Eching:Tipps von der "Selbsthilfee"

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"Dehnungsschmerz ist dein Freund und nicht dein Feind", ob in Fitnesscenter, Buch oder Kabarett - Regine Trat will Lust auf Bewegung machen. (Foto: Marco Einfeldt)

Regine Trat ist Autorin, Kabarettistin und Betreiberin eines alternativen Fitnesscenters. Dabei geht geht es ihr um eins: die Haltung der Menschen verbessern, damit sie nicht länger "Knödel mit Vorkopf" sind

Von Alexandra Vettori, Eching

"Wenn dir keiner hilft, dann brauchst du eine Fee - die Selbsthilfee." Das ist einer dieser Kernsätze, wie man viele von Regine Trat hört, in rasantem Stakkato. Die Frau ist ein Energiebündel: Betreiberin eines alternativen Fitnesscenters in Eching namens "Der Wald - Rücken- & Gelenkzentrum", Buchautorin und Kabarettistin. Bei ihrem ersten "Cabarett des Wissens" vergangenen Herbst kamen auf Anhieb 250 Leute ins Bürgerhaus. Wegen der großen Nachfrage gibt es am 21. März eine Wiederholung.

"Mein Körper will sich bewegen, ich habe das nur vergessen. Ich nenne das auch Bewegungs-Demenz", sagt Regine Trat und lacht. Als Kleinkind ist die heute 49-Jährige mit ihrer Familie von Hamburg nach Spanien ausgewandert, mit 18 als Au-Pair-Mädchen nach Deutschland zurückgekommen, "spanisches Temperament, deutsches Blut", beschreibt sie sich. Trat hat Ballett gemacht, Flamenco getanzt, war zwei Jahre auf einer Kunstschule und hat dann doch lieber Sport studiert. In den schulischen Sportunterricht aber ging sie nie, blieb im Fitnessbereich. "Da kommen die Leute freiwillig", sagt sie. Seit 20 Jahren wohnt Regine Trat in Eching, "eingeheiratet". Vor drei Jahren eröffnete sie an der Heidestraße das Rücken- und Gelenkzentrum "Der Wald".

Dass sie voriges Jahr ein Buch mit dem Titel "Lebenswert" geschrieben hat, liegt daran, dass sie selbst jahrelang Schmerzpatientin war, mit Rücken- und Kopfschmerzen. "Ex-Leidende" nennt sie sich. Wer sie erst jetzt kenne, glaube das kaum, schreibt sie in dem Buch, doch "die Summe aller Orthopäden, Rheumatologen, Internisten und Neurologen, die ich auf der Suche nach der Quelle meiner Schmerzen aufgesucht habe, würden jeden Zeugenstand zum Einstürzen bringen". Geholfen wurde ihr nicht. Mit Mitte 40 kündigte sie ihren Job und eröffnete den "Wald". Fortan habe sie sich nicht mehr der Schmerz-, sondern der Lösungsfrage gewidmet. Die Antwort war simpel: eine bessere Haltung, weniger sitzen, mehr Bewegung, mit dem Effekt, dass die Schmerzen verschwanden.

Das war der Zeitpunkt, als sie beschloss, ein Buch zu schreiben. "Nicht, weil ich ein Buch schreiben wollte, sondern weil mir klar wurde, ich habe etwas zu sagen. Ich möchte, dass Schmerzpatienten erfahren, dass es Licht gibt, wenn man in der Schmerz-Schleife hängt." Ein grundlegendes Problem sei der Zerfall der Körperhaltung. Im Buch beschreibt Trat ihre eigene Geschichte, es gibt einen Haltungs-Check und konkrete Übungen. Das Ganze ist humorig, angereichert mit Zeichnungen, die von ihr stammen, ebenso wie die Gedichte und lustige und weise Sätze.

Und dann hatte sie die Idee mit dem "Cabarett des Wissens". "Ich kenne die Sprüche alle: Ach nee, ich weiß, ich bin zu faul. Jeder assoziiert Schmerzen, wenn ich einen Vortrag halte, und keiner kommt." Also hat sie sich das Kabarett ausgedacht, sie spielt die "Selbsthilfee" und sie spielt auch deren Gegner, den "Schrumpf": Dieser fiese, hartnäckige Brustkorb-Absacker, der für schlechte Haltung und Hängebauch sorgt und uns zu "Knödeln mit Vorkopf" werden lässt. Sehr humorig sei das Kabarett, erzählt sie, untermalt mit klassischer Musik. Dass sie jetzt noch einmal einen Abend in Eching veranstaltet, geschehe auf vielfachen Wunsch und es gebe bereits Anfragen aus Erfurt und Zürich.

Dass es in ihrem Fitnesscenter in Eching anders zugeht als in anderen Einrichtungen, sieht man sofort. Alle sind strumpfsockig unterwegs, auf den T-Shirts von Trat und ihren Trainern steht "Wächter der guten Haltung". Es gibt viele Bälle, Bänder, Sprossenwände, Trampoline und Matten, es gibt "Feen-Übungen", und viele Trainingsmöglichkeiten. Alles beginnt mit einem Probetraining samt Körper-Check, dann erhält jeder einen Trainingsplan. Die ersten Male hat man einen Trainer an der Seite, dann legt man allein los. 9,90 Euro kostet die Woche, die Klientel kommt aus allen Altersschichten, auch einige über 80-Jährige sind dabei. Das Ambiente ist freundlich und heimelig, mit viel Holz und Grün. Auch einen Faszienraum mit diversen Rollen gibt es, denn im Rücken- und Gelenkzentrum geht man an alle Mitspieler. "Moderne Ventral-Verkrüppelung" nennt Regine Trat das Übel, das sie so beschreibt: "Spanngurt-ähnliche Kräfte ziehen Knochen in Regionen, in die sie nicht gehören. Bindegewebe verfilzt wie langes Haar, das man nicht bürstet, weil wir es so selten bewegen. Muskeln verlieren ihre Länge, bis sie irgendwann völlig verlernen, loszulassen. In Summe erhalten wir eine veränderte Körperhaltung, die mit der Ursprungshaltung nur noch wenig zu tun hat."

© SZ vom 02.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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