Bruck/Glonn:Geschnitten, nicht gezuzelt

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Magdalena Heimann aus Bruck ist zur bayerische Weißwurstkönigin gekürt worden. Ein Besuch in der Metzgerei von "Lena I."

Von Korbinian Eisenberger, Bruck/Glonn

Ein Längsschnitt zum Halbieren? So mancher würde bei diesem Vorschlag vermutlich sehr deutlich werden: Sie sagt nur: "Um Gottes Willen." Mit einem Lächeln in der Stimme. Aber so, dass die Botschaft trotzdem ankommt: Längsschnitt und halbieren geht bei einer Weißwurst überhaupt gar nicht.

Die Metzgereifachverkäuferin Magdalena Heimann hat einen Titel erworben, der Weißwurstessern Respekt einflößen kann. Die Bruckerin darf sich seit zwei Wochen bayerische Weißwurstkönigin nennen - Königin Lena I. Gekrönt wurde sie Ende Oktober im niederbayerischen Bodenmais - unweit von Zwiesel, dem selbsternannten Mittelpunkt der Weißwurstwelt. Dort, wo eine aufgespießte Brühwurst den Freistaat Bayern ab dem 49. Breitengrad nordwärts von Restdeutschland trennt.

Es muss ein ziemlich skurriler Fleck Erde sein, wenn jedes Jahr Kandidatinnen aus ganz Bayern zum Finale herkommen. Es geht dann um eine goldene Krone und ein Zepter mit einer Weißwurst oben drauf. In diesem Wettbewerb hat sich die 20-Jährige gegen sechs Mitbewerberinnen durchgesetzt. Ein Gstanzl musste sie singen, Fachfragen zur Weißwurst beantworten (Alter, Erfinder, Zutaten) und eine Weißwurst mit verbundenen Augen enthäuten. Heimann überzeugte die Jury offenbar, oder wie es die Lokalpresse in Zwiesel zusammenfasste: "Die neue Regentin dankte für das Vertrauen und konnte ihr Glück noch gar nicht fassen."

An diesem Nachmittag in Glonn hat Magdalena Heimann die Fassung längst gefunden. Sie ist gerade mit ihrer Schicht fertig und hängt die Schürze an die Wand. Hier in Glonn ist eine von drei Filialen ihrer Familie, dort arbeitet sie als Metzgereifachverkäuferin. "Ein schöner Beruf", sagt sie. Metzgereifachverkäuferin heißt nicht Metzgerin, mit Blut hat ihre Aufgabe nicht viel zu tun. Eher mit Herzblut. Trotzdem sei es immer schwieriger, Leute zu finden, die ihn noch lernen wollen, sagt sie: "In meinem Alter gehen viele lieber studieren statt hinzulangen."

Mit der Krone liegt nun eine staatstragende Last auf ihren Schultern. Oder? "Für unseren Betrieb ist dieser Titel vor allem was schönes", sagt sie. Seit in Glonn Lena I. hinter der Theke steht, verkaufen sie deutlich mehr Weißwürste. Sie wollen ein Weißwurst-Fest vor der Metzgerei feiern, und überhaupt. Wer eine Königin in der Familie hat, von dem können die Weißwürste so schlecht nicht sein. "Fluffig locker", muss sie sein, sagt Heimann, mit frischer Petersilie "und einem Hauch von Zitrone".

Sowas lernt, wer in einer Metzgerei-Familie aufwächst. Nun werden Tage und Wochen kommen, da steht Heimann nicht im Laden sondern weiht irgendwo eine Messe ein, eröffnet Volksfeste oder kommt zu Werbeveranstaltung, die ersten Termine stehen fest. Heimanns Vorgängerin Ramona Nadler aus Münchsmünster (Kreis Pfaffenhofen) war 28, als sie 2017 den Thron in Zwiesel bestieg, Heimann ist acht Jahre jünger, sagt aber: "Ich krieg das hin, wär' ja noch schöner."

Lena I. ist die sechste Weißwurstkönigin. Ihre Vorgängerin hatte vergangenes Jahr die Ehre, Stargast bei einer Veranstaltung in Hohenlinden zu sein, bei der eine Bäckereikette erstmals einen Weißwurst-Hotdog präsentierte. Ja, so was kann einem auch blühen als Brühwurst-Monarchin im Freistaat Bayern. Weißwurst mit Salatblatt in der Semmel statt mit Laugenbreze und Senf. Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Heimann sagt dazu lieber mal nichts. "Um Gottes Willen", denkt sie sich höchstens, wer weiß.

Sollen sie ihre Weißwurst servieren wie sie wollen. Viel entscheidender, sagt Magdalena Heimann, sei die Gangart bei der Befreiung der Wurst von ihrer Haut. Zuzeln, wie es Traditionalisten nach wie vor Praktizieren? Oder ein Kreuzschnitt (dabei wird die Wurst seitlich angestochen, diagonal angeschnitten und dann mit der Gabel aus der Haut gedreht)? Heimann hat ihren ganz eigenen Stil: Sie macht es an einer Weißwurst vor: Ein Stich ganz vorne, ein einfacher Seitenschnitt. So wird die Wurst Scheibe für Scheibe verspeist. "Dadurch bleibt der Rest warm", sagt sie.

Und so wird es bald hinaus gehen, von Wildenholzen, diesem winzigen Ort zwischen Bruck und Glonn, in die weite Weißwurstwelt. "Lena I., die künftige Regentin, zählte ihre Reiselust (...) zu den Steckenpferden", analysierte die Lokalzeitung in Niederbayern treffenderweise. "Die Unternehmungen mit ihrem Freundeskreis" zählt das Blatt allerdings auch dazu. Daheim, wo es mit dem Fahrrad drei Minuten zur Metzgerei dauert.

© SZ vom 03.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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