Knochenmarkspende:An dieser Schule werden Leben gerettet

Lesezeit: 2 min

Der Vorgang ist simpel. Mittlerweile wird bei Typisierungsaktionen nur noch eine Speichelprobe entnommen. Knapp 50 Millionen Merkmale müssen übereinstimmen, damit man für eine Knochenmarkspende in Frage kommt. (Foto: Matthias Ferdinand Döring)

Knochenmarkspenden sind für Menschen mit Blutkrebs oft die letzte Chance auf Heilung. An der Berufsschule Erding gibt es überdurchschnittliche viele junge Menschen, die schon gespendet haben.

Von Irem Özkalgay, Erding

Es ist offenbar eine besonders schöne Fügung des Schicksals: Die Berufsschule Erding engagiert sich seit etlichen Jahren enorm für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei (DKMS). Alle zwei Jahre findet eine Typisierungsaktion statt, zuletzt vor wenigen Wochen. 385 Schülerinnen und Schüler haben sich beteiligt und sich neu für eine Stammzellenspende registrieren lassen. Seit 2014, seit der ersten Aktion an der Berufsschule, haben schon sieben Schüler und zwei Lehrer Knochenmark gespendet und damit einem an Blutkrebs erkrankten Menschen eine neue Chance geschenkt. Organisiert wird das alles vom Fachlehrer für Bautechnik, Matthias Adelsberger.

Alle zwei Jahre organisiert die Berufsschule Erding eine DKMS-Typisierungsaktion. Was als Einzelaktion gestartet wurde, ist inzwischen zu einer regelmäßigen Routine geworden - inclusive des durchschlagenden Erfolges. Nach kurzer Zeit hatte sich damals der erste Stammzellen-Spender gefunden. "Nach der ersten Aktion dachte ich mir: Hoppla, da passiert ja was! Wir könnten damit etwas bewegen", sagte Matthias Adelsberger, der seit 2019 die Aktionen organisiert. Er selbst ist schon seit mehr als 25 Jahren bei der DKMS registriert. Bis jetzt hat noch kein Erkrankter seine Knochenmarkspende benötigt.

Heilung von Blutkrebs
:Und dann steht plötzlich der genetische Zwilling im Garten

Julia Gasser möchte nach ihrer Genesung von Leukämie "an 100 Orten gleichzeitig sein". Und noch häufiger ihren Stammzellenspender Marco treffen.

Von Claudia Wessel

Dieses Jahr im November fand die dreitägige Aktion mit Vorträgen online statt. Ein Referent der DKMS trug Schülern und deren Klassenlehrer wichtige Informationen über Blutkrebs vor, den Ablauf einer Spende und die Datenverarbeitung. "Es war aber mehr eine Art offenes Gespräch, in dessen Verlauf auch ehemalige Stammzellenspender von ihren Erfahrungen erzählt haben", sagte Adelsberger, darunter auch der Berufsoberschullehrer Marcus Geier. Das mache die Aktion für die Schüler noch greifbarer.

Im Anschluss konnten sich die Schüler freiwillig für die Datenbank registrieren lassen. Mit Wattestäbchen wurde ein Abstrich im Rachenraum genommen und Registrierungsbriefe ausgefüllt. "Durch die Onlinevorträge haben wir viel mehr Schüler erreicht, als es durch den Präsenzunterricht möglich gewesen wäre", sagte Adelsberger. 1200 Schüler aus 57 Klassen nahmen an den Onlinevorträgen teil, 385 Schüler ließen sich neu für eine Stammzellenspende registrieren. Für Adelsberger ein Riesenerfolg: "2014, 2017 und 2019 haben sich insgesamt 648 Schüler und Lehrer registriert. Dieses Jahr war's wirklich toll." Und auch Schüler, die im November nicht an den Vorträgen teilnehmen konnten, möchte die Berufsoberschule auf Knochenmarkspenden aufmerksam machen. "Über die nächsten drei Monate werden wir im Ethikunterricht eine Stunde dieser Thematik widmen", sagte Adelsberger.

Wie viele Übereinstimmungen dieses Jahr dazukamen, ist noch nicht bekannt sagt der 41-jährig Lehrer, da die DKMS keine Rückmeldung über die Spenden herausgebe. Insgesamt habe es aber seit ihrer ersten Aktion insgesamt neun Personen gegeben, die Stammzellen gespendet haben, darunter zwei Lehrer. "Selbst die DKMS sagt, dass das absolut überdurchschnittlich ist." Laut der DKMS müssen knapp 50 Millionen Stammzellenmerkmale für eine Spende übereinstimmen. "Die in ganz Europa am häufigsten vorkommende Kombination trifft nur jeden 300. Europäer." Auch Adelsberger ist verblüfft über die Menge an Stammzellenspendern an seiner Schule. Woran es liege, wisse er aber nicht. "Alles braucht seinen Antreiber. Indem wir Schüler aufklären, zeigen wir ihnen, was sie alles bewegen können."

Auch ist er davon überzeugt, dass sich durch die interessanten Vorträge eine gewisse Gruppendynamik entwickelt habe, weshalb sich so viele registriert hätten. "Weil die Schüler noch sehr jung sind, sind sie für die Stammzellen-Datenbank umso wichtiger, denn sie können bis zum 55. Lebensjahr Stammzellen spenden."

Newsletter abonnieren
:München heute

Neues aus München, Freizeit-Tipps und alles, was die Stadt bewegt im kostenlosen Newsletter - von Sonntag bis Freitag. Kostenlos anmelden.

Und die ganze Arbeit wird belohnt: Dieses Jahr im Frühjahr ist die Berufsoberschule Erding als Partnerschule von der DKMS mit einer großen roten Plakette ausgezeichnet worden. "Die hängt jetzt zwischen Lehrerzimmer und Sekretariat, damit sie auch jeder sehen kann", sagte Adelsberger.

Auch bei den Schülern komme die Aktion gut an. "Manche Schüler kamen zu mir und meinten, sie sind bereits registriert." Andere wünschen sich noch etwas Bedenkzeit und nehmen die Anmeldebögen mit nach Hause. "Die meisten bringen sie aber ausgefüllt wieder mit." Die Routine soll beibehalten werden. "Wenn man nur einer Person damit helfen konnte, hat es sich schon gelohnt", sagte Adelsberger.

© SZ vom 24.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusFamilienschicksal
:Die Kämpferin

Julia Schiedermaier hat viel verloren: beide Unterschenkel, alle Fingerspitzen - und beinahe auch ihr Leben. Wegen einer Blutvergiftung, von der niemand weiß, woher sie kam. Eine Geschichte übers Weitermachen.

Von Julia Rothhaas

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: