Mit 19 Vorstrafen vor dem Amtsrichter:Gewerbsmäßiger Betrug in 16 Fällen

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Schöffengericht Erding verurteilt 63-Jährigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. "In wirtschaftlichen Dingen ist er total überfordert gewesen", sagt sein Verteidiger. Richter Schindler stimmt dem zu

Von Gerhard Wilhelm, Erding

An potenziellen und richtigen Aufträgen hatte es dem Angeklagten in den vergangenen Jahren nicht gemangelt. Sogar eine Turnhallenausschreibung der Stadt Erding habe er gewonnen, sagte seine frühere Sekretärin vor Gericht. Doch Geld sei so gut wie nie in die Kasse geflossen, denn die Arbeiten seien oft so schlampig oder verspätet ausgeführt worden, dass Auftraggeber in Regress gegangen seien. Und weil er kein Geld hatte, beging der 63-Jährige in 16 Fällen gewerbsmäßigen Betrug. Vom Nichtbezahlen von Möbeln, Büromieten und Löhnen bis hin zum In-Auftrag-Geben von Arbeitsaufträgen. Die Gesamtschadenssumme betrug nach drei Jahren rund 37 000 Euro. Da er erst vor einem Jahr am Amtsgericht München in 37 Betrugsfällen verurteilt worden war, wurde er jetzt am Amtsgericht Erding zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Selbst Richter Björn Schindler wollte dem Angeklagten keinen bedingten Vorsatz bei seinen Taten unterstellen. "In geschäftlichen Dingen sind Sie wohl immer ein bisschen unbedarft gewesen", sagte Schindler in der Urteilsbegründung. Betrugsfälle ziehen sich aber fast durch das gesamte Leben des heute 63-Jährigen. 19 Einträge weist das Bundeszentralstrafregister für ihn aus, beginnend 1972 mit Fahren ohne Führerschein und ohne Versicherung. Wegen Betrugs stand der Angeklagte erstmals 1987 vor Gericht. Von da an stand er regelmäßig deshalb vor Gericht. Aber auch wegen Veruntreuung von Löhnen, Vortäuschen einer Straftat sowie vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und Bankrott 2018 am Amtsgericht München, das ihn zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilte - auf Bewährung. Wieder einmal. In Haft war er noch nie bis dahin, alle fünf Bewährungsstrafen musste er nicht antreten. Im Februar 2019 war dann Ende. Das Amtsgericht Kempten verurteilte ihn wieder einmal wegen Betrugs, diesmal zu fünf Monaten Haft. Die Strafe hat er mittlerweile abgesessen, nur um seit 25. Juli in U-Haft zu sein. Und auch die Bewährung vom Münchner Amtsgericht wurde aufgehoben. Sein Verteidiger meinte, dass er vielleicht nicht in den "Strudel" reingekommen wäre, wenn er vor fünf bis zehn Jahren schon einmal eine Haftstrafe absitzen hätte müssen.

Die Betrugsserie, wegen der der 63-Jährige vor Gericht stand, begann im März 2016 mit dem Kauf von Möbeln, die er nicht bezahlen konnte. Es folgen Aufträge an Bauarbeiter, die ausgeführt, aber nicht bezahlt wurden. Bei einem Maschinenverleih blieb er die Gerätemiete schuldig, bei einem Autohaus in Erding die Reparaturkosten, in Erding sahen die Vermieter von Büroräumen in zwei Fällen nie Geld. Dem Entsorgungsbetrieb Wurzer blieb er ebenfalls Geld schuldig wie zwei Frauen deren Lohn als Bürokraft.

Letzteres vor allem legt ihm die Staatsanwaltschaft zur Last. Eine der Frauen hatte vor Gericht ausgesagt, in welche finanzielle Bredouille sie dadurch gekommen sei. Zuerst sei sie froh gewesen, dass der Nachmieter des Büros sie übernommen habe, aber nachdem ihr kein Lohn gezahlt worden sei, sei sie schnell in finanzielle Not geraten. Und einfach kündigen sei nicht gegangen. "Bei der Arbeitsagentur wurde mir gesagt, ich müsse drei Monate durchhalten, sonst würde ich gesperrt werden", sagte sie. Nur dank des Geldes von ihren Kindern und des Freundes sei sie über die Runden gekommen. "Es war die Hölle für mich." Würden Firmen unter dem Betrug des Angeklagten leiden, wäre das nicht so schlimm, als wenn eine Privatperson, die pflichtbewusst gearbeitet habe, darunter leide.

Während der Staatsanwalt auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren plädierte, sprach sich der Verteidiger des 63-Jährigen für zwei Jahre und neun Monate aus. Er sei stets ein "brauchbarer Arbeiter" gewesen, der nie der Gesellschaft auf der Tasche liegen haben wollen. "In wirtschaftlichen Dingen ist er aber total überfordert gewesen." Er habe ein Fass nach dem anderen aufgemacht und dann nichts mehr in den Griff bekommen.

Das Schöffengericht unter Richter Schindler folgte in seinem Urteil mehr dem Staatsanwalt. Eine Bewährungsstrafe sei nie zur Debatte gestanden, und alle bisherigen Bewährungen seien offenbar keine ausreichende Warnungen gewesen. Und auch den Betrug an Privatpersonen wertete das Gericht hoch.

Bis der Wunsch des 63-Jährigen in Erfüllung gehen kann, muss er bis 2022 wohl warten: "Es wäre schön, dann noch ein paar Jahre zum Leben draußen zu haben."

© SZ vom 05.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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