Amtsgericht Erding:Unerquickliche Privatsache

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Eine Beziehung geht mit Beleidigungen und Einsperren in der Küche zu Ende. Am Ende steht Aussage gegen Aussage

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Beziehungen gehen oft nicht im Guten auseinander. Manchmal trifft man sich nach der Trennung sogar vor Gericht wieder. So, wie jüngst am Amtsgericht Erding. Angeklagt war ein 42-Jähriger wegen Freiheitsberaubung und Beleidigung. Laut Anklage hatte er seine frühere Lebensgefährtin im Juni 2020 für jeweils drei Minuten in der Küche und im Bad eingesperrt. Zudem habe er die 55-jährige Frau "alte Schabracke" genannt.

Der Angeklagte beteuerte, dass das nicht stimme. Na ja, die Beleidigung schon, aber seine Ex habe ihn zuvor auch mehrfach beleidigt. Am Tag nach dem Streit hätten sie sich getrennt - und er sei froh darüber. Seine damalige Freundin schilderte den Vorfall mit viel Emotion in der Stimme ganz anders. Letztlich stand Aussage gegen Aussage. Richterin Michaela Wawerla stellte das Verfahren ein, mit einer Ermahnung an den Angeklagten, sich von seiner ehemaligen Lebensgefährtin künftig fern zu halten.

Es waren zwei sehr verschiedene Charaktere, die im Gerichtssaal erschienen waren. Auf der einen Seite der Angeklagte, der einen eher ruhigen Eindruck machte. Er schilderte den Abend so: Auslöser des Streits sei gewesen, dass er zuvor seine Tochter besucht habe und seine Lebensgefährtin ihm, wieder einmal, unterstellte, dass er immer noch was mit seiner Ex-Frau habe. Sie habe ihn in der Küche massiv beschimpft und auch geschubst. Um Abstand zu gewinnen, sei er aus der Küche und habe nur ein paar Sekunden die Küchentür zugehalten. Kurz darauf habe sich das Spiel im Bad wiederholt. Er sei schließlich ins Wohnzimmer geflüchtet, habe sich dort eingeschlossen und bis zum Morgen geschlafen. Der Angeklagte sagte, dass es "eine schlechte Idee" gewesen sei, die Tür zuzuhalten. Seine Lebensgefährtin sei eh schon "voll hysterisch" gewesen und dadurch nur noch mehr ausgetickt. Er habe aber gar nicht von außen zusperren können, da der Schlüssel bei der Bad- und der Küchentür innen stecke.

Seine ehemalige Lebensgefährtin sagte, dass der Angeklagte nicht mit der Anwesenheit ihrer Töchter klar gekommen sei. An jenem Abend habe er sie zudem beschuldigt "seine Medizin", Cannabis, aus dem Bad gestohlen zu haben. Er sei laut geworden, während sie versucht habe, ihn zu beruhigen. Wenn er mal wieder "betrunken ohne Ende" gewesen sei und Cannabis geraucht habe, sei er eben ausgetickt. "Es war monatelang die Hölle." Er habe sie ganz sicher eingeschlossen, sie habe das Klicken des Schlüssels deutlich gehört. Den Schlüssel müsse er schnell von innen abgezogen haben.

Die Folgen des Abends schildert die Frau drastisch. Sie habe nach wie vor Angst vor dem Angeklagten und traue sich kaum noch raus zu gehen. "Es läuft alles immer wieder wie im Film ab", sagte sie vor Gericht. Sie sei deshalb sogar fast drei Wochen in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Sie leide unter chronischen Depressionen und nehme jetzt Medikamente. "Ja, ich war damals auch laut", gab sie zu, aber sie sei kein "Schreimonster", wie ihr Ex behaupte. Keine Antwort hatte sie auf die Frage der Staatsanwältin, warum sie sich nicht zum eigenen Schutz im Bad eingesperrt habe.

Die Staatsanwältin regte nach ein Gespräch mit der Richterin und dem Rechtsanwalt der 55-Jährigen eine Einstellung des Verfahrens nach Paragraf 153 der Strafprozessordnung an. Dieser sieht vor, dass die Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Gerichts von der Verfolgung absehen kann, wenn die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an einer Verfolgung besteht. So wie in diesem Fall.

© SZ vom 04.10.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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