Die Projektbeschreibung der geplanten Nordumfahrung Erding nennt ein wesentliches Ziel: Mit der etwa 9,5 Kilometer langen Ost-West-Verbindung zwischen der Bundesstraße 388 und der Flughafentangente-Ost "soll eine leistungsfähige straßenseitige Verkehrsanbindung des östlichen Landkreises Erding an den Flughafen München geschaffen werden". Flapsiger und knapper ausgedrückt heißt das, man soll über die Nordumfahrung schneller mit dem Auto zum Flieger kommen - das hört sich so gar nicht nach zeitgemäßer Verkehrspolitik an. Aber woher denn auch. Das Projekt ist schon ziemlich alt, Jahr um Jahr vergeht.
Die Nordumfahrung Erding wird von großen Teilen der Kreispolitik und der Erdinger Kommunalpolitik seit Jahrzehnten gefordert. Da eine Realisierung durch den Staat jedoch nicht ansatzweise absehbar war, hatte der damalige Landrat Xaver Bauer (CSU) 1999 die Idee, der Landkreis könnte die Nordumfahrung als Kreisstraße selbst planen und bauen lassen. Eine Kreisstraße könnte wesentlich schneller verwirklicht werden, glaubte Bauer, der Ende April im 84. Lebensjahr verstarb.
Der jetzige Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) griff Bauers Idee auf, entwickelte sie weiter und brachte den Planungsprozess in Gang, der allerdings so langsam vorankommt, dass manch einer allein deshalb nicht mehr glauben mag, dass das noch etwas wird. Nach mehreren Jahren Vorarbeit startete 2014 das Planfeststellungsverfahren. Neun Jahre sind seitdem vergangen und das Genehmigungsverfahren ist noch immer nicht abgeschlossen. Freilich liegt es auch daran, dass bei den zuerst eingereichten Plänen noch einmal nachgebessert werden musste. 2021 legte das Staatliche Bauamt Freising, das die Planung im Auftrag des Landkreises Erding bearbeitet, eine sogenannte erste Tektur nach.
Die Regierung wartet auf die Stellungnahmen zu den Einwendungen
Die Regierung von Oberbayern schreibt auf Anfrage, dass man noch auf die Stellungnahmen zu den zahlreichen Einwendungen gegen die Nordumfahrung warte. "Wir gehen davon aus, dass diese in nächster Zeit bei der Regierung von Oberbayern eingehen werden." Christian Mattmann, Bereichsleiter Straßenbau beim Staatlichen Bauamt Freising, bestätigt das. Man sei bereits in der Abstimmung mit dem Landkreis. Bis Ende Juni will man damit durch sein und die Stellungnahmen an die Regierung schicken. Danach kann es einen sogenannten Erörterungstermin geben. Wie es dann weitergeht, dazu will die Regierung von Oberbayern aber lieber nichts sagen: "Sowohl die Stellungnahmen als auch der Erörterungstermin sind wichtige Elemente der Entscheidung über den Antrag auf Planfeststellung, so dass über den weiteren Fortgang zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Prognose möglich ist."
Tatsächlich müssen beim Projekt Nordumfahrung Erding auch Aspekte untersucht werden, die nichts mit jahrzehntealter Verkehrspolitik zu tun haben und gewissermaßen erst durch die Langsamkeit des Genehmigungsprozesses nun zum Tragen kommen. Es geht um "die Berücksichtigung der Auswirkungen auf das globale Klima", sagt Christian Mattmann. In einem Gutachten muss geklärt werden, wie viel klimaschädliches Kohlendioxid beim Bau der Nordumfahrung anfallen würde, durch die Baustoffe und die Baumaschinen. "Das ist ein neues Thema", erklärt er, "und es ist in diesem Maß das erste Mal, dass wir das bei einem unserer Projekte überhaupt machen".
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Die Grundlagen für das Gutachten zu den Klimaauswirkungen sind das Ende 2019 eingeführte und im August 2021 novellierte Bundesklimaschutzgesetz sowie das bayerische Klimaschutzgesetz in seiner überarbeiteten Form, die zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft getreten ist. Die Richtlinien, Rundschreiben und Handlungsanweisungen aus den Berliner und Münchner Bau- und Verkehrsministerien dazu sind noch ziemlich frisch.
Ob und inwiefern die Berücksichtigung der Klimaauswirkungen bei der Genehmigung der Nordumfahrung Erding eine Rolle spielen wird, bleibt vorerst abzuwarten. Dass sich die Zeiten geändert haben, zeigt sich jedoch auch in anderen Bereichen.
Das erste Verkehrsgutachten, das im Planfeststellungsverfahren eingereicht wurde, wurde längst überarbeitet. Die Prognosen der Verkehrsentwicklung auf den Zubringerstraßen aus dem östlichen Landkreis haben sich nicht bewahrheitet. Die vorausgesagte Zunahme zum Beispiel auf der B 388, auf der Staatstraße zwischen Dorfen und Erding oder auch auf kleineren Straßen wie etwa durch Bockhorn, ist bislang nicht Realität geworden. Laut der offiziellen Straßenverkehrszählung aus dem Jahr 2021 gibt es etwa gleich viel oder sogar weniger Verkehr als im Jahr 2009, als die erste Verkehrsanalyse für die Nordumfahrung gemacht wurde.
Der neue Stadtteil wird zusätzlichen Verkehr bringen
Das 2021 überarbeitete Verkehrsgutachten hat allerdings neue Prognosen zu neuen Verkehrsaufkommen aufgenommen, die vorher nicht berücksichtigt wurden. Das aktuellere Gutachten berücksichtigt, dass der Fliegerhorst Erding zu einem neuen Stadtteil Erdings wird. Das bringt eine ganze Menge Verkehr mit sich. Denn dass der Stadtteil weitgehend autofrei konzipiert werden soll und am neuen Bahnhof liegen wird, heißt keineswegs, dass die Bewohner dort keine Autos haben dürften.
Für OB Max Gotz (CSU) ist ganz klar, dass man die Nordumfahrung vor allem wegen des neuen Fliegerhorst-Stadtteils braucht, der viel Verkehr in die Stadt bringen wird. Der Durchgangsverkehr soll deswegen um die Stadt herumgeführt werden. Die Funktion der Nordumfahrung als Zubringer zum Flughafen rückt so einen Schritt in den Hintergrund. Auch Christian Mattmann unterstreicht das und ist der Ansicht, dass "die künftige Entwicklung ohne die ED 99 kaum denkbar ist".
Ein anderer Aspekt, der sich erheblich verändert hat, sind die Kosten und die Finanzierung. Der Ansatz von 63,5 Millionen Euro, der auf der Internetseite des Staatlichen Bauamts genannt wird, stammt aus dem Jahr 2019 und ist wohl schon wieder reichlich veraltet. Beim Spatenstich zur B-388-Ortsumgehung von Taufkirchen wurden als Kosten für 5,5 Kilometer 52,5 Millionen Euro genannt. Die Kosten einer Nordumfahrung von Erding würden deshalb aktuell wohl zwischen 90 und 100 Millionen Euro betragen.
Der Landkreis Erding hat beschlossen, dass er selbst keinen Cent für die Straße ausgeben werde. Die Große Kreisstadt muss zahlen, zumindest den Teil, der nicht über Zuschüsse vom Staat übernommen wird. Die schriftliche Zusage, dass man mit der "bestmöglichen Förderung durch den Freistaat Bayern" rechnen dürfe, stammt jedoch auch aus vergangenen Tagen - aus dem Jahr 2006 und vom damaligen Innenminister Günther Beckstein (CSU).