Erding:Psychotherapie statt Gefängnis

Lesezeit: 2 min

Versuchter Kreditbetrug: 21-Jähriger muss hinter Gitter, wenn er sich nicht in Behandlung begibt. Er sagt: `Ich will mich ändern.`

Florian Tempel

ErdingEr war jung und brauchte das Geld eigentlich nicht, wenigstens nicht so dringend. Dennoch ging der 21-jährige Moosinninger im August vergangenen Jahres zu einer Bank und versuchte, mit einer gefälschten Arbeitsbestätigung 5000 Euro Kredit zu bekommen. Das selbst verfasste, nur wenige Zeilen umfassende Papier strotzte vor Rechtschreibfehlern, was einen Bankangestellten stutzig machte. Nun verurteilte das Amtsgericht Erding den jungen Mann wegen versuchten Betrugs sowie vollendeter Urkundenfälschung und unter Einbeziehung eines älteren Urteils zu 14 Monaten Jugendgefängnis. Einen Knastaufenthalt kann er jedoch vermeiden, wenn er sich binnen drei Monaten in eine stationäre Psychotherapie begibt. Diesen Weg will der Verurteilte auch selbst gehen: "Ich will mich ändern und endlich wissen, warum ich so bin, wie ich bin."

Der Moosinniger muss ins Jugendgefängnis - aber noch gibt es einen Ausweg. (Foto: dpa)

Sowohl am versuchten Kreditbetrug als auch an der Person des Angeklagten war so einiges sonderbar. Der 21-Jährige verdiente etwa 1100 Euro netto und hatte nur vergleichsweise geringe feste Ausgaben, weil er noch bei seinen Eltern zu Hause wohnte. Da er sich nach einem Verkehrsunfall ein neues Auto gekauft hatte, hatte er 2800 Euro Schulden. Mit einem Darlehen über 5000 Euro wollte er diese Schulden tilgen und mit dem Rest den Auszug aus dem elterlichen Heim finanzieren. So weit war das ja noch nachvollziehbar.

Und mit dem Kredit wäre auch alles klar gegangen, wenn nicht gerade in jenem Monat sein befristeter Arbeitsvertrag abgelaufen wäre und die Bank deshalb verständlicherweise einen neuen Arbeitsvertrag sehen wollte. Er hätte seinen Chef bitten können, den Anschlussvertrag schneller auszustellen oder er hätte ein paar Tage warten können, und alles wäre in Ordnung gewesen. Doch der Angeklagte setzte sich lieber daheim an seinen Computer und schrieb sich selbst eine Job-Bestätigung. Es war ein so dilettantisches Schreiben, dass es sofort als Fälschung aufflog.

Das alles tat er, nachdem er keine zwei Monate zuvor bereits zum fünften Mal in seinem Leben vor Gericht gestanden war. In seinem letzten Prozess war es darum gegangen, dass er mit einem Freund aus Silvesterraketen-Schwarzpulver nur so zum Spaß einen Sprengsatz gebastelt hatte. Doch nicht nur die kaum acht Wochen alte Verurteilung beeindruckte ihn offenbar überhaupt nicht. Als er zum Fälscher und Betrüger wurde, hatte er auch schon die Ladung zum nächsten Prozess erhalten, in dem er dann wegen gemeinschaftlichen Drogenhandels mit aus Holland importieren Marihuana, Speed und Ecstasy verurteilt wurde.

Eine so auffällige "Vielzahl von Straftaten" machte nicht nur den Erdinger Jugendrichter Michael Lefkaditis nachdenklich. Auch die Vertreterin der Jugendgerichtshilfe und die Bewährungshelferin, die der Angeklagte seit seiner letzten Verurteilung hat, wunderten sich über sein arg notorisches Verhalten. Denn in einem Punkt ist der junge Mann ganz gewissenhaft und ordentlich: er ging und geht stets fleißig arbeiten. Die als Bewährungsauflagen verhängten Sozialstunden und Beratungsgespräche kümmerten ihn allerdings gar nicht.

Die Bewährungshelferin kam schließlich zu dem Schluss, der Angeklagte brauche offensichtlich professionelle Hilfe von einem Psychotherapeuten. Das sah auch das Gericht so. Auch wenn nicht klar sei, welcher Art die Therapie sein soll, räumte Richter Lefkaditis ein, sei der Bedarf unübersehbar. Eine Therapie sei zudem für ihn "die allerletzte Chance", dem Gefängnis zu entgehen.

© SZ vom 29.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: