Anonyme Alkoholiker:"Mit Respekt und auf Augenhöhe"

Lesezeit: 2 min

Keinen Tropfen mehr: Bei den Anonymen Alkoholikern treffen sich Männer und Frauen, die aus der Sucht aussteigen wollen. Sie helfen sich gegenseitig. (Foto: Klaus-Dietmar Gabbert/dpa)

Vor 40 Jahren wurde die erste Gruppe der Anonymen Alkoholiker in Erding gegründet. Bei einem Festakt im evangelischen Gemeindezentrum betonen Vertreter aus der Politik und den Kirchen, wie wichtig die Selbsthilfe für Betroffene und Angehörige ist.

Von Philipp Schmitt, Erding

Im Laufe eines Lebens kann es Herausforderungen geben, die nicht immer leicht zu meistern sind. Gründe, warum Menschen alkoholkrank werden können, gibt es viele. Wichtig ist, bei diesem Tabuthema nicht wegzuschauen, sondern beim Genesungsprozess zu helfen, so wie es die Selbsthilfegruppen der Anonymen Alkoholiker (AA) seit Jahrzehnten tun. Das 40-jährige Bestehen haben am Samstag die Erdinger Gruppen der Anonymen Alkoholiker und der Al-Anon-Gruppen für Familienangehörige gefeiert.

Im voll besetzten Saal im evangelischen Gemeindezentrum an der Dr.-Henkel-Straße erinnerten Initiatoren an den Werdegang der Gruppe. Der in Erding lebende evangelische Pfarrer im Ruhestand Friedrich Eras berichtete über die Gründerjahre der AA-Gruppen, die er damals als Pfarrer in Freising und Markt Schwaben unterstützt hat. In Freising wurden die Gruppen vor 50 Jahren gegründet. In Erding ging es zehn Jahre später los, mit Rückendeckung von Eras und dem damaligen evangelischen Pfarrer in Erding Friedrich Falkenstein. Inzwischen sind noch weitere Gruppen in der Region entstanden.

Newsletter abonnieren
:SZ Gerne draußen!

Land und Leute rund um München erkunden: Jeden Donnerstag mit den besten Freizeittipps fürs Wochenende. Kostenlos anmelden.

"Glückwunsch zum Jubiläum und meinen Respekt, denn das von den AA in Erding geleistete bürgerschaftliche Engagement kann nicht hoch genug geschätzt werden", sagte der Erdinger Oberbürgermeister Max Gotz (CSU). Er bezeichnete die Arbeit in den Gruppen als "beeindruckend", das sie auf gänzlich unabhängiger Basis angeboten. Das Zuhören und die Hilfe zur Selbsthilfe sei wichtig, um Selbstbewusstsein, Kraft und Zuversicht neu entwickeln zu können. "Die Überwindung und der Wille etwas ändern zu wollen und die gegenseitige Hilfestellung verdient unseren Respekt und Wertschätzung", sagte Gotz.

Franz Hofstetter (CSU) wünschte den Erdinger Gruppen ebenfalls "alles Gute" und fügte an, dass die regelmäßigen Treffen einen positiven Beitrag zur Heilung leisten können. Es sei zudem wichtig, den im Umfeld oft still leidenden Angehörigen und betroffenen Familien Gehör und Zuspruch zu verschaffen, sagte der stellvertretende Landrat.

Der erste Schritt fordert Überwindung, Mut und Kraft

Lob für die in Erding geleistete Arbeit kam auch von Vertretern der Kirchen: Der evangelische Pfarrer Christoph Keller berichtete, dass sich jeweils Mittwochabend, von 19.30 Uhr an, im Gemeindezentrum die Teilnehmer der AA-Gruppe "mit Respekt und auf Augenhöhe begegnen". Es sei eine wichtige Anlaufstelle entstanden, sagte der geschäftsführende Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde, in deren Räumen die Treffen stattfinden. Der katholische Stadtpfarrer und Suchtbeauftragte Martin Garmaier fügte an, dass es von betroffenen Menschen Überwindung, Mut und Kraft erfordere, um mit dem Wunsch, abstinent zu werden, zu den Treffen zu gehen: "Ich freue mich über jeden, der es schafft." Zudem dürften die Angehörigen nicht vergessen werden, sagte der Erdinger Pfarrverbandsleiter Garmaier.

Nach den Grußworten fand ein Jubiläums-Meeting statt, bei dem Teilnehmer aus ihrem Leben und über Erfahrungen mit der Sucht, ihren Krankheits- oder Genesungsweg sowie Hintergründe wie familiäre Ursachen und Lebensängste erzählten. Es sei wichtig, in der Gruppe "ohne Maske, ohne sich verstellen zu müssen" Verständnis zu spüren und sich wohlfühlen zu können. Angehörige berichteten zudem, wie wichtig die Al-Anon-Selbsthilfe-Gruppen für sie sind.

Jährlich sterben in Deutschland tausende Menschen an Folgen von Alkoholismus. Die AA wollen unabhängig von Konfessionen, Institutionen und Parteien zur Genesung Alkoholkranker beitragen, über Gefahren informieren. Gebühren oder Mitgliedsbeiträge gibt es nicht, neue interessierte Teilnehmer sind jederzeit willkommen. Voraussetzung sei lediglich der Wunsch, "nüchtern zu bleiben". Die AA wurden 1935 in den USA gegründet. 1953 entstand die erste deutsche Selbsthilfe-Gruppe in München. Informationen auch auf www.anonyme-alkoholiker.de.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: