Erding:Pornografie verbreitet

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Er hat einen Automat mit Sex-Gag-Artikeln aufgestellt. Dummerweise ist der zugänglich für Kinder - deshalb musste sich ein Geschäftsmann nun vor Gericht verantworten.

Florian Tempel

War es nun Pornografie und ihre "Verbreitung" - nach Paragraf 184 des deutschen Strafgesetzbuchs strafbar -, weil die kleinen Heftchen mit Fotos nackter Frauen aus einem Sex-Gag-Automaten im Vereinsheims des Hörlkofener SV auch für Kinder zugänglich waren? Die Frage blieb unbeantwortet. Der hochinteressante Fall am Amtsgericht Erding wurde zwar mit einer Einstellung, aber leider ohne wirkliche Festlegung beendet. Der Angeklagte, ein 57 Jahre alter Unternehmer aus Piding, der seit 25 Jahren "in Zusammenarbeit mit Beate Uhse" Sex-Gag-Automaten aufstellt und befüllt, muss allerdings eine kleine Geldbuße von 300 Euro an das Kinderhilfswerk Terres des Hommes zahlen.

Der Fall war so ins Rollen gekommen: Vor einigen Monaten fuhr ein Polizeibeamter mit der S-Bahn nach München zum Dienst. Einige Sitze weiter saßen zwei Buben, etwa elf bis zwölf Jahre alt. "Es war nicht zu überhören", sagte der Polizist im Zeugenstand, "die beiden sahen sich auf einem Handy einen Pornofilm an." Der Polizeibeamte griff ein, stellte die Buben zur Rede und das Mobiltelefon sicher. Bei der Auswertung des Handys fanden sich neben Pornofilmsequenzen, deren Ursprung unklar blieb, abfotografierte Fotos nackter Frauen. Die Buben sagten, dass sie die Vorlagen aus dem Sex-Gag-Automaten im Hörlkofener Vereinsheim hätten.

Der Automat hängt dort bei den Toiletten an der Wand. Wer zwei Euro einwirft, kann sich eine Plastikkugel herausdrehen. Was drin ist, weiß man vorher nicht. Vielleicht ein Scherzartikel, wie ein Kondom in Übergröße oder ein speziell geformter Schlüsselanhänger, oder eben ein sehr kleines Bilder-Heftchen, etwa drei mal drei Zentimeter groß, mit nackten Tatsachen. "Seien Sie mir nicht böse", sagte der Verteidiger im Prozess am Erdinger Amtgericht, "aber das ist wirklich keine Pornografie". Es lasse sich zwar "über Geschmack streiten - das ist was anderes", aber Nackte gebe es "in jeder TV-Zeitschrift" oder auch zur besten Abendprogrammzeit im Fernsehen zu sehen.

Der Verteidiger, der Staatsanwalt und der Richter betrachteten gemeinsam am Richtertisch die Aufnahmen und besprachen deren richtige rechtliche Einstufung. Die nackten Frauen seien in Gänze fotografiert, was gegen Pornografie spräche, dozierte der Verteidiger, sie seien zudem nicht "entwürdigend" dargestellt und nicht "bei Handlungen". Der Staatsanwalt fand jedoch ein Foto, auf dem "das weibliche Geschlecht zu sehen ist", was seiner Ansicht nach "schon für Pornografie spräche".

Richter Aksel Kramer verwies wiederum auf ein wegweisendes Urteil des Kammergerichts Berlin. Im Februar 2008 hatten die dortigen Richter über einen Kalender zu entscheiden, der auf jedem Monatsblatt das Bild eines Mannes mit erigiertem Penis zeigte. Die Darstellung des Geschlechtsteils alleine mache noch keine Pornografie aus, entschieden die Berliner. Die Beurteilung was Pornografie ist und was nicht, ändere sich offenbar, wie dieses Urteil zeige, mit der Zeit, sagte Kramer. Der Staatsanwalt sagte schließlich, dass er in Sachen Pornografie "zu wenig Ahnung habe - vom Rechtlichen her gesehen" und versuchte, sich bei erfahrenen Kollegen telefonisch Rat zu holen.

Doch die Sachbearbeiterin des Falles war im Urlaub und die Nachfrage des Staatsanwalts am Telefon, "wer macht denn sonst noch Porno bei uns", ergab, dass auch alle anderen Experten der Staatsanwaltschaft gerade nicht erreichbar waren. "Dann entscheide ich eben selber", beschloss der Staatsanwalt. Sein Vorschlag, gegen eine kleine Geldbuße zu Gunsten eines guten Zwecks die Sache zu den Akten zu legen, nahm der Automaten-Aufsteller zögerlich an.

© SZ vom 23.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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