Jagd und Forsten:Wachsam und gespannt

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Es gibt erstaunlich viele Rehe im Landkreis Erding, auch wenn der Waldanteil an der Gesamtfläche eher gering ist. (Foto: Patrick Pleul/dpa)

Bei den Waldbesitzern und den Jägern im Landkreis Erding wird mit großem Interesse verfolgt, ob und was der neue Jagdminister Aiwanger ändern wird. Rainer Mehringer, Chef der Waldbesitzervereinigung, fordert ein Bekenntnis für "Wald vor Wild". Thomas Schreder, Chef des Kreisjagdverbands, ist gespannt, wie die verschiedenen Interessen künftig austariert werden.

Von Florian Tempel, Erding

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) ist seit Neuestem auch für die staatlichen Wälder und die Jagd in Bayern zuständig. Beide Bereiche waren seit eh und je beim Landwirtschaftsministerium angesiedelt. Dass Aiwanger, der selbst Jäger, Waldbesitzer und Landwirt in einer Person ist, die Staatsforsten und die Jägerei unbedingt unter seine Verantwortung bringen wollte, wird von vielen mit großem Interesse wahrgenommen. Wird er womöglich durch eine jägerfreundliche Politik den angesichts des Klimawandels notwendigen Waldumbau negativ beeinflussen? Oder bringt er Fachkompetenz an höchster Stelle ein?

Rainer Mehringer, Vorsitzender der Waldbesitzervereinigung Erding und in vielen Funktionen für die Freien Wähler in der Kommunalpolitik aktiv, will "wachsam" bleiben. Auch wenn Aiwanger der Vorsitzende seiner Partei ist, hat er eine Forderung an ihn, bei der etwas Misstrauen mitschwingt: "Ich verlange von ihm ein klares Bekenntnis, dass Wald vor Wild geht. Ich bitte ihn, zu den Gesetzen dieses Landes zu stehen."

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Thomas Schreder, Vorsitzender des Kreisjagdverbands und Erdinger CSU-Stadt- und Kreisrat, stellt keine Anforderungen an Aiwanger, macht aber deutlich, dass er aus Sicht der Jäger ebenfalls sehr gespannt ist, ob und wie sich nun Rahmenbedingungen ändern werden. Alleingänge seien aber kaum vorstellbar. Es müsse wohl sogar eher mehr diskutiert werden, findet Schreder, nachdem die Zuständigkeiten auf zwei Ministerien aufgeteilt worden sind. "Ich bin gespannt darauf, wie die Abstimmung zwischen dem Landwirtschaftsministerium und dem Wirtschaftsministerium läuft."

Weniger als ein Siebtel der Gesamtfläche des Landkreises ist Wald

Mehringer und Schreder betonen gleichermaßen, dass es "nur miteinander geht". Das zeige sich auf der lokalen Ebene. Der Landkreis Erding hat nicht viel Wald, mit 13 Prozent ist es weniger als ein Siebtel der Gesamtfläche. Erding gilt damit als der waldärmste Landkreis im Freistaat. Staatsforst findet sich vor allem um Isen. Der Wald in privater Hand verteilt sich laut Mehringer auf fast 4000 Besitzer und besteht aus vielen kleinen Fleckchen. Die Durchschnittsgröße eines Waldbesitzes betrage gerade mal 2,3 Hektar. Gleichwohl gibt es erstaunlich viel Wild, dessen Lebensraum sich auch auf die vielen Äcker und Wiesen erstreckt.

"Die Waldbesitzer brauchen dringend die Hilfe der Jäger", sagt Rainer Mehringer, "dass ist entscheidend, denn nur so sind wir in der Lage, dass die Naturverjüngung des Waldes im ausreichenden Maß möglich wird". Die Naturverjüngung, wenn sich also der Wald durch Samen eigener Bäume erneuert und nicht durch Anpflanzungen, ist das entscheidende Stichwort. Angesichts des Klimawandels sei die Naturverjüngung die einzige Rettung, denn die so gewachsenen Bäume seien in der Regel gesünder, immer standortgerecht und brauchten weniger Pflege. Allerdings stehen gerade die kleinen Bäumchen mit ihren zarten, jungen Trieben ganz oben auf Speiseplan der Rehe. "Und da beginnt die Diskussion", sagt Thomas Schreder.

Die Waldbesitzer wollen, dass die Bäumchen aus der Naturverjüngung gut wachsen und nicht verbissen werden. Je mehr Rehe sich im Wald tummeln, umso mehr leiden die jungen Bäume. "Ich kenne keinen Waldbesitzer, der sagt, alle Rehe müssen eliminiert werden", sagt zwar der Erdinger Oberjäger Schreder. Und der Erdinger Oberwaldbesitzer Mehringer sagt ebenso überdeutlich, "wir achten das Reh als ein Tier der Schöpfung". In diesen wohl abgewägten, aber dennoch auffälligen Aussagen offenbart sich der Zielkonflikt. Die einen wollen schöne Bäume, die anderen einen schönen Wildbestand.

3000 Rehe werden pro Jahr geschossen, 900 bei Unfällen getötet

Dass dabei alles mit deutscher Gründlichkeit sehr genau geregelt ist, macht letztlich deutlich, wie groß das Konfliktpotenzial ist und, dass es nur mit viel Aufwand austariert und beruhigt werden kann: Alle drei Jahre wird im Landkreis der Wald vom Amt für Landwirtschaft, Ernährung und Forsten begutachtet, im kommenden Frühjahr ist es wieder so weit. Die Untere Naturschutzbehörde am Landratsamt legt auf Basis der festgestellten Verbissschäden und in Absprache mit dem breit besetzen Jagdbeirat dann die Abschlusspläne für die kommenden drei Jahre fest. Die Jäger müssen jährlich in der Hegeschau nachweisen, wie viele Rehe sie geschossen haben. Rehe, die bei Unfällen getötet werden - etwa 900 pro Jahr - oder sonst wie verenden, zählen mit. Ist der Abschuss zu gering, kann das als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Nach den aktuellen Zahlen für das Jagdjahr 2022/23 ist die Vorgabe des Abschlussplans von 4000 Rehen aber zu 96 Prozent erfüllt worden.

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