Flüsse und Bäche prägen den Lebensraum der Menschen und werden von Menschen verändert, die ihren Lebensraum gestalten: Mit diesem Thema setzte sich am vergangenen Montag Historikerin Dorothea Hutterer im Museum Erding auseinander. Nach der Jahreshauptversammlung des Archäologischen Vereins Erding (AVE) hielt die Doktorandin der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) vor etwa 50 Zuhörern einen Vortrag über die historische Entwicklung wichtiger Gewässer im Landkreis.
Anders als in Gegenden mit großen Flüssen spielen im Landkreis Gewässer als Verkehrs- und Handelswege keine Rolle, erklärte die Historikerin. Viel mehr entstanden an den Wasserläufen der Region Mühlen, Schwaigen und wassergetriebene Elektrizitätswerke. Gerade deshalb haben die kleinen Gewässer den Landkreis geprägt. Historisch spielten Flussläufe auch bei der Einteilung von Territorien und Hoheitsgebieten eine wichtige Rolle. Vor allem Bezirke wurden nach Flüssen eingeteilt. Alte Karten zeigen, dass das 1806 in der Napoleonischen Zeit proklamierte Königreich Bayern 1808 bis zum nördlichen Gardasee reichte.
Im Laufe der Zeit haben sich die Bach- und Flussläufe in der Region verändert. Dorothea Hutterer erklärte, wie der Vergleich mit Jahrhunderten alten Karten die Einflüsse von Überschwemmungen oder Regulierungen, Begradigungen, Trockenlegungen und Kanalbauten nachzeichnet. Die historischen Karten seien überwiegend von Gerichtskartografen für Behörden und Gerichtsverfahren erstellt worden, schilderte die Historikerin. Weil es im Landkreis schon seit dem 13. Jahrhundert ein Landgericht gab, reicht das historische Material weit zurück. Wenn die alten Karten heute mit historischen Kupferstichen und aktuellen Flusskarten verglichen werden, lässt sich nachvollziehen, wo sich die Verläufe über die Jahrhunderte stark verändert haben und wo kaum.
Die Historikerin zeigte so auf, wie die Flüsse in der Region das Landschaftsbild und die Entwicklung von Siedlungen im Erdinger Land prägten. Im etwa 25 Quadratkilometer großen Erdinger Moos hat sich die Landschaft auf natürliche Weise oder durch Regulierungen verändert. Das Areal wurde früher Isar- oder Freisinger Moos genannt und war bis 1803 zum Teil Jagdrevier der Freisinger Fürstbischöfe.
Nach mehreren gescheiterten Versuchen gelang es im 19. Jahrhundert, das Gebiet zu entwässern und für die Torfgewinnung zu erschließen. Von 1845 an regelten bis zu 60 Genossenschaften die Entwässerung im Erdinger Moos und es entstanden Siedlungen wie Eittingermoos, Finsingermoos, und Moosinningermoos.
Bereits 1829 gründete Karl-Theodor von Hallberg-Broich von Schloss Birkeneck die Torfstechersiedlung Hallbergmoos. Der Torf wurde in Brauereien und Ziegeleien verwendet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schritt die Entwässerung des Erdinger Mooses noch einmal voran: Der 1920 bis 1929 erbaute Mittlere-Isar-Kanal senkte den Grundwasserspiegel weiter.
Flüsse prägen die Region bis heute
In seiner heutigen Form ist der Landkreis erst durch die Gebietsreform 1972 entstanden. Bis heute prägen die Flüsse Isen, Dorfen, Sempt, Strogen und die Große Vils sein Landschaftsbild. Es gibt außerdem gleich zwei Gewässer, die den Namen Goldach tragen: Die eine Goldach beginnt im Zengermoos und war ursprünglich ein Entwässerungsgraben. Die andere Goldach entspringt im Landkreis Mühldorf, führt von Kirchberg über Sankt Wolfgang und Schwindegg Richtung Mühldorf.
Auch von der Vils gibt es im Landkreis gleich mehrere Versionen: Die Vils entsteht als Zusammenfluss der Großen mit der Kleinen Vils. Die Große Vils entspringt bei Lengdorf, fließt bis Taufkirchen und läuft bei Gerzen im Landkreis Landshut zur Vils zusammen.
Historikerin Dorothea Hutterer beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit mit Karten und Kulturlandschaften des Freistaates. Mit ihrem Vortrag gewährte sie einen Einblick in ihre Forschungsarbeiten zur bayerischen Landesgeschichte mit dem Fokus "Karten-Kontext Kulturlandschaft. Umweltgeschichte an Altkarten aus Altbayern". Zusammen mit dem archäologischen Verein Erding veranstaltete sie am letzten Sonntag der Osterferien 2023 in Burgrain wieder die jährliche "Grenzsteinwanderung".