Energiegewinnung:Wiederbelebung alter Windkraftpläne

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Die Energievision Erding GmbH hatte ambitionierte Ideen, doch mit 10-H war die Luft raus. Nun wird ein Comeback vorbereitet. Auch der bayerische Windatlas weist im Landkreis durchaus günstige Standorte aus

Von Florian Tempel, Erding

"Bayern ist kein Windland", hat Ministerpräsident Markus Söder (CSU) unlängst mal wieder gesagt. Das erschien einem zwar zuletzt ganz anders. Doch der Blick nach draußen langt als evidenter Gegenbeweis auch nicht - es kommen sicher wieder andere Zeiten. Wobei wir bei Robert Habeck (Grünen) wären, dem Wirtschafts- und Klimaschutzminister der Bundesregierung, der von Bayern mehr Anstrengungen bei der Energiegewinnung durch Windkraft fordert und die 10-H-Regel kippen möchte. Die 2014 noch von Söders Vorgänger Horst Seehofer (CSU) eingeführte, einfache und effektive Abstandsregel - eine Windkraftanlage muss im Freistaat von Wohnbebauung zehnmal so weit entfernt sein, wie sie hoch ist -, hat zu einer totalen Flaute bei der Windkraft im Landkreis Erding geführt. Dabei war schon mal so viel Schwung drin. Vielleicht kehrt die einstige Windkraftbegeisterung ja bald wieder zurück.

Vor zehn Jahren begannen die 26 Kommunen des Landkreises den Bau von Windkraftanlagen gemeinsam zu planen. Es ging nicht nur darum, die Energiewende voranzubringen, sondern auch "dem 'Wildwuchs' von Windrädern vorzubeugen", wie man im Energiewende-Bericht des Landkreises aus dem Jahr 2012 nachlesen kann. Darüber hinaus wurde eine eigene Gesellschaft für die Realisierung der Windkraftanlagen gegründet, die in aller Bescheidenheit "Energievision Landkreis Erding (EVE) Projektentwicklungs-GmbH" getauft wurde. Landrat Martin Bayerstorfer (CSU) sagte 2012 in einem SZ-Interview: "Wenn man die Energiewende ernst nimmt, dann heißt das für mich auch, dass wir nicht nur die Art der Erzeugung ändern und da auf Regionalisierung setzen." Auch die Investitionen sollten möglichst regional sein, um so für maximale Akzeptanz zu sorgen: "Ich bin ein Fan davon, dass möglichst viel Öffentliche Hand dabei ist und auch die Bürger mitgenommen werden."

Winzig und einsam auf weiter Flur: Im Landkreis Erding gibt es bislang nur elf Kleinwindkraftanlagen, wie diese südlich von Hörgersdorf in der Gemeinde Taufkirchen. (Foto: Renate Schmidt)

Die EVE hatte Großes vor, doch bis auf ein paar Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Landkreisschulen hat sie nichts Nennenswertes realisiert.

Bei der einstigen Windkraftplanung war der Stolz von Landrat Bayerstorfer (CSU) die eigene Erdinger Abstandsregel von 1000 Metern zwischen einem großen Windrad und einem allgemeinem Wohngebiet. Das war immerhin doppelt so viel wie die damals gesetzliche Mindestdistanz von 500 Metern. Dadurch wurden weite Teile des Landkreises aussortiert, wo Investoren einfach ein Windrad hätten hinstellen können. Darüber hinaus beschränkten - und beschränken noch immer - jedoch ganz andere Umstände den Bau von Windkraftanlagen im Landkreis: der Flughafen München natürlich, aber auch der Wetterradar in Schnaupping bei Isen und ein Drehfunkfeuer bei Poing. Nach und nach mussten deshalb Standorte, die zunächst unter der Erdinger Abstandsregel als möglich schienen, gestrichen werden. Am Ende blieben nur noch wenige sogenannter Konzentrationsflächen übrig, auf denen je mindestens zwei Windkraftanlagen stehen sollten. Das weit und breit einzigartige Werk namens "Gemeinsamer Teilflächennutzungsplan Wind" des Landkreises Erding wurde im Sommer 2013 von allen Kommunen abgesegnet. Der Plan enthielt 13 Flächen für Windkraftanlagen: Ganz im Westen von Moosinning, im Osten von Wartenberg und im südlichsten Eck der Gemeinde Kirchberg, auf Taufkirchener, Inninger und Bockhorner Flur, sowie im Gemeindegebiet von Wörth und Buch.

Doch dann kam Horst Seehofer, und grätschte dazwischen. Landrat Bayerstorfer war über dieses Foul richtig sauer. Er wollte sogar vor Gericht ziehen und klagen - was er dann aber doch nicht getan hat.

Und so blieb alles, was in den vergangenen zehn Jahren im Landkreis an Windkraft installiert wurde, elf kleine Miniwindräder meist von Landwirten, die laut dem Erdinger Energieatlas 2020 zusammen kaum mehr als 21 Megawattstunden Strom pro Jahr produzieren. Das ist flächendeckend betrachtet so gut wie nichts, das entspricht dem Strombedarf von gerade mal fünf Durchschnittshaushalten.

Im Landkreis Erding ist man bereit, die alten Pläne aus der Schubladen zu holen und es noch mal zu probieren. Die Energievision Erding gibt es ja auch noch immer, auch wenn längst die Luft raus schien. "Die EVE Erding GmbH ist im Moment dabei, an einigen Standorten die Möglichkeit zur Aufstellung von Windrädern zu prüfen", heißt es auf Anfrage aus dem Büro von Landrat Bayerstorfer. Die Vorarbeit aus den Jahren 2011 bis 2013 könnte sich doch noch auszahlen, heißt es weiter: "Die Pläne sind eine gute Basis, auf der man arbeiten kann, um in Abstimmung mit den Gemeinden die Entwicklung voranzutreiben." Aber konkret ist vorerst nichts: "Weitere Planungen machen erst Sinn, wenn Planungs- und Rechtssicherheit besteht."

Der 2014 geplatzte Teilflächennutzungsplan Wind hatte in seiner letzten Fassung immerhin noch ein Potenzial von 34 Windenergieanlagen vorgesehen. Eine moderne, 200 Meter hohe Windkraftanlage kann eine Menge Strom produzieren. Es kommt natürlich darauf an, wie stark der Wind weht. Und da wären wir wieder beim Anfang und der Einschätzung von Ministerpräsident Söder, dass "Bayern kein Windland ist". Der vom bayerischen Wirtschaftsministerium herausgegebene Windatlas 2021 stellt das etwas differenzierter dar. Ganz generell werden Windkraftstandorte im "unterbayerischen Hügelland und den Isar-Inn-Schotterplatten" im Bayerischen Windatlas als durchaus geeignet eingestuft. Und der Landkreis Erding ist keineswegs ein gänzlich ungünstiges Gebiet. Für 200-Meter-Anlagen weist der Atlas an einigen, im alten Erdinger Teilflächennutzungsplan bereits ausgetüftelten Flächen eine jährliche Brutto-Stromertrag von 13 500 Megawattstunden. Das ist richtig viel, das lohnt sich.

© SZ vom 24.02.2022 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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