Diskussion mit Bundestagsabgeordneten:Unsicherer Handel

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Bei einer Podiumsdiskussion zum Ceta-Abkommen mit Kanada überwiegt die Skepsis

Von Alexandra Leuthner, Grafing

Es ist noch offen, wie sich die 751 Abgeordneten des EU-Parlaments entscheiden werden, wenn sie am 15. Februar über das Ceta-Freihandelsabkommen (Comprehensive Economic and Trade Agreement) zwischen der EU und Kanada abstimmen. Glasklar dagegen ist am Donnerstagabend die Abstimmung im Grafinger Kastenwirt im Landkreis Ebersberg ausgegangen, die der Moderator zu Beginn eines von den Grafinger Grünen organisierten Infoabends vorgeschlagen hatte: Nur einer der knapp 100 Gäste befürwortete den Vertrag.

Auch bei den vier Teilnehmern des Podiums überwog die Ablehnung, selbst Bundestagsabgeordneter Andreas Lenz (CSU) konnte sich nicht zu einem eindeutigen "Ja" durchringen, während sein SPD-Kollege im Bundestag, Ewald Schurer, sich nach seinen Worten derzeit dagegen aussprechen würde. Sollte der Vertrag in Straßburg durchgehen, müsste er in Bundestag und Bundesrat auch erst ratifiziert werden, dann müssen beide Abgeordneten Farbe bekennen.

Im Gegensatz zum ursprünglichen Vertragsentwurf von 2014, so Schurer, habe es sicherlich Nachbesserungen gegeben, verankert in Zusatzprotokollen. Die Frage sei, ob diese Protokolle eine ausreichende Relevanz hätten. So seien zwar die so genannten ILO-Kernarbeitsnormen eingearbeitet (Sozialstandards wie Abschaffung der Kinderarbeit und Vereinigungs- also Organisationsrecht, auf die sich 120 Staaten der Welt geeinigt haben, Anm. d. Red.), es fehlten im Vertrag allerdings die Sanktionsmaßnahmen, erklärte Schurer.

Sehr viel deutlicher in seiner Kritik am Vertragswerk wurde Karl Bär vom Umweltinstitut München. Es habe sich im Großen und Ganzen wenig geändert, sagte er. Zwar müssten die umstrittenen Schiedsgerichte jetzt mit Mitgliedern besetzt werden, die eine Richterausbildung in ihren Heimatländern hätten, aber die ebenfalls kritisierten Sonderrechte für international agierende Firmen, nämlich auf Entschädigungszahlungen, gebe es nach wie vor. Henning Hintze, Vertreter des globalisierungskritischen Netzwerks Attac, setzte hinzu, es sei kein anderes Abkommen bekannt, "in dem ein Unternehmen einen Staat verklagen kann wegen entgangener zukünftiger Profite", und das auf Basis des Grundbegriffs einer gerechten und fairen Behandlung. "Da kann sich jeder was anderes drunter vorstellen." Im übrigen müssten nicht unbedingt Richter in den Schiedsgerichten sitzen, sondern Personen, die "eine große juristische Kompetenz nachweisen können". Es könnten also Wirtschaftsanwälte über Milliarden Entschädigungszahlungen entscheiden, sagte er. "Das können Demokraten nicht unterschreiben."

CDU-Abgeordneter Lenz hielt dem entgegen, in dem Vertragswerk stehe auch, dass viele Bereiche der nationalen Politik nicht von den Regelungen betroffen seien, zum Beispiel Verschärfungen im Umweltrecht fielen auch weiterhin unter das souveräne "right to regulate" der Staaten. Da könne eine nationale Regierung so viel regulieren wie sie wolle, entgegnete Karl Bär, eine Firma, die sich enteignet fühle, könne dennoch vor den Schiedsgerichten klagen, das sei mit dem so genannten "Investitionsschutz" gemeint. Der im übrigen, ergänzte Hintze von Attac, auch noch für 15 Jahre weiter gelte, sollte der Vertrag wieder abgeschafft werden - wofür ein einstimmiges Votum aller ratifizierenden Mitgliedsstaaten notwendig sei, also eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit.

Die Diskussionsteilnehmer waren sich immerhin darin einig, dass der Freihandelsvertrag in einem globalen Zusammenhang gesehen werden müsse. So erklärte Lenz, ihm sei ein Vertrag lieber, von dem viele auch auf dem Podium glaubten, er sei ein Vorbild, eine "Blaupause" für viele andere künftige, in dem zumindest die internationalen Menschenrechtsnormen verankert seien, als einer, bei dem das nicht der Fall sei. Ewald Schurer hatte gleich zu Beginn auf die "Schräglage der Welt" hingewiesen, in der ein Kontinent wie Afrika nur zwei Prozent am Welthandel für sich reklamieren könne. Ceta sei ein Vertrag "zwischen Giganten", der das Ungleichgewicht zementiere, "wir bräuchten eher Freihandelsverträge mit wirtschaftlich schwachen Staaten", ein Gedanke, dem auch Lenz zuneigte. Unter den Stellungnahmen aus dem Publikum, zu denen Moderator Fritz Lietsch aufrief, war es die der Landkreis-DGB-Vorsitzenden Eva-Maria Volland, die wohl das mehrheitliche Empfinden auf den Punkt brachte: "Ceta ist das Interesse der Konzerne. Die wollen mehr Macht und mehr Geld, und das ist der Grund warum wir hier dagegen sind."

© SZ vom 13.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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