Kindesmisshandlung im Landkreis Erding:Mutter zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt

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Mit einem Messer soll der Angeklagte drei Männer in Neufahrn attackiert haben, derzeit läuft der Prozess in Landshut. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Jugendkammer des Landgerichts Landshut kommt am Ende eines Indizienprozesses zu der Überzeugung, dass die heute 25-Jährige ihrer damals zweijährigen Tochter vorsätzlich schwere Verletzungen im Intimbereich zugefügt hat.

Von Alexander Kappen, Landshut/Erding

Was geschah an jedem 23. Dezember 2018 in der Wohnung in einer Gemeinde im Landkreis Erding, in dem ein damals zweijähriges Mädchen so schwer im Intimbereich verletzt wurde, dass es notoperiert werden musste? War es der damalige Lebensgefährte der Kindsmutter, gegen den zunächst ermittelt worden war? Oder eben doch die Mutter selbst, gegen die von der Staatsanwaltschaft schließlich Anklage erhoben wurde?

Die Jugendkammer des Landgerichts Landshut unter Vorsitz von Richterin Michaela Wawerla kam nach mehrwöchiger Beweisaufnahme zu der Überzeugung, dass die Mutter, wie angeklagt, dem Mädchen eine harten Gegenstand in den Genitalbereich gestoßen hat. Das Gericht verurteilte die heute 25-Jährige am Donnerstag wegen der Misshandlung von Schutzbefohlenen und gefährlicher Körperverletzung zu einer Gefängnisstrafe von drei Jahren und sechs Monaten.

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Die Staatsanwältin gelangte in ihrem Plädoyer zu dem Schluss, dass sich die Tat so, wie es in der Anklageschrift stand, zugetragen hatte. Demnach saß die Mutter, die kurz zuvor mit ihrer kleinen Tochter bei ihrem damaligen Freund eingezogen war, mit diesem und dem Kind beim Abendessen. Als sich das Kind eingenässt habe, seien die Angeklagte und ihr Freund mit dem Mädchen ins Bad gegangen. Der Freund habe dem Kind die Hose ausgezogen und den Raum verlassen, um Wechselkleidung zu holen. Dann habe er mehrere Umzugskartons vom Erdgeschoss in die Wohnung im ersten Stock getragen. Die Mutter sei in der Zeit mit dem Kind im Bad gewesen. Es sei zum Streit gekommen. Die Mutter habe einen harten Gegenstand genommen und dem Mädchen in die Scheide gestoßen. Danach habe sie das stark blutende Kind auf die Toilette gesetzt, bis der Freund gekommen sei, der zusammen mit der Mutter das Kind ins Krankenhaus brachte.

"Nur die Angeklagte oder ihr damalige Freund kommen als Täter in Frage", sagte die Staatsanwältin. Die Beweisaufnahme habe ergeben, "dass die Angeklagte die Tat begangen hat". Zunächst hätten die 25-Jährige und ihr Freund, mit dem sie nach dem Vorfall noch einige Zeit zusammenlebte, stets eine deckungsgleiche Aussage zu Protokoll gegeben: Der Freund habe dem Kind die Hose ausgezogen und weggebracht, die Angeklagte sei im Bad geblieben und habe das Mädchen auf die Toilette gesetzt.

Plötzlich ändert die Angeklagte ihre Aussage

Doch plötzlich habe die Angeklagte ihre Aussage geändert - im alles entscheidenden Punkt. Sie habe auf einmal angegeben, sie sei in der Küche gewesen und ihre Freund allein mit dem Kind ins Bad gegangen, bis dieses laut geschrien habe. Dem widerspreche aber unter anderem eine Whatsapp-Nachricht der Angeklagten an ihren Vater vom 24. Dezember 2018, in der sie die erste Version bestätigt habe. Dass es einen DNA-Treffer des Freundes am Kind gegeben habe, könne daher rühren, "dass die Angeklagte einen Gegenstand benutzt hat, den er zuvor schon mal in der Hand hatte. Es war ja seine Wohnung und sein Bad". Die Staatsanwältin sprach von einer "Misshandlung in unbarmherziger Gesinnung" und beantragte vier Jahre und sechs Monate Haft.

Der Verteidiger dagegen beantragte einen Freispruch. Es gebe keinen nachgewiesenen Tatort, kein Tatmittel und kein Tatmotiv. "Es ist genauso gut möglich, dass der Freund die Tat begangen hat." Dass die 25-Jährige nicht gleich gesagt habe, dass er mit der Tochter alleine im Bad war, liege daran, dass sie befürchtet habe, das Jugendamt könne ihr wegen Verletzung der Aufsichtspflicht das Sorgerecht entziehen. Er verwies auch auf vier vom Ex-Freund gedrechselte Holz-Dildos, von denen nach der Tat plötzlich einer spurlos verschwunden sei. Es gebe auch keinerlei Hinweis, dass, wie in der Anklage erwähnt, eine elektrische Zahnbürste das Tatwerkzeug gewesen sei. Und warum die Staatsanwaltschaft erst den Ex-Freund und dann plötzlich die Angeklagte beschuldigt habe, "bleibt im Dunkeln".

Die Kammer, die weitgehend der Argumentation der Staatsanwaltschaft folgte, räumte ein, als Täter kämen die Angeklagte, der Ex-Freund oder beide in Frage - und es gebe keine eindeutigen Beweise. Aber eben Indizien, die das Gericht zu der Überzeugung bringen, dass es die Mutter war. Über das Motiv lasse sich nur spekulieren.

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