Gesundheitspolitik:Dringend notwendige Reform

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Allein das Klinikum Erding wird in diesem Jahr voraussichtlich 15,9 Millionen Euro Zuschussbedarf haben. (Foto: Renate Schmidt)

Die Verantwortlichen des Klinikums Erding sehen die Pläne für eine Änderung der Krankenhausfinanzierung grundsätzlich positiv. Das Kreiskrankenhaus und seine kleine Filiale in Dorfen gehört seit Jahren zu den Verlieren des aktuellen Systems. Zuletzt hat sich die wirtschaftliche Lage noch einmal gravierend verschlechtert.

Von Florian Tempel, Erding

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hat in der vergangenen Woche seine Pläne für eine Krankenhausreform vorgestellt. Wie unzureichend das aktuelle System der Finanzierung über sogenannte Fallpauschalen ist, zeigt sich am Klinikum des Landkreis, mit seinem Haupthaus in Erding und der kleinen Klinik Dorfen, in exemplarischer Weise. Das Klinikum Erding gehört seit vielen Jahren zu den Verlieren des aktuellen Systems. Klinikdirektor Dirk Last hält eine Reform für grundsätzlich notwendig: "Der Plan einer Reformierung der Krankenhausfinanzierung sollte unbedingt angegangen werden." Auch Landrat Martin Bayerstofer (CSU) sieht die Reformpläne prinzipiell positiv, bleibt aber auch kritisch und skeptisch: "Die Reformkommission sieht eine reine Umverteilung innerhalb des bereits jetzt unterfinanzierten Systems vor. Es besteht zu befürchten, dass mehr Finanzmittel an die Maximalversorger und Unikliniken fließen sollen und dadurch sogar in der Summe weniger Mittel für die große Mehrheit der Kliniken zur Verfügung stehen könnten."

Der Landkreis muss seit 2012 jedes Jahr Millionenbeträge als Defizitausgleich für sein Klinikum bezahlen

Am Klinikum Erding wurde zuletzt im Jahr 2009 ein finanzielles Plus erwirtschaftet. Nachdem die Rücklagen 2011 aufgebraucht waren, musste der Landkreis einspringen und fortan die jährlichen Verluste seines Klinikums mit Steuergeld ausgleichen. In den zehn Jahren von 2012 bis 2021 haben sich diese Ausgleichszahlungen auf etwa 37 Millionen Euro summiert. Das ist eh schon viel Geld. Doch aktuell hat sich die Lage noch einmal gravierend verschärft. Für dieses Jahr wird ein Defizit von mehr als 14 Millionen Euro erwartet. Und Besserung ist nicht in Sicht. "Der Wirtschaftsplan 2023 sieht einen Deckungsausgleich von 15,89 Millionen Euro vor", heißt es in einer nur zwei Wochen alten Pressemitteilung aus dem Landratsamt. Der Zusatz "vor Sondereffekten" bedeutet vor allem, dass es auch noch mehr sein kann.

Das Klinikum Erding ist nur eines von vielen Krankenhäusern in Deutschland, das durch das bisher geltende Finanzierungssystem nicht auskömmlich wirtschaften kann. Im Kreistag hatte man sich notgedrungen längst damit abgefunden. Vor ziemlich genau einem Jahr hieß es in einer Pressemitteilung, dass "unter den aktuell bestehenden gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen im Allgemeinen", sowie aufgrund der "Situation als kommunales Haus mit einem Versorgungsauftrag zur ambulanten Notfallversorgung der Landkreisbevölkerung im Besonderen" ein ausgeglichenes Jahresergebnis derzeit nicht realistisch sei.

Klinikdirektor Dirk Last findet die Abkehr von den Fallpauschalen richtig und notwendig

Lauterbachs Reformpläne setzen genau an diesen Punkten an. Die Kliniken sollen künftig den Teil ihrer Ausgaben erstattet bekommen, den sie für die Daseinsvorsorge der Menschen aufwenden. Diese sogenannten Vorhaltekosten fallen typischerweise durch den Betrieb der Notaufnahme und einer Geburtshilfeabteilung an. Klinikdirektor Dirk Last findet die Abkehr von den Fallpauschalen richtig und notwendig: "Dass zukünftig die Vorhaltekosten zum Teil erstattet werden sollen, ist sehr zu begrüßen." Auch der Ärztliche Direktor Jörg Theisen findet es "sehr wichtig, da sowohl die Notaufnahme als auch die Geburtshilfe erstens zur Daseinsvorsorge gehören und bislang unterfinanziert sind".

Als vor fünf Jahren die Geburtshilfe in Erding für mehrere Monate schließen musste, war das für viele ein Schock. Klinikdirektor Last weist zwar darauf hin, dass "die Probleme in 2017 auf einen Hebammenmangel zurückzuführen" waren. "Ungeachtet dessen ist die Erdinger Geburtshilfe mit seinen knapp 700 Geburten durch das bestehende Fallpauschalensystem deutlich unterfinanziert." Theisen ist sich sicher, dass "unsere Geburtshilfe deutlich von einer Vorhaltepauschale profitieren würde". Er spricht aber noch einen zweiten Punkt an, der "ebenso wichtig wäre": "Unser schon langjährig auch öffentlich geäußerter Wunsch einer Kinderklinik."

Erding will sich langfristig zu einem Krankenhaus mit regionaler, nicht nur lokaler Bedeutung entwickeln

Hier kommt der zweite zentrale Aspekt von Lauterbachs Reformplänen ins Spiel. Denn zukünftig soll es drei Arten von Kliniken in Deutschland geben: lokale Krankenhäuser zur Grundversorgung, regionale Krankenhäuser sowie spezialisierte Häuser von überregionaler Bedeutung wie die Universitätskliniken. Wo sieht sich Erding langfristig? Definitiv bei den Kliniken mit regionaler Bedeutung, sagt Klinikdirektor Last. Der Weg dorthin ist allerdings nur mit massiven Investitionen zu schaffen, um "gewisse Strukturvoraussetzungen zu erfüllen". Das heißt, es bräuchte in Erding neue Abteilungen, zum Beispiel eben die Kinderheilkunde und noch eine eigenständige Neurologie-Abteilung. "Dies wird sicherlich eine Herausforderung sein", sagt Last. Theisen verweist darauf, dass Erding schon auf dem richtigen Weg sei: "Erding verfügt schon über einzelne Zertifizierungen, wird dies aber noch weiter ausbauen, insbesondere in Bezug auf die Behandlung onkologischer Erkrankungen."

Landrat Bayerstorfer erkennt die Gefahr, dass Erding als lokales Krankenhaus dauerhaft klein gehalten, womöglich sogar um bestehende Spezialangebote gestutzt werden könnte: "Das ist inakzeptabel, die Entscheidungshoheit muss auf jeden Fall in unserer Hand bleiben. Denn wir sind hier vor Ort für die medizinische Versorgung der Bevölkerung verantwortlich und leisten mit dem Klinikum Landkreis Erding ein breites Spektrum an hochqualitativer Spitzenmedizin. Daran darf sich nichts ändern."

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