Die CSU und ihr Umgang mit der AfD:Weiche Linien statt harter Grenzen

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Landrat Martin Bayerstorfer ist die AfD im Kreistag noch nie unangenehm aufgefallen. (Foto: Stephan Görlich)

Landrat Bayerstorfer besucht stundenlang die AfD-Kreistagsfraktion. Eine strikte Abgrenzung auf kommunaler Ebene hält er offenkundig nicht für notwendig. Auch in Teilen der CSU-Basis sieht man das so und wähnt Gefahren für die Demokratie von ganz anderer Seite.

Von Florian Tempel, Erding

Was heißt denn schon Zusammenarbeit mit der AfD? Was ist etwa damit: Landrat und CSU-Kreischef Martin Bayerstorfer hat zweimal an den Fraktionssitzungen der Kreistags-AfD teilgenommen. Laut Auskunft aus seinem Büro folgte er am 27. Januar 2021 und am 13. Oktober vergangenen Jahres jeweils einer Einladung der AfD. Seine Sprecherin schreibt dazu: "Der Landrat nimmt auf Anfrage an Fraktionssitzungen aller Parteien teil und steht ihnen Rede und Antwort, von dieser Möglichkeit können sämtliche im Kreistag vertretenen Fraktionen Gebrauch machen." Was die anderen nicht tun. Seit der Kommunalwahl hat ihn keine andere Partei eingeladen.

Im Oktober 2022 hat sich Bayerstorfer bei der Erdinger Rechtsaußen-Partei - vier der fünf Kreisräte waren langjährige Mitglieder der Republikaner, bevor sie in die AfD eintraten - dafür richtig festgesessen. "Einmal mehr Respekt vor unserem Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer, der uns in unserer dreistündigen AfD-Kreistags-Fraktionssitzung, die im Landratsamt stattfand, kompetent viele Fragen beantwortet hat", lobte ihn AfD-Kreischef Wolfgang Kellermann noch live aus dem Tagungsraum in einem Facebook-Post. "Es ist leider nicht selbstverständlich, dass ein CSU-Landrat (der ja trotz Parteizugehörigkeit unparteiisch sein sollte) sowas macht", schreibt Kellermann weiter, "deshalb umso mehr: Herzlichen Dank dafür!"

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Höfliche Umgangsformen, das ist für nicht wenige ein wichtiger Punkt in ihrer Haltung zur AfD. Solange die sich zu benehmen wissen, ist alles halb so wild. In einem Interview des Erdinger Anzeigers erklärte Bayerstorfer diese Position erst vor wenigen Tagen: "Ich habe aus der AfD-Fraktion in den Sitzungen noch nie rechtsradikale Äußerungen mitbekommen. Ich muss zugeben: Im Alltag von Ausschüssen und Kreistag funktioniert es mit der AfD relativ reibungslos." Landrat Bayerstorfer sagte das mit Blick auf den bayerischen Landtag, wo die AfD regelmäßig negativ auffalle. In der Kommunalpolitik ist halt vieles anders.

Damit ist man bei einem zweiten, von vielen angeführten Aspekt. Die Abgrenzung zur AfD lasse sich auf Bundes- und Landesebene ja ganz leicht ausschließen, heißt es, ein Kreistag oder ein Stadtrat sei aber kein Parlament, da gelten gewissermaßen andere Gesetze. Auch Landrat Bayerstorfer vertritt diese Position und sagt mit Blick auf die AfD Binsen wie diese: "Alle Fraktionen und Kreisräte, die demokratisch gewählt wurden, haben das Recht und die Möglichkeit, bei Entscheidungen und Beschlusslagen mitzuwirken." Funktioniert das? Beginnt politische Macht erst auf Landes- oder Bundesebene, wenn man in Regierungsverantwortung und als Gesetzgeber tätig ist und nicht bereits in einem kommunalen Gremium wie dem Kreistag, wo es darum geht, wie viel Geld der Kreisjugendring bekommt?

Als der Erdinger Landrat Bayerstorfer 2021 den Kreisjugendring (KJR) und vor allem dessen Geschäftsführer ins Visier nahm, assistierte ihm die AfD-Fraktion geflissentlich. Sie hatte andere Gründe als der Landrat, der es nicht hinnehmen wollte, dass er vom KJR-Geschäftsführer kritisiert worden war. Der Erdinger AfD war das sicher egal. Sie nutzte die günstige Gelegenheit und übernahm auf kommunaler Ebene den Kurs der Landtags-AfD, die gegen die Jugendringe im Allgemeinen agitiert. Weil dort Demokratie-Bildung groß geschrieben wird und ein Punkt dabei ist, wie und warum man sich von Rechtsradikalen abgrenzen muss. War es nur Koinzidenz oder doch schon Kooperation, wenn die Erdinger AfD im Kreistag die vergiftete Frage aufstellt, wie viel so ein KJR-Geschäftsführer arbeitet und verdient, und der CSU-Landrat diesem am Ende das Gehalt so massiv zusammenstreicht, dass er kündigt?

Ein Drittel der Kreisdelegierten stimmt für einen Kandidaten, der Alice Weidel toll findet

Mit der zurecht gelegten Position, eine strikte Abgrenzung von der AfD müsse oder könne es auf der kommunalen Ebene nicht geben, steht Bayerstorfer im offenen Widerspruch zu der von CSU-Chef Markus Söder vorgegebenen Linie. Er sei "ganz klar gegen jede Form der Kooperation mit der AfD", auf allen Ebenen, hat Söder gesagt: "Nein heißt Nein, da gibt es kein Relativieren und kein Aufweichen."

Für Teile der Erdinger CSU-Basis ist die strikte Ablehnung der AfD keineswegs eine ganz klare Sache. Bei der Nominierungsversammlung der CSU für die Landtags- und Bezirkstagswahl hat der Langenpreisinger CSU-Mann Alexander Otto Klug in einer Kampfabstimmung gegen Erdings Oberbürgermeister Max Gotz ein Drittel der Stimmen geholt. 58 der 170 Delegierten wollten lieber ihn als den Erdinger OB im Bezirkstag sehen. Der SZ sagte Klug, er sei zwar gegen die AfD, teile aber einige ihrer Positionen. Auf seiner persönlichen Facebook-Seite hatte er mehrere Beiträge von AfD-Politikern geteilt. Noch in der Nacht nach der Nominierungsversammlung übernahm er unkommentiert ein Video einer Rede von Alice Weidel inklusive überschwänglicher Lobhudelei.

Klug gehört weiterhin dem Vorstand des Ortsverbands Langenpreising an und wurde als Gegenkandidat zu OB Gotz von Leo Melerowitz - mittlerweile Ehrenvorsitzender der Langenpreisinger CSU - vorgeschlagen. Wahrscheinlich wussten nicht alle CSU-Delegierten, die dem Überraschungskandidaten Klug ihre Stimme gaben, dass er eine Abgrenzung zur AfD vermissen lässt. Doch viele von ihnen werden den offenen Brief des CSU-Ortsverbands Langenpreising gekannt haben, der im Oktober 2022 rundum verschickt wurde.

Ansichten teils deckungsgleich mit AfD-Positionen

In diesem Brief kommen, wie darin eingangs beteuert wird, die mehrheitlichen Ansichten der Langenpreisinger CSU-Mitglieder zum Ausdruck - die inhaltlich deckungsgleich mit AfD-Positionen sind und auch in ihrer Formulierung starke Ähnlichkeit zu AfD-Pamphleten haben.

Allerdings finden sich in dem Schreiben auch unmissverständlich formulierte Forderungen zur Abgrenzung, zum Aufbau einer politischen Brandmauer. Aber nicht etwa gegen die AfD. Die Grenze müsse auf einer anderen Seite gezogen werden, heißt es, gegen eine Partei, die aus Langenpreisinger CSU-Sicht "die derzeit größte Bedrohung für Freiheit, Sicherheit, Demokratie und Rechtsstaat" in Deutschland darstelle: "Es bedarf daher auch eines Unvereinbarkeitsbeschlusses, der jegliche Zusammenarbeit der CSU mit den Grünen auch auf den kommunalen Ebenen ausschließt."

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