Aufgemuckt in Hallbergmoos:Auf der Flucht vor der Startbahn

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Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) will in Hallbergmoos eigentlich über innere Sicherheit sprechen. Er stellt sich aber auch den Fragen der Gegner des Flughafenausbaus

Von Gerhard Wilhelm, Hallbergmoos

Für den CSU-Ortsverband Hallbergmoos-Goldach sollte es ein großer Abend werden: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hatte sein Kommen zugesagt, um über innere Sicherheit zu reden. Eingeladen war die gesamte Bevölkerung in den Alten Wirt. Dass auch die Startbahngegner kommen würden, war abzusehen. Im Saal des Alten Wirtes musste sich Herrmann auch Fragen anhören, die seine rigide Einstellung in der Flüchtlingsfrage betrafen. Vor dem Wirtshaus kam es zu einem Zusammentreffen mit den Startbahngegnern.

"Sie schaffen Flüchtlinge in Bayern", rief ein Attachinger Landwirt Bayers Innenminister Joachim Hermann zu. "Wo sollen wir den hingehen, wenn die dritte Startbahn gebaut wird?" Dass man den Startbahnbefürworter Herrmann "nicht ungeschoren davon kommen lassen" wolle, das hatte Aufgemuckt-Sprecher Jürgen Steiner zuvor bereits angekündigt. Herrmann solle ruhig sehen, "dass wir nach wie vor gegen die dritte Startbahn kämpfen". Es sollte eine ruhige Demonstration werden, ohne Trillerpfeifen und viel Lärm, mehr eine Mahnwache. Und zu der waren letztlich etwa sechzig Startbahngegner gekommen - 100 hatte Steiner angemeldet. Flankiert von etwa zwanzig Polizisten. "Alles im normalen Rahmen", sagt Neufahrns Dienststellenleiter Peter Vogtleitner. Notfalls würde man halbseitig die Straße sperren, wenn der Platz auf dem Gehsteig für die Demonstranten nicht ausreiche.

Der Widerstand gegen die dritte Startbahn ist ungebrochen. Dieses Signal wollten die Mitglieder des Aktionsbündnisses Aufgemuckt aussenden. (Foto: Lukas Barth)

Dazu kam es, als Joachim Herrmann die Reihe der Startbahngegner abschritt, immer wieder "Grüß Gott" sagte, Hände schüttelte und sich Zeit nahm für das eine oder andere Gespräch. BI-Sprecher Hartmut Binner überreichte ihm den neuesten "Faktencheck" zur dritten Startbahn mit der Bitte, alles auch wirklich zu lesen. Hermann versprach es. Die Demonstranten empfingen ihn mit vielen Fragen: Wieso er wolle, dass ihre Heimat zerstört werde? Warum man bauen wolle, wenn es doch noch Luft für etwa 100 000 Starts und Landungen im Jahr gebe? Warum höre er nicht auf des Volkes Stimme? Hermann suchte immer wieder kurz das Gespräch - aber stets wurde schnell deutlich, dass zwei Welten aufeinander prallen. "Ich will niemanden vertreiben, aber langfristig werden wir die dritte Startbahn brauchen", sagte Hermann öfters. Ob er das wirklich wisse, wurde er gefragt. "Ich glaube es", so der Innenminister. "Glauben heißt, es nicht zu wissen", wurde ihm entgegnet: "Begraben sie die dritte Startbahn." Doch davon will Hermann nichts wissen, zumal erst vor kurzem das Bundesverwaltungsgericht die letzten Beschwerden von Anwohnern und Bund Naturschutz zurückgewiesen hat. Damit steht dem Bau der dritten Startbahn zumindest juristisch nichts mehr im Weg.

Innen im Saal des Alten Wirts hieß es dann: "Es gibt ein Thema, an dem wir alle nicht vorbei kommen: Die Flüchtlinge." Das sagte der Hallbergmooser Bürgermeister Harald Reents (CSU). Bisher sei man in der 11 000-Einwohner-Gemeinde Hallbergmoos sehr gut damit zurecht gekommen. "Vielleicht auch weil hier 80 Nationen leben und es sehr viel Hilfsbereitschaft gibt." So hätten sich bei dem zu gründenden Arbeitskreis Asyl bereits 40 Bürger eingetragen. Unbefriedigend sei aber die Ungewissheit. "Eine Traglufthalle steht im Raum. Wir wissen aber nicht ob, wann und wo", sagte Reents.

Trompete statt Trillerpfeife: Die Bürger in der Flughafenregion demonstrieren weiterhin gegen den geplanten Flughafenausbau. (Foto: Lukas Bart)

"Ich gehe einer Diskussion nicht aus dem Weg", sagte Herrmann zu den Startbahngegnern. "Aber heute ist die innere Sicherheit das wichtigere Thema." Die Prosperität Bayerns hänge eng mit der inneren Sicherheit zusammen, sie sei ein "Markenzeichen der CSU", sagte er. Daher dürfe der Staat bei der Polizei nicht sparen. Man wolle auf keinen Fall, dass Bürger das Gefühl hätten, dass die innere Sicherheit durch die neue Lage leide. "Wenn ich sage, wir kommen mittlerweile an unsere Grenzen, dann meine ich das nicht bösartig, sondern es ist ein Stück Realismus. Es sind die Grenzen persönlicher Leistungen."

In der Flüchtlingsfrage müsse man jetzt klare Signale setzen, forderte Herrmann. In einem freiheitlichen, toleranten Europa dürfe man sich nicht von rechten Fanatikern oder islamistischen Hetzern verführen lassen. "Wenn wir eine Lehre aus der nationalsozialistischen Zeit ziehen, dann die: Man darf nicht zu lange tolerant sein gegenüber fanatischer Intoleranz."

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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