Bildung :Alle unter einem Dach

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Die Echinger Grundschule an der Danziger Straße ist nun offiziell Inklusionsschule: Unterrichtet werden dort auch etwa 30 Kinder mit unterschiedlichen Einschränkungen. Die Lehrer bekommen Unterstützung vom Förderzentrum

Von Alexandra Vettori, Eching

Die Sonne scheint in das riesige Schulzimmer, über 100 Quadratmeter müssen es sein. An verstreuten Tischen sitzen die Kinder in Gruppen, auf dem Boden runde, bunte Teppiche, an den Wänden Bilder, auf Regalen Schulmaterial und Zimmerpflanzen. Es ist leise im Raum, nur Gemurmel ist zu hören. "Wir sind Reporter", erklärt ein Mädchen, "wir müssen aus diesen drei Texten einen Artikel schreiben, aber wir wissen nicht, mit welchen wir anfangen sollen." Gerhard Röck, der Leiter der Grund- und Mittelschule, schaut zufrieden aus bei der Stippvisite, so, genau so, hat er es sich vorgestellt mit dem neuen Schulprofil Inklusion.

Man muss genauer hinsehen, um unter den 31 konzentriert arbeitenden Viertklässlern die sechs Kinder mit Behinderungen, sozialen oder Lerndefiziten zu finden, so das überhaupt bei bloßem Augenschein möglich ist. Röck lächelt, es sei heute aber auch ein Paradetag, räumt er ein, zu den beiden Lehrerinnen sind noch zwei Praktikantinnen von der Universität da, und das Klassenzimmer ist das größte der ganzen Schule. Dazu kommt, dass das Gebäude erst vor zwei Jahren komplett saniert worden ist, daher die frischen Farben, die modernen Möbel, der freundliche Eindruck.

Seit Schuljahresbeginn ist die Grundschule an der Danziger Straße offiziell Inklusionsschule, 30 Kinder mit unterschiedlichen Einschränkungen werden in der Grund- und einer Klasse der Mittelschule unterrichtet. Beworben hat sich Gerhard Röck um den Titel vor allem, weil damit zusätzliche Lehrerstunden verbunden sind, denn inklusiv arbeitet man mit Partnerklassen schon seit über zehn Jahren. 13 Stunden pro Woche kommen zwei Förderlehrerinnen aus dem sonderpädagogischen Zentrum in Pulling nach Eching. Zwei Lehrerinnen, erklärt Röck, seien besonders wertvoll, da sie sich im Krankheitsfall ersetzen können.

Die Einschränkungen der Förderkinder sind ganz unterschiedlich. Der eine ist aufbrausend, kann kaum sitzen bleiben, der andere sehr zurückgezogen und versteckt sich bisweilen unter dem Tisch. Ein Mädchen hat eine körperliche Behinderung und ist motorisch stark eingeschränkt, ein anderes kann fast nichts hören. Es sind in der Regel die Eltern, die ihre Kinder nicht in einem Förderzentrum lassen möchten und an der Regelschule um Aufnahme bitten. Ein Grund ist, dass es dort ein "normales" Zeugnis gibt, mit dem Vermerk, dass in bestimmten Fächern nicht lehrplankonform unterrichtet wurden. Ob es auch für das Kind das Beste ist, das wird in ausführlichen Tests vor der Einschulung festgestellt.

Hat er nicht Angst vor einer Welle aus Kindern mit Einschränkungen in der Profilschule Inklusion? Röck überlegt und betont: "Wir sind kein Förderzentrum light." Soll heißen, dass es pro Klasse eine Obergrenze für Inklusionskinder gibt. Es sei ja nicht so, sagt Röck, dass Kinder ohne Einschränkungen keine Probleme hätten, es gibt ADHS-Kinder und solche mit Migrationshintergrund, die eine Sprachförderung brauchen. Eines darf nicht vergessen werden, die 13 Stunden mit den Förderlehrerinnen sind keine Woche. Den Rest der Stunden ist die Klassenlehrerin allein mit allen Kindern.

"Wir Grundschullehrer sind dafür eigentlich nicht ausgebildet", sagt Stefanie Kreutz, Klassenlehrerin einer zweiten Klasse, die vier Kinder mit Förderbedarf besuchen. Sie selbst hat deshalb ein Inklusions-Praktikum absolviert. Ist sie allein mit der Klasse, ist die große Herausforderung die Differenzierung. An der Echinger Grundschule sieht das so aus: Die Starken gehen raus auf die Gänge oder in die Lehrwerkstätten, arbeiten dort selbstverantwortlich. Die Gänge freilich sind nicht irgendwelche Gänge. Tischgruppen sind hier vierteilt, dazu Kästen auf den Fensterbrettern, die mit Zetteln wie "Minus bis 1000" oder "Plus bis 20" beschriftet sind. Jedes Kind weiß, aus welchem Kasten es die Aufgaben zu holen hat. Drei Monate dauere es erfahrungsgemäß, erzählt Stefanie Kreutz, bis die Kinder das System intus haben und es keinen Lärm mehr gibt.

© SZ vom 13.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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