Amtsgericht Erding:Auch nach vier Zeugen bleiben Zweifel

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Nach einer Zurückweisung durch zwei junge Frauen eskaliert in einer Sisha-Bar die Situation. Es kommt mutmaßlich zu Beleidigungen und Bedrohungen. Der Angeklagte beteuert, er sei unschuldig.

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Wer hat am 20. Juni vor einem Jahr in der Shisha-Bar in der Erdinger Innenstadt erst zwei jungen Frauen und dann die Mitarbeiter beleidigt und sogar gedroht, "den ganzen Laden abzufackeln"? Erst vor kurzem ist es vor der Bar zu einer Messerattacke auf drei Männer gekommen. So weit ist es damals zum Glück nicht gekommen. Aber der Beschuldigte - ein 25-jähriger aus Erding, der sich jetzt am Amtsgericht verantworten muss - soll laut Anklageschrift damals ordentlich ausgerastet sein, nachdem er und sein Freund bei zwei jungen Frauen abgeblitzt waren. Er selber bestreitet dies. Er sei erst zu dem Streit dazu gekommen, als sein Freund, attackiert von zwei Bar-Mitarbeitern, am Boden gelegen habe. Nach einem Jahr ist allerdings das Erinnerungsvermögen der Zeugen eher vage und reduziert sich darauf, dass der Haupttäter "lockiges Haar" gehabt habe

Wie der Abend in der Shisha-Bar gegen 22 Uhr verlief, da waren sich die 20- und 21-jährigen Freundinnen größtenteils einig. Der Freund des Angeklagten habe sie angesprochen, ob er und der Angeklagte sich zu ihnen setzen dürften. Was sie verneint hätten. In einer rund zehnminütigen Diskussion habe er ihnen sogar Geld dafür angeboten. Letztlich sei er aber abgezogen, um 15 Minuten später zusammen mit dem Angeklagte wieder zu kommen. Und beide hätten wieder ein Nein bekommen, weil sie an dem Abend alleine sein wollten, was den Angeklagten in Rage gebracht habe. Er habe gedroht, die Kohle in der Shisha-Pfeife auf sie zu schütten. Dass die beiden sie belästigten, hätten Mitarbeiter der Bar mitbekommen und den Angeklagten und dessen Kumpel "höflich gebeten", die Bar zu verlassen. Dann, so die 20-Jährige vor Gericht, sei "alles eskaliert". Zu einer Schlägerei sei es aber nicht gekommen, sondern nur zu einem "Gerangel". Von den Beleidigungen und Drohungen hätten sie nichts mitbekommen, weil sie sich vorher in einen hinteren Teil der Bar verzogen hätten.

Die beiden Hauptzeuginnen können sich nur an "lockiges Haar" erinnern

Der Pflichtverteidiger des Angeklagten fixierte seine Fragen darauf, wie die beiden Frauen später bei den Zeugenaussagen bei der Polizei den 25-Jährigen identifiziert haben. Die Jüngere erklärte, dass der "Haupttäter", der mit der brennenden Kohle gedroht habe, "lockiges Haar" bis über die Ohren gehabt habe damals. Und das habe sie auch der Polizei gesagt. Auch ihre Freundin konnte sich nur an lockiges Haar erinnern, der andere habe glatte Haare gehabt. Vor Gericht hatte der Angeklagte zwar leicht lockiges Haar, aber sehr viel kürzer. Bei der Polizei waren ihnen keine Fotos von den Verdächtigen vorgelegt worden, wie beide sagten. "Ich kann mir sehr schlecht Menschen merken", sagte die ältere der Freundinnen. Was den Verteidiger zu Frage verleitete, ob sie sich denn an gar keine anderen Kriterien erinnern könne: Größenunterschiede, Figur, dünn oder dick? Es blieb bei den Locken.

Auch die Aussage eines Bar-Mitarbeiters brachte wenig Klarheit. Bei ihm war der Angeklagte beim Ansprechen wohl damals gerade auf der Toilette, was der 25-Jährige auch gesagt hatte, weshalb er gar nicht verstehe, warum er vor Gericht steht, wenn er nichts anderes gemacht habe, als sich vor seinen Freund zu stellen, als der von den Mitarbeitern attackiert worden sei. Der Mitarbeiter sagte aus, dass die späteren Beleidigungen und Drohungen aber von beiden ausgegangen seien. Was wiederum den Verteidiger fragen ließ, wie er denn diese Beleidigungen verstehen konnte, wenn der Angeklagte Arabisch und sein Freund Dari sprechen. Sie hätten teilweise auch auf Deutsch lautstark geschimpft, sagte der Mitarbeiter.

Der Richter will das Verfahren einstellen, die Staatsanwältin lehnt dies ab

Auch der Polizist, der vor Ort das Geschehen aufnahm, konnte nur das wiedergeben, was er selber vor der Bar erlebt hatte. Danach seien der Angeklagte und sein Kumpel stark aufgebracht und aggressiv gegenüber den Mitarbeitern gewesen. Laut den Zeugenaussagen vor Ort sei der Angeklagte draußen eher der Ruhigere gewesen, während er in der Shisha-Bar den Ton angegeben habe. Auf die Frage von Amtsrichter Andreas Wassermann, wie sich die beiden optisch unterscheiden, sagte der Polizist: in der Körpergröße. Erst auf Nachfragen glaubte er sich auch an Locken zu erinnern.

Andreas Wassermann schlug daraufhin die Einstellung des Verfahrens gegen eine "erhöhte Geldauflage" vor. Dies lehnte aber die Staatsanwältin entschieden ab. Die drei am ersten Prozesstag nicht vernommen Zeugen - zwei Mitarbeiter und der Freund des Angeklagten - werden ihrer Meinung nach die Schuld des 25-Jährigen belegen. Die Verhandlung wird fortgesetzt. Und wohl auch mit dem Freund, der unentschuldigt fehlte. Richter Wassermann verhängte deshalb gegen ihn ein Ordnungsgeld in Höhe von 300 Euro, ersatzweise drei Tage Haft.

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