Erding: Prozess:Den besten Freund schamlos ausgenutzt

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Ein 43-jähriger Gelegenheitsarbeiter klaut seinem besten Freund 41.500 Euro - und setzt sich damit ab. Nun wurde er verurteilt.

Florian Tempel

"Er ist mein bester Freund, er hat mich immer unterstützt und mehr für mich getan als mein eigener Bruder." Um so schändlicher war es da, dass der 43 Jahre alte Angeklagte seinem eineinhalb Jahre älteren Kumpel, dem er seit Kindertagen verbunden war, Ende April 41.500 Euro Bargeld gestohlen hat.

Der Dieb erhielt als Strafe vom Amtsgericht Erding nun zwei Jahre Gefängnis, die nur unter der Auflage, den Schaden durch den Verkauf einer Eigentumswohnung binnen eines Jahres wieder gut zumachen, zur Bewährung ausgesetzt wurde.

Der seit Jahren nur sporadisch berufstätige Angeklagte war im September 2009 wieder einmal arbeitslos geworden. Im Frühjahr 2010 stand er völlig blank da. Sogar die Hartz IV-Zahlungen waren ihm gestrichen worden. Im April zog sein Freund, nachdem dieser sich von seiner Ehefrau getrennt hatte, beim Angeklagten in dessen Ein-Zimmer-Appartement ein. Er beglich die offenen Miet- und Stromzahlungen und bezahlte fortan den Lebensunterhalt für beide.

Er war nur mit kleinem Gepäck eingezogen und hatte sein Auto mitgebracht. In dessen Handschuhfach lagerte ein Briefkuvert mit 41.500 Euro Bargeld. Es waren seine Ersparnisse sowie der Gewinn aus dem Verkauf einer Wohnung und für ein neues Auto bestimmt. Der Freund wähnte das viele Geld in seinem Wagen sicherer, als wenn er es in die Wohnung mitgenommen hätte. Der Angeklagte habe ihn schließlich dauernd um Geld angehauen.

"Lügen, dass sich die Balken biegen"

Dann aber überließ er ihm unvorsichtigerweise mal das Auto. "Dass er mein Auto durchsucht und das Geld findet, damit habe ich ja nicht gerechnet." Aber genau das passierte. Der Angeklagte nahm das viele Geld an sich. Nachdem er sich schnell noch bei seinen beiden Töchtern, die bei seiner geschiedenen Frau leben, verabschiedete, brachte er das Auto zur Arbeitsstelle seines von ihm beklauten Freundes, gab die Autoschlüssel an der Pforte ab und nahm sich ein Taxi zum Flughafen. Wenige Stunden später war er in der Türkei.

Bei der Erklärung, was er mit dem vielen Geld gemacht hatte, trug der Angeklagte dick auf. Zum einen erzählt er die klassische Geschichte vom schwer kranken Vater, für dessen dringend notwendige Behandlung er 12.000 Euro bezahlen musste. Zum anderen berichtete er einen zweiten ebenso beliebten Klassiker: Ein früherer Geschäftspartner, mit dem er einmal einen Handyladen in der Türkei betrieben habe, hätte einem Wucherer noch 20.000 Euro geschuldet. Da sein ehemaliger Geschäftspartner untergetaucht sei, habe der Geldverleiher sich an ihn gehalten. Er habe gedroht, seinen beiden Töchtern etwas Böses anzutun. Aus Angst habe er da eben die 20.000 Euro Schulden beglichen.

Richter Wolfgang Grimm wertete das als "Lügen, dass sich die Balken biegen". So nahm er dem Angeklagten auch nur "unter größten Zweifeln" ab, dass er tatsächlich in Istanbul eine Wohnung im Wert von 60.000 Euro besitze. Andererseits schien darin die einzige Chance zu bestehen, dass der Beklaute sein Geld zurückbekommt. Richter Grimm ließ den Angeklagten zu Protokoll diktieren, der von ihm Bestohlene dürfe "unbefristet und unwiderruflich" den Verkauf der Wohnung betreiben, um an sein Geld zu kommen.

Binnen drei Wochen muss der Angeklagte erst einmal einen Grundbucheintrag für die Wohnung vorlegen, sonst droht der sofortige Bewährungswiderruf.

© SZ vom 03.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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