Unterschriftenaktion:Ruinöse Bodenlotterie

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Archäologische Ausgrabungen wie hier am Gaugrafenweg können ein Bauvorhaben verteuern. Mit einer Unterschriftenaktion soll nun auf eine Novelle des Denkmalschutzgesetzes Einfluss genommen werden. (Foto: Renate Schmidt)

Archäologische Funde bei Bauprojekten können Grundeigentümer teuer zu stehen kommen. Erdinger Archäologen machen einen Verbesserungsvorschlag.

Von Thomas Daller, Erding

Wer ein Haus bauen will und beim Aushub des Kellers auf archäologische Funde stößt, ist angeschmiert: Die Kosten für die archäologischen Grabungen muss man selbst tragen. Da kommen schnell 30.000 bis 40.000 Euro zusammen. So sieht es auch die geplante Novelle des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes weiterhin vor. Der Archäologische Verein Erding (AVE) hält das für falsch und positioniert sich mit einer Unterschriftensammlung gegen den Entwurf. Beim archäologischen Neujahrsempfang hat der Verein viel politische Rückendeckung erhalten: Staatsministerin Ulrike Scharf (CSU) will sich persönlich bei Wissenschaftsminister Markus Blume (CSU) für das Anliegen einsetzen, Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) will dafür werben und auch der Gemeindetagssprecher Hans Wiesmaier (CSU) zieht mit am Strang.

Man könnte von einer Bodenlotterie sprechen, bei der man nur verlieren kann: In historisch alten Siedlungsräumen wie in Erding stößt man alle naselang auf Flächen, die in der Vergangenheit schon mal bewohnt wurden. Zwischen 2020 und 2022 gab es in Erding 119 Baugruben. In 47 davon stieß man auf Spuren aus der Vergangenheit, in 72 war nichts drin.

Für eine Familie, deren Finanzierung auf Kante genäht ist, ist das ein Fiasko

So ein Spatenstich ist finanziell riskant. Eventuelle Ausgrabungen kann sich ein erfolgreicher Bauträger noch leisten und die Bereitschaft war in Erding bislang auch gegeben. Aber für eine junge Familie, deren Baufinanzierung ohnehin auf Kante genäht ist, ist das ein Fiasko. Der AVE hat diesen Missstand in der Vergangenheit wiederholt angeprangert. Im Sommer vergangenen Jahres wurden dann die Pläne für eine anstehende Änderung des Bayerischen Denkmalschutzgesetzes öffentlich, die 2023 in Kraft treten soll. Die geplanten Änderungen sind keineswegs samt und sonders Murks, das betonte auch der Vorsitzende des AVE, Harald Krause, bei seinem Vortrag beim Neujahrsempfang. So soll beispielsweise künftig illegalen Schatzgräbern ein Riegel vorgeschoben werden, damit sie nicht mehr mit Metallsonden in Verdachtsflächen herumbuddeln können. Aber es soll eben weiterhin auch das sogenannte "Veranlasserprinzip" gelten, dass archäologische Grabungskosten den Bauherren angelastet werden.

Ein finanzieller Ausgleich durch den Freistaat erfolgt nur dann, wenn man dabei auf irgendwelche Gold- oder sonstige Schätze stößt, die einen bezifferbaren Wert haben. Das ist in 99 Prozent der Fälle aber nicht der Fall, betonte Krause. In der Regel sind es Siedlungsspuren wie Pfostenlöcher, Abfallgruben, Brunnen, Mauerzüge und Werkplätze mit Scherben- und Knochenfunden, die in ihrer Einmaligkeit und Authentizität einen unersetzlichen heimatkundlichen-kulturhistorischen Wert besitzen, aber eben keinen konkreten monetären "Verkehrswert".

Die Regelung ist auch eine Belastung für Grabungsfirmen und Archäologen

Krause sagte, diese Regelung sei nicht nur eine Belastung für die Grundstückseigentümer, sondern auch für Grabungsfirmen und Archäologen. Teilweise werde man aufs Übelste beschimpft, wenn man dort nur seiner Arbeit nachgehe. Daher sei es auch im ureigensten Interesse der Archäologie, hier eine andere Regelung zu finden. Als Lösungsvorschläge nannte er einen Kostendeckel, eine Entschädigung durch einen staatlichen Fonds oder durch mögliche Steuerabschreibungen.

Staatsministerin Ulrike Scharf, die als Ehrengast ein Grußwort sprach, sicherte Krause ihre volle Unterstützung zu. Sie werde die Aktion nicht nur mit ihrer Unterschrift unterstützen, sondern Krause auch einen Termin bei Wissenschaftsminister Blume vermitteln und selbst bei der Übergabe der Unterschriftenliste dabei sein. Sie hoffe, dass bis zum Stichtag 17. Februar "kartonweise" Unterschriften zusammenkommen. Die Änderung des Denkmalschutzgesetzes werde im Anschluss daran noch im zuständigen Ausschuss, im Rechtsausschuss und dann im Kabinett beraten. "Und auf diesem Weg gibt es noch Möglichkeiten, das Gesetz zu verändern", sagte sie.

Oberbürgermeister Max Gotz bescheinigte dem Änderungsvorschlag "Fingerspitzengefühl und hohe Kompetenz". Von Erding könne damit einmal mehr ein gutes Zeichen für die Archäologie ausgehen. Er selbst werde sich "unheimlich gerne" in die Unterschriftenliste eintragen und er werde das Thema auch im Mitteilungsblatt der Stadt aufgreifen. Krause entschuldigte zudem Hans Wiesmaier, Gemeindetagssprecher im Landkreis, der sich aber ebenfalls mit dem Thema beschäftigt habe und auch Handlungsbedarf in dieser Angelegenheit sehe. "Das sind klasse Signale", sagte der Vorsitzende des AVE und Leiter des Museums Erding.

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