Sport:Hürdenlauf Inklusion

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Helga Stieglmeier, Sozialreferentin des Erdinger Stadtrats. (Foto: Renate Schmidt)

Offensichtlich ist es nicht leicht, einen Sportverein für Kinder mit Beeinträchtigungen zu finden. Erdings Sozialreferentin Helga Stieglmeier will das ändern.

Von Regina Bluhme, Erding

Den Erdinger Aktionstag "Menschen mit Behinderung" hat Walter Hellinger, Vorstand vom Behinderten- und Versehrtensport (BVS) Erding, genutzt, um über das Angebot seines Vereins zu informieren. Dabei ist er am Sonntag mehr als einmal von Eltern angesprochen worden, die nach Sportvereinen für Kinder mit Einschränkungen fragten. Beim gemeinsamen Sport von behinderten und nicht behinderten Buben und Mädchen ist offensichtlich noch Luft nach oben. Stadträtin Helga Stieglmeier, Initiatorin des Aktionstags, plant nun mit Sportreferentin Janine Altheimer ein Treffen mit Vertretern von Sportvereinen, um das Thema Inklusion voranzutreiben.

Insgesamt ist BVS-Vorstand Walter Hellinger sehr zufrieden mit der Resonanz der Besucher und Besucherinnen des Aktionstags, wie er auf Nachfrage am Montag sagt. Das Interesse, sich mit behinderten Menschen auseinanderzusetzen, sei da. "Ein bisserl erschüttert" habe ihn allerdings, dass einige Elternpaare ihn angesprochen haben, ob er nicht einen Sportverein für ihre Kinder wüsste. Es gebe offensichtlich kein passendes Angebot für Buben und Mädchen mit Einschränkungen.

Der BVS selbst hat keine eigene Kinder- und Jugendabteilung, so Hellinger. Die Mitglieder - passiv und aktiv sind es insgesamt 140 - seien in der Mehrzahl "ältere Semester". Gerne würde der Verein jüngere Erwachsene willkommen heißen. Sie können unter den Abteilungen Schwimmen (nur im Hallenbad), Gymnastik, Sitzball und Kegeln auswählen. Die Erdinger Sitzballmannschaft, eine von zwei in ganz Ober- und Niederbayern, ist im Übrigen sehr erfolgreich. Gekegelt wird in Jimmys Restaurant am Schwimmbad in Erding - der Weg zu den Kegelbahnen ist jedoch nicht barrierefrei. Zwei Treppen führen hinunter zur Bahn.

Warum sich beim Thema Inklusion in Sportvereinen noch zu wenig tut, könnte nach Ansicht von Walter Hellinger auch an fehlenden Übungsleitern liegen, die ja überall fehlen. Er selbst habe zunächst auch nicht gedacht, dass er als Übungsleiter aktiv sein werde. Er sei von einem Bekannten angesprochen worden und nun ist er mit vollem Herzen dabei. Was ihm am Behindertensport gefalle: "Die Spieler und Spielerinnen sind mit solcher Begeisterung dabei - und da ist niemand, der jammert."

Ein Unfall, eine Krankheit - und die Welt sieht anders aus, nämlich voller Barrieren

Ziel des Aktionstags am Sonntag war nach Angaben von Grünen-Stadträtin Helga Stieglmeier, "Sensibilität und Verständnis für Menschen mit Behinderung zu wecken und Berührungsängste abzubauen". Sie habe den Tag als "sehr positiv" erlebt. Auch das Jugend- und Kulturhaus Sonic hatte sich am Aktionstag beteiligt. Beim Rollstuhl- und Blindenparcours, mit einer Schlechtseh- und Blindenbrille, einem Blindenstock und einer Braille-Schreibmaschine hätten sich Interessierte in die Probleme behinderter Menschen versetzen können, so Stieglmeier.

Auch ein Gebärdendolmetscher war am Sonntag für den Aktionstag "Menschen mit Behinderung" fest eingeplant, um auch die Belange gehörloser Menschen einzubeziehen. Nach einer Absage fand sich nach Angaben von Stieglmeier leider kein Ersatz, denn auch Gebärdendolmetscher gebe es einfach viel zu wenige.

Dabei sei es wichtig, immer wieder daran zu erinnern, dass jeder von einer Behinderung betroffen sein könne, betont die Erdinger Sozialreferentin. Ein Unfall, eine Krankheit - und die Welt sieht anders aus, nämlich voller Barrieren und Hürden. Eine Stufe sei für einen gehbehinderten Menschen "ein Mont Blanc, und zwei Stufen sind der Mount Everest", so beschreibt es Walter Hellinger. Kopfsteinpflaster mit einem Rollator oder Rollstuhl zu befahren, ein kräftezehrender Akt. Was das Kopfsteinpflaster in der Altstadt betreffe, "da ist die Stadt ja ohnehin schon dran, die Situation peu à peu zu verbessern", erklärt Helga Stieglmeier. Oberbürgermeister Max Gotz (CSU), der zusammen mit Stieglmeier den Aktionstag eröffnet hatte, habe das Thema "auf dem Schirm".

Auch die in Erding gegründete Hochschule widmet sich dem Thema Sport und Inklusion

Auch Helga Stieglmeier ist am Aktionstag "Menschen mit Behinderung" von einer Mutter angesprochen worden, die für ihre Tochter einen geeigneten Sportverein sucht. "Diese Veranstaltung soll keine einmalige Geschichte bleiben", betont Stieglmeier. Sie wolle beim Thema Inklusion in Sportvereinen dranbleiben. Gemeinsam mit Erdings Sportreferentin Janine Altheimer (CSU) werde sie sich mit Vertretern von Sportvereinen vor Ort zum Gespräch treffen.

Kontakte gebe es auch zu der in Erding gegründeten Hochschule für Angewandtes Management. An der Hochschule, die mittlerweile ihren Sitz in Ismaning hat, gibt es ein interessantes Forschungsprojekt. Das Thema: "Integration/Inklusion mit, im und durch Sport für Familien mit beeinträchtigten Kindern in Bayern".

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