Nach Urteil des Bundesverwaltungsgerichts:Bürger fordern Corona-Bußgelder zurück

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Das Ergebnis der Ausgangsbeschränkung: eine leere Lange Zeile in der Erdinger Altstadt mitten am Tag im April 2020. (Foto: Renate Schmidt)

Die bayerische Ausgangsbeschränkung war nach Ansicht der Richter unverhältnismäßig. Im Landratsamt Erding laufen bereits die ersten Anfragen ein.

Von Thomas Daller, Erding

Wer im April 2020 vor seine Haustür trat, brauchte in Bayern dafür einen "triftigen Grund": Das konnte der Gang zum Supermarkt sein oder die Fahrt zur Arbeit. Ärger mit Polizei und Ordnungsamt bekam man zum Beispiel auch, wenn man ein Buch auf einer Parkbank lesen wollte oder sich nach 21 Uhr noch beim Joggen erwischen ließ. Die damaligen Einschränkungen zu Beginn der Corona-Pandemie waren autoritär und hart - und in Teilen rechtswidrig, wie das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig zuletzt feststellte. Insgesamt sind seit Beginn der Corona-Pandemie im Landkreis Erding 3462 Anzeigen der Polizeidienststellen, Ordnungsämter und des Gesundheitsamtes zu Verstößen gegen die coronabedingten Einschränkungen eingegangen. Ein Teil der Bußgelder wird nach dieser Rechtsprechung wohl zurückgezahlt werden müssen. Wie das gehandhabt wird, ist allerdings noch offen.

Hintergrund der Entscheidung des obersten deutschen Verwaltungsgerichtes ist die "1. Bayerische Infektionsschutzmaßnahmenverordnung", die eine Ausgangsbeschränkung vorsah; gültig war sie vom 1. bis zum 19. April 2020. Jene Regelung, wonach man einen "triftigen Grund" zum Verlassen der Wohnung brauchte, erklärte das Gericht für unverhältnismäßig. Von der Beschränkung sei auch das "Verweilen im Freien alleine oder ausschließlich mit Angehörigen des eigenen Hausstandes erfasst gewesen", heißt es vom Bundesverwaltungsgericht. Eine Notwendigkeit dieser Maßnahme im Sinne des Infektionsschutzes konnten die Richter in Leipzig "nicht erkennen".

Die meisten Verstöße wurden mit 150 Euro Bußgeld geahndet

Was das für die Betroffenen bedeutet, ist noch ungewiss. In ganz Bayern wurden rund 22.000 Bußgelder in diesem Zeitraum verhängt. Die meisten "Verstöße" gegen die nun im Nachhinein als unrechtmäßig erkannten Verordnung wurden in der Regel mit einem Bußgeld in Höhe von 150 Euro geahndet. Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) plädiert dafür, dass diese Gelder zurückgezahlt werden sollten, wenn Bürger einen begründeten Antrag stellten. Die Staatsregierung will allerdings erst noch die schriftliche Urteilsbegründung analysieren.

Das sorgt auch beim Landratsamt Erding für "Irritationen"; das Thema wurde bei der Jahrespressekonferenz aufgegriffen. Das Landratsamt konnte dabei lediglich die Zahl der Anzeigen beziffern, die insgesamt seit Beginn der Pandemie eingegangen waren, die Zahl der geahndeten Verstöße gegen die 1. Bayerische Infektionsschutzverordnung vom 1. bis 19. April 2020 im Landkreis Erding wurde dabei nicht einzeln errechnet.

Nach Kenntnis des Landratsamts ist noch offen, wie nun damit umzugehen ist

Es gibt jedoch schon die ersten Anfragen von betroffenen Bürgern, sagte Pressesprecherin Claudia Fiebrandt-Kirmeyer. Laut Kenntnisstand des Landratsamtes ist derzeit noch offen, wie mit den Bußgeldbescheiden umzugehen ist, die im Zusammenhang mit der unwirksamen Ausgangsbeschränkung von den Kreisverwaltungsbehörden erlassen worden sind. Geklärt muss werden, ob dies dazu führt, dass die Betroffenen einen Anspruch auf die Wiederaufnahme ihrer Verfahren, Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand und auf die Rückzahlung der geleisteten Gelder haben.

Aktuell fehlt noch eine klare Linie: Einige Kommunen hatten sich zwischenzeitlich gegen eine Rückerstattung ausgesprochen, die kommunalen Spitzenverbände forderten eine einheitliche Vorgabe durch die Staatsregierung. Das Gesundheitsministerium hat versucht, die Wogen mit dem Hinweis zu glätten, dass die Frage der Rückerstattung nur einen kleinen Teil der Bußgelder betrifft. Sollten Kommunen nun Bußgelder zurückerstatten müssen, sieht das Ministerium keine finanzielle Mehrbelastung für die Kommunen. Bei den Corona-Bußgeldern handele es sich um Einnahmen, "die grundsätzlich in den Staatshaushalt einfließen und über die Finanzzuweisungen an die Kommunen zurückgereicht worden sind".

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