebote zu verbessern: "Wir reißen uns nicht darum, aber wo wir gebeten werden, wo Bedarf ist und es andere nicht tun wollen, können wir helfen." Als Kommunalunternehmen, das zu hundert Prozent dem Landkreis gehört, sei man auch den einzelnen Kommunen verpflichtet.

Zum anderen sollen auch am Klinikum Erding Praxisräume eingerichtet werden. Nicht etwa, um die fachärztliche Versorgung in der Stadt zu verbessern. Es gibt genügend niedergelassene Mediziner aller Arten. In die eigenen Praxis am Erdinger Krankenhaus sollen aber die nicht wenigen Notaufnahme-Fehlläufer umgeleitet werden: Patienten, die statt zum Hausarzt zu gehen oder zum ärztlichen Bereitschaftsdienst der niedergelassenen Ärzte, mit relativ leichten Beschwerden in die rund um die Uhr geöffnete Notaufnahme kommen. Deren Behandlung sei eine für das Krankenhaus teure Angelegenheit, klagt Mohácsi schon seit Jahren. Dem finanziell eh angeschlagenen Klinikum Erding entstünden durch diese Patienten jedes Jahr wirtschaftliche Verluste in sechsstelliger Höhe entstünden.

Klinikchef wird Geschäftsführer

Nach längerer Vorarbeit ist nun als Voraussetzung für die Praxis-Pläne in Taufkirchen und am Klinikum Erding ein MVZ als gemeinnützige GmbH gegründet worden. Gesellschafter ist zu hundert Prozent das Kommunalunternehmen Klinikum Erding, Geschäftsführer sind Klinikchef Mohácsi und sein Stellvertreter Dirk Last. Die GmbH muss allerdings noch mit Leben erfüllt werden. Dazu sollen von niedergelassenen Fachärzten aus dem Landkreis, die ihre Praxis aufgeben wollen, zwei Kassensitze gekauft werden, erklärt Mohácsi. Er habe bereits etwa ein Dutzend Angebote vorliegen, aus denen man aussuchen könne. Bei welchen Fachrichtungen er zuschlagen wird, sei noch nicht entschieden. Es eilt aber auch deshalb nicht, weil das neue Gebäude der Kreis- und Stadtsparkasse Erding-Dorfen in der Ortsmitte von Taufkirchen erst im Sommer 2017 bezugsfertig sein wird. In dem Haus wird auch eine Apotheke und ein Allgemeinmediziner mit seiner Praxis einziehen.

Im Gegensatz zu anderen Kommunen werde die geplante Praxis des Klinikums in Taufkirchen auch von den örtlichen niedergelassenen Ärzte begrüßt, sagt Bürgermeister Hofstetter. Das sei "eher außergewöhnlich". In Erding seien die Pläne "sehr kontrovers diskutiert worden." In Taufkirchen sei die Lage jedoch ganz anders. In der 10 000 Einwohner-Gemeinde gibt es bislang fünf Allgemeinmediziner und nur zwei Fachärzte: Eine Neurologin und Psychiaterin sowie einen Kinder- und Jugendarzt. Die Taufkirchener Ärzte seien nicht einmal dagegen, wenn die Klinik-Praxis später auch Allgemeinmedizin anbieten würde, sagt Hofstetter, da mehrere Hausärzte in einigen Jahren in Ruhestand gehen werden. "Mir ist ganz wichtig, dass es zu keiner Konkurrenzsituation kommt", beteuert Hofstetter, auch nicht zur Klinik Dorfen und den Ärzten in der Nachbarkommune. Möglicherweise wird das Konzept in Taufkirchen zum Modell auch für andere Kommunen. "Ich wünschen mir, dass es bei uns und auch anderswo funktioniert", sagt Hofstetter.

© SZ vom 24.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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