Ehrung durch Ministerpräsident Seehofer:Rettung in der Ortler-Nordwand

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Der Taufkirchener Peter Worbs befreit drei Bergsteiger aus einer Lawine und wird nun dafür geehrt

Diplomingenieur Peter Worbs ist wohl ein Glückskind. Der erfahrene Bergsteiger aus Taufkirchen ist vor vier, fünf Jahren mal auf einem Eisfeld im Stubai abgerutscht und steil auf den Abgrund zugesaust. In letzter Sekunde hat sich sein Rucksack verhakt, und das hat ihm das Leben gerettet. Und im Mai 2012 ist er zusammen mit anderen Bergsteigern von einer Lawine mitgerissen worden. Ihn hat die Lawine dabei wieder ausgespuckt, und er konnte drei Bergkameraden ausgraben und ihnen das Leben retten. Dafür erhält er am Freitag die Bayerische Rettungsmedaille von Ministerpräsident Horst Seehofer.

Worbs ist keiner, der das Risiko als Nervenkitzel braucht. Er ist beim Deutschen Alpenverein in Taufkirchen seit 2006 Fachübungsleiter für Hochtouren, und dafür braucht man sehr verantwortungsvolle Leute. Auch bei der Tour am 28. Mai 2012 gingen er und sein Freund Klaus Schmid die Tour an der Ortler-Nordwand in Südtirol wohl überlegt an. Sie waren um drei Uhr morgens von der Hütte aufgebrochen, um die Wand in der Dunkelheit zu ersteigen. Denn wenn die Sonne herauskommt, erwärmt sich der Gletscher, und die Lawinengefahr nimmt zu. Gerade das wollten die beiden vermeiden. Trotzdem ist man dabei nie hundertprozentig gefeit, denn alle drei, vier Jahr bricht auch nachts mal so eine Gletschernase ab und reißt eine Lawine los.

Als sie an der Rinne angelangt sind, an der sie einsteigen wollen, sehen sie noch, dass etwa 50 Meter oberhalb von ihnen bereits drei Bergsteiger unterwegs sind. Sie haben die Steigeisen schon angelegt, aber sich noch nicht angeseilt, als sie 1000 Meter über ihnen das Donnergrollen der Lawine hören. "Ich wollte noch nach links raus laufen, aber zehn Sekunden später war die Lawine schon da", erinnert sich Worbs. Die Gletschernase war in kleine Eisbrocken zerbrochen und hatte auf ihrem Weg nach unten gewaltige Schneemassen mit sich gerissen. "Wir sind alle verschüttet worden. Ich habe nicht mehr gewusst, wo oben und unten ist. Für mich war klar, jetzt ist es vorbei." Die Lawine rauscht über ein paar Felsen hinweg, und quasi in deren Windschatten kommt Worbs wieder raus. "Ich hatte das größte Glück von allen und bin nicht verschüttet worden." Er wartet ab, bis die Lawine vorbei ist und beginnt dann sogleich, seinen Kumpel zu suchen. Und er findet zuerst zwei der drei Bergsteiger, die in der Gruppe oberhalb von ihnen waren und gräbt sie aus. Die Lawine hat sie fürchterlich zugerichtet. Einem Liechtensteiner, dessen Kopf noch aus dem Schnee herausragt, hat sie alle Rippen gebrochen. Daneben befindet sich ein Vorarlberger, den er komplett ausgräbt. Dessen Kopf ist blutüberströmt, die Lawine hat ihm den Helm heruntergerissen, ein Schulterblatt zertrümmert und den Unterschenkel durchgebrochen. Worbs positioniert beide Bergsteiger aufrecht und setzt dann einen Notruf ab. 50 Meter weiter findet er schließlich seinen Freund Klaus Schmid, dessen Kopf aus dem Schnee herausragt. Leber, Lunge, Rippen und Schlüsselbein des Freundes sind gequetscht, aber er kommt wieder zu Bewusstsein. Die dritte Person der anderen Gruppe wird von einer weiteren Gruppe gefunden, die von unten zugestiegen ist. Alle, die von der Lawine mitgerissen wurden, überleben. Drei Menschen hat Worbs gerettet.

"Das war ein ziemlich einschneidendes Erlebnis für mich", sagte Worbs. Kurz darauf hat er aber schon die nächste Bergtour unternommen: "Die Berge sind das schönste Hobby, das ich habe. Sie haben mir sonst immer so viel Gutes gegeben. Nach dem Lawinenunglück am Ortler musste ich sofort wieder los, weil sonst die Gefahr besteht, dass man sich nicht mehr traut." Allerdings legt er bei der Risikobewertung am Berg nun noch strengere Maßstäbe an. Und mit seinen Schicksalsgenossen hat er sich auch noch mal getroffen - alle sind wieder ganz gesund geworden.

© SZ vom 16.07.2015 / tdr - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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