Bioethik ist ein großes Thema:Für das Menschliche

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Der Mukoviszidose-Patient Stefan Kruip ist in den Deutschen Ethikrat berufen worden

Von Annalena Ehrlicher, Zorneding

"Mir ist auch schon aufgefallen, dass sich mein Name zwischen den anderen Mitgliedern etwas schlicht ausmacht", sagt Stephan Kruip lachend. Der 50-jährige Zornedinger ist der Vorsitzende des Deutschen Mukoviszidose-Vereins sowie das neueste Mitglied des Deutschen Ethikrats. Wirft man einen Blick auf dessen Mitgliederliste, stellt man schnell fest, dass Kruip eine von zwei nicht promovierten Personen ist. "Ich sehe meine Aufgabe unter anderem in der Erdung der hochkarätigen Wissenschaftler", so der Diplom-Physiker. Mindestens ein Mitglied des Ethikbeirates soll ein Mensch sein, der mit einer Behinderung lebt. Kruip hat die Genkrankheit Mukoviszidose. "Die Mukoviszidose werde gerne als Paradebeispiel für bioethische Diskussionen herangezogen, sagt er. Die Krankheit ist monogenetisch und endet tödlich - für bioethische Überlegungen über den Einsatz von Stammzellentherapie sowie Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik eignet sie sich entsprechend gut.

Der 50-Jährige ist in Vollzeit berufstätig und kümmert sich um die Belange des Mukoviszidose-Vereins. Wie lässt sich das zeitlich vereinbaren? "Ich nehme das sehr ernst und habe auch wirklich überlegt, ob ich dieser neuen Aufgabe gerecht werden kann", sagt er, "aber es ist natürlich eine sehr große Ehre für mich, und ich probiere das jetzt." Mindestens einmal im Monat findet eine Plenarsitzung des Ethikrates statt, in der Vorschläge und Stellungnahmen diskutiert werden. Hinzu kommen Jahrestagungen, das Bioethikforum und diverse Arbeitsgruppen. Ein weiterer Punkt wirkt erschwerend für Kruip: "Die anderen Mitglieder sind ja alle auf ihren Berufsfeldern unterwegs, das ist bei mir anders", sagt er. Die Arbeit als Patentprüfer am Europäischen Patentamt sei vieles - "ethisch betrachtet aber eher überschaubar." Sein Ansatz innerhalb des Rates ist, die Perspektive von Menschen mit Beeinträchtigungen einzubringen. Besonders interessant ist für ihn, dass der Ethikrat sich multidisziplinär zusammensetzt. Von Juristen über Philosophen bis zu Biologen treffen sich hochkarätige Wissenschaftler - und Stephan Kruip.

"Was man nicht vergessen darf, ist, dass es bei all den Überlegungen ganz konkret eben doch um Menschen geht", sagt er. Trotz guter Vorsätze innerhalb der Politik hapere es häufig noch in der Praxis. Gesetze werden zum Schutz von beeinträchtigten Personen verabschiedet, können aber nicht richtig umgesetzt werden. "Ich sehe häufig bei Mukoviszidose-Patienten, die es besonders schwer haben, dass diese mit den Kostenträgern am meisten streiten müssen." Dennoch ist ihm bewusst, dass "das Auseinanderdriften von gutem Willen und Praxis" ein Thema ist, das möglicherweise schwer einzubringen sein könnte. Was die Aufgaben des Ethikrats anging, musste er sich erst orientieren. Grundsätzlich sind Themen der Bioethik in den vergangenen Jahren immer stärker in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Fragen wie die Beschneidung von Kleinkindern, die anonyme Babyklappe, Big Data und Datenschutz im Gesundheitsbereich sind längst keine Nischenthemen mehr. Kruip hat sich noch auf keine Arbeitsgruppe festgelegt. Ihm ist bewusst, dass manche Themen so heftig umkämpft sind, dass selbst im Ethikrat keine Einigung erzielt werden kann.

© SZ vom 24.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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